Nachdem die Einführung von Hartz IV im Jahre 2003 noch für Euphorie bei der SPD sorgte, so würde sie es heute am liebsten wieder abschaffen. Diese Ansicht teilen momentan, bis auf die Union, auch alle anderen Bundestagsparteien. Doch wie kam es eigentlich zu den Arbeitsmarktreformen und was haben sie tatsächlich bewirkt?
Yannick Moebus von der politischen Empfehlungsplattform The Buzzard gibt einen kurzen Überblick darüber, wie es zur Verabschiedung der Hartz IV-Reformen kam und welche Auswirkungen sie auf den deutschen Arbeitsmarkt hatten.
Dieser Text ist ein Gast-Beitrag aus der aktuellen Debattenschau von The Buzzard zur Frage: Sollten wir Hartz IV abschaffen?
Wie kam es zu Hartz IV?
Die Gesetzesinitiative geht auf den SPD-Genosse und ehemaligen VW-Manager Peter Hartz zurück. Er leitete die sogenannte Hartz-Kommission, die 2002 ihre Arbeit aufnahm. Die Hartz-Kommission war eine Gruppe von Experten und Wirtschaftsvertretern, die von der Regierung unter Gerhard Schröder eingesetzt wurde, um den deutschen Arbeitsmarkt zu reformieren. Die Vorschläge der Kommission wurden in vier Stufen umgesetzt (Hartz I bis Hartz IV). Am 01. Januar 2005 traten die Regelungen zu Hartz IV in Kraft.
Ziel der Hartz-Kommission war es, die Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahren zu halbieren. Insgesamt umfasste das Reformpaket vier Elemente:
- Mit Hartz I wurden „Personal Service Agenturen (PSA)“ eingeführt. Darüber sollten Arbeitslose leichter an Zeitarbeitsfirmen vermittelt werden.
- Hartz II sollte vor allem den Einstieg in die Selbstständigkeit erleichtern. Die Ich-AG wurde eingeführt.
- Durch Hartz III wurde das Arbeitsamt zur „Bundesagentur für Arbeit“ umbenannt und sollte nun mehr Verantwortung im Bereich der Arbeitslosenbetreuung übernehmen.
- Als letzter Bestandteil des Reformpakets sollte Hartz IV mehr Druck auf Langzeitarbeitslose ausüben, sodass diese wieder in den Arbeitsmarkt geführt werden. Es umfasst die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum sogenannten Arbeitslosengeld II.
Wem steht Hartz IV zu und in welchem Umfang erfolgen die Leistungen?
Das Arbeitslosengeld II steht allen potentiell erwerbsfähigen Personen zu. Um als erwerbsfähig zu gelten muss eine Person in der Lage sein, mindestens drei Stunden am Tag arbeiten zu können. Nichtdeutsche müssen eine Arbeitserlaubnis vorweisen können.
Im Oktober 2018 bezogen rund 5,7 Millionen Menschen das Arbeitslosengeld II. Nach einer Erhöhung um 1,7% erhält ein Hartz IV-Empfänger seit dem 01. Januar 2018 409 Euro monatlich. Leben zwei Personen zusammen, erhält jeder 374 Euro.
Die Wohnkosten werden ebenfalls übernommen. Allerdings muss sich die Wohnung im unteren Preissegment des Wohnungsmarktes in der jeweiligen Region befinden. Auch für die Kinder der Hartz IV – Empfänger gibt es Unterstützung. Für Kleinkinder sind das beispielsweise 240 Euro.
Über die Höhe von Hartz IV wird oftmals diskutiert. Anfang des Jahres stießen die Äußerungen von Jens Spahn (CDU) auf heftige Kritik:
Was hat Hartz IV bewirkt?
Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat versucht, die einzelnen Hartz-Reformen zu bewerten: Seit der Einführung von Hartz IV ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland zurückgegangen. Von über 11% im Jahre 2005 auf rund 5% im September 2018.
Inwiefern die Hartz IV-Reformen direkt auf diese Senkung der Arbeitslosenquote gewirkt haben, ist jedoch umstritten. Befürworter sagen, dass Hartz IV zu einer gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands geführt habe und dadurch eine höhere Beschäftigungsrate hervorgebracht hat. Kritiker meinen hingegen, dass beispielsweise ausbleibende Lohnerhöhungen dazu führten.
Als Ziel wurde auch die verstärkte Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt ausgegeben. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist von einer Million im Jahr 2005 zwar gesunken, umfasst allerdings noch über 850.000 Menschen. Das bedeutet, dass jeder fünfte Hartz IV-Empfänger seit zehn oder mehr Jahren Unterstützung erhält.
An den Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nahm von den Langzeitarbeitslosen nur jeder Zehnte teil. Auf der anderen Seite erhielt von den Nicht-Langzeitarbeitslosen fast jeder sechste eine Förderung. Im Vergleich zur allgemeinen Entwicklung der Arbeitslosigkeit verbessert sich die Lage der Langzeitarbeitslosen also eher schleppend.
Wie viel kostet Hartz IV?
In den ersten zehn Jahren nach der Einführung wurden insgesamt über 400 Milliarden Euro an Steuermitteln umverteilt.
Wie steht die SPD heute dazu?
„Wir werden Hartz IV hinter uns lassen“. Mit dieser Aussage hat die SPD-Parteichefin Andrea Nahles für Aufsehen gesorgt. Dazu muss man wissen, dass die SPD nie geschlossen hinter der Verabschiedung von Hartz IV stand. Nahles zählte zu einer der schärfsten Kritikerinnen.
Auch andere Vertreter der SPD äußerten sich zu möglichen Änderungen der Hartz IV-Reform. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist der Meinung, dass eine arbeitslose Person, die sich in der Weiterbildung befindet, nicht nach zwölf Monaten automatisch in die Grundsicherung abrutschen soll. Juso-Chef Kevin Kühnert möchte Sanktionen durch positive Anreize ersetzen, mehr Unterstützung für Kinder, deren Eltern Arbeitslosengeld II empfangen, gewährleisten und das private Vermögen der Hartz IV-Empfänger länger schonen.
Eine grobe Orientierung, wann die Änderungen in Kraft treten sollen, liefert die angekündigte „Sozialstaatsreform 2025“:
Wo kann ich mich weiter informieren?
Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat einige Fakten und Argumente zu Hartz IV aufgelistet.
Wie es um die Lage der ärmeren Bevölkerungsgruppen in Deutschland bestellt ist, zeigen die Kollegen von OXY.
Unter Berufung auf eine Deutschlandtrend-Umfrage gibt der TAGESSPIEGEL Informationen zur aktuellen Stimmungslage bezogen auf die Abkehr der SPD von Hartz IV.
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