Nach einem langen Hin und Her wird die Grundrente kommen. Minister Hubertus Heil hat dafür gekämpft und sich mit diesem Projekt, das die GroKo im Koalitionsvertrag vereinbart hatte, gegen massive Widerstände durchgesetzt. Manches – vor allem die Finanzierung – ist indessen immer noch ungeklärt: Im ersten Jahr, also 2021, werden die Kosten für die Grundrente bei rund 1,3 Mrd. € liegen; bis 2025 sind dafür jährlich über 1,6 Mrd. € erforderlich.
1,3 Millionen Grundrentner ab 2021
Sozialminister Heil will mit der Grundrente den Rentnern, die mindestens 33 Jahre lang gearbeitet und Beiträge eingezahlt haben, im Alter ein Einkommen sichern, das höher als die bisherige Grundsicherung liegt. Als Beitragsjahre werden auch Kindererziehungs- und Pflegezeiten angerechnet. Der volle Zuschlag wird indessen erst von 35 Pflichtversicherungsjahren an gezahlt. Grundrente erhalten jedoch nur diejenigen, die nicht hohe Einkünfte aus anderen Quellen – etwa aus Betriebspensionen, Kapitalerträgen, Mietverträgen u. ä. – beziehen. Die Freibetragsgrenze liegt bei Alleinstehenden bei einem zu versteuernden Einkommen von 1.250, bei Paaren bei 1.950 €. Werden die Freibeträge übertroffen, wird die Grundrente gekürzt. Bezieht der Rentner mehr als 1.600 € (Singles) bzw. 2.300 € (Paare) pro Monat an Einkommen, wird keine Grundrente bezahlt.
Sozialpolitisch ist die nun beschlossene Grundrente ohne Zweifel ein Durchbruch. Positiv ist vor allem, dass bisherige „Mini-Rentner“ nicht mehr zum Grundsicherungsamt gehen und sich einer schwierigen Bedürftigkeitsprüfung unterziehen müssen. Es ist davon auszugehen, dass ab 2021 etwa 1,3 Millionen Menschen von der Grundrente profitieren werden; der Anteil der Frauen dürfte bei 70 % liegen. Damit wird ein wichtiger Schritt gegen die zunehmende Altersarmut gemacht, die insbesondere jene bedroht, die mehr als 2 Jahrzehnte gearbeitet und nur niedrige Löhne erhalten haben.
Überfällige Rentenreform
Gelöst werden indessen damit keineswegs die drohenden Probleme, die sich in der mittel- und längerfristigen Perspektive in der gesetzlichen Rentenversicherung abzeichnen.
Die von der Großen Koalition eingesetzte Kommission, die Vorschläge zur Reform der Rente machen soll, wird höchstwahrscheinlich nichts liefern, was politisch zu realisieren sein wird. Die Vorstellungen der Mitglieder dieser Kommission liegen sehr weit auseinander. Der Bericht, der Anfang März vorgelegt werden sollte, wird frühestens Ende März veröffentlicht.
In der Kommission sind Politiker der Union und SPD, der DGB und der BDA sowie Wissenschaftler vertreten. Die GroKo hatte die Kommission beauftragt, konkrete „Wege zu einer nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der Alterssicherungssysteme ab 2025“ aufzuzeigen. Auf dieser Basis sollte ein neuer Generationenvertrag aufbauen.
Neuer Generationenvertrag erforderlich
Allen Beteiligten ist klar, dass der aktuelle Generationenvertrag in Zukunft nicht mehr tragfähig sein wird. Heute kommen auf 100 Erwerbstätige 31 Rentner, im Jahre 2040 werden es 44 bis 49 Rentner sein. Zudem ist die Lebenserwartung bereits in den letzten Jahrzehnten und damit die Rentenbezugszeit gestiegen – und wird sich wohl auch weiter erhöhen.
Gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters machen vor allem der DGB und die SPD Front und lehnen einen solchen Schritt vollends ab. Schon die vom damaligen Minister Franz Müntefering vorgeschlagene und von der GroKo beschlossene schrittweise Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wurde von Gewerkschaften und vielen Sozialdemokraten abgelehnt. In der Rentenkommission wurde deshalb zum Renteneintrittsalter kein Konsens gefunden – auch nicht zur Flexibilisierung oder zur Kopplung an die steigende Lebenserwartung. Vielmehr wurde vorgeschlagen, eine neue Kommission zu berufen, die sich mit dem Thema „Lebensarbeitszeit“ beschäftigen soll. Ohnehin war die GroKo bereits den Wünschen der SPD mit der „Rente mit 63“ gefolgt. Und die Grundrente wird ebenfalls noch auf den Weg gebracht. Dafür konnte sich die Union mit der Mütterrente durchsetzen. Diese Maßnahmen schlagen sich mit hohen Milliarden-Lasten in der gesetzlichen Krankenkasse und im Bundeshaushalt nieder. Insgesamt belaufen sich inzwischen die Zahlungen des Bundes an die Rentenkasse auf deutlich über 90 Mrd. € pro Jahr.
Pflicht zur Betriebspension?
Bis 2025 soll das Verhältnis der Eckrente, die nach 45 Jahren und durchschnittlichem Einkommen bezahlt wird und im Durchschnitt bei etwa 1.300 € pro Monat liegt, zum Durchschnittseinkommen nicht unter die Grenzen von 48 % fallen. Angesichts der zunehmenden gebrochenen Erwerbsbiografien und der wachsenden Teilzeitarbeit droht in der Zukunft vielen Menschen die Altersarmut; derzeit sind rund 6 % der Rentner davon betroffen – vor allem Frauen, für die nur wenige Jahre in die Rentenkasse eingezahlt wurde. Einen neuen Vorschlag zur Definition des zukünftigen Rentenniveaus ist von der Rentenkommission nicht zu erwarten. Vor allem seitens des DGB wurde eine Unterschreitung des Rentenniveaus von 48 % hart abgelehnt. Ebenfalls gibt es mit den Gewerkschaften keinen Konsens dazu, eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung verpflichtend einzuführen. Der DGB ist entschieden dagegen, dass vor allem die Arbeitnehmer dafür die Hauptlast übernehmen müssten. Dies erklärt wohl auch, dass bislang kein Tarifvertrag für eine Sozialpartnerrente abgeschlossen wurde, obwohl die GroKo das Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits vor längerer Zeit beschlossen haben.
Zunehmende Angst vor Altersarmut
CDU und CSU drängen auf einen stärkeren Ausbau der privaten Altersvorsorge. Eine Arbeitsgruppe der Union plädiert nachdrücklich für Betriebsrenten und private Vorsorge, aber ebenso für einen späteren Eintritt ins Rentenalter. Der Vorschlag von Hermann Gröhe, der auch Mitglied der Reformkommission ist, dass Arbeitgeber für Geringverdiener höhere Beiträge zur Rentenkasse zahlen sollten, um das Risiko der Altersarmut zu verringern, wurde vom Wirtschaftsflügel der Union abgelehnt. Auch die aus den Reihen der SPD geäußerte Idee, die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung kräftig nach oben zu setzen oder völlig abzuschaffen, hat bislang keine Rolle gespielt. Dies würde zwar schon kurzfristig zu höheren Beitragseinnahmen führen, mittel- und langfristig zu höheren Rentenzahlungen. Es sei denn, es würde das sog. Äquivalenzprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgegeben, nach dem denen, die hohe Beiträge lange Zeit einzahlen, höhere Renten gezahlt werden. Dagegen wird es wohl für Selbständige eine Pflicht zur Altersvorsorge geben – entweder als Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung oder mit einer vergleichbaren privaten Versicherung. Insgesamt werden die Ergebnisse der Rentenreform-Kommission enttäuschend ausfallen.
Bis 2025 ist das gegenwärtige System mit kleineren – mehr kosmetischen – Maßnahmen noch aufrecht zu erhalten. Spätestens jedoch ab 2030 werden die Probleme außerordentlich schwierig, wenn dann die sog. Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge (ab Mitte der 60er Jahre) in Rente gehen und sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen verringern wird. Bislang gibt es von keiner Partei ein Rentenkonzept, das breiten Schichten der Bevölkerung die Angst vor der Altersarmut in den nächsten Jahrzehnten nimmt und bessere Perspektiven für die zukünftigen Rentner eröffnet. Denn ähnliche Probleme werden sich auch für die Pflege- und Krankenversicherung ergeben.
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