CDU Parteitag Hamburg 2018

Die Würfel sind gefallen – Die CDU hat sich entschieden

Der Wechsel im Vorsitzendenamt der CDU war überfällig, jetzt ist er vollzogen. Die Partei hat in den zurückliegenden Wochen vor allem an der Basis einen Aufbruch erlebt wie seit langem nicht mehr, es war „Leben in der Bude.“ Die Delegierten des Bundesparteitags haben mit ihrem Wahlverhalten am 7. Dezember in Hamburg gezeigt, dass sie sich die Entscheidung nicht leicht gemacht haben: Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit 51,7 Prozent der Stimmen knapp, aber dennoch klar gewonnen. Das Ergebnis von 48,2 Prozent und, nach seiner Niederlage, der stehende Applaus für Friedrich Merz, den Favoriten der Parteibasis zumindest in den meisten Regionalkonferenzen, haben signalisiert, dass sein Anliegen, die konservative und die wirtschaftsliberale Seite der Partei wieder deutlicher werden zu lassen, von sehr vielen Parteimitgliedern geteilt wird.

Der Wahlausgang war noch nach dem ersten Wahlgang offen, und jetzt liegt es an Kramp-Karrenbauer, die enttäuschten Anhänger von Merz (und Jens Spahn, der mit einem sehr achtbaren Ergebnis im ersten Wahlgang zufrieden sein konnte) wieder aufzurichten und die Appelle im Vorfeld, dass es keine Spaltung geben dürfe, durch entsprechende Signale zu unterfüttern. Die Tatsache, dass es so eng war und bis zuletzt niemand sicher sein konnte, wer gewinnt, kann als gute Ausgangsbasis für eine schnelle Aussöhnung der unterschiedlichen Lager gewertet werden – wenn es gut läuft für die CDU und wenn die Geschlossenheitsappelle nicht nur Lippenbekenntnisse waren. Triumphgefühle der einen Seite wären ebenso fehl am Platze wie Frustrationsreaktionen der anderen. Die Hoffnungen auf einen sichtbaren Kurswechsel, die vor allem mit der Kandidatur von Friedrich Merz verbunden waren, werden auf jeden Fall nicht gegenstandslos, die knappe Hälfte der Parteitagsdelegierten hat da eine deutliches Votum abgegeben.

Das heißt aber auch, dass die Erwartungen vieler Mitglieder der CDU-Basis an eine klarere Profilierung erkennbar erfüllt werden müssen, um den Schwung zu erhalten, der die Partei in den letzten Wochen so in Bewegung gebracht hat. Die Mandatsträger und Funktionäre der Partei müssen sich bewusst sein, dass es jetzt kein „weiter so“ geben kann. Die innerparteilichen Diskussionsprozesse haben Energien freigesetzt, die über die Partei kanalisiert und in politisches Handeln umgesetzt werden müssen, und das auf allen Ebenen. Was Friedrich Merz an Erwartungen ausgelöst hat, darf nicht enttäuscht werden. Die Chancen, dass die Große Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleibt, sind gestiegen, aber die Zeit bis dahin muss auch genutzt werden, um die Positionierung der CDU in Abgrenzung zu SPD und Grünen auf der einen und zur AfD auf der anderen Seite neu zu bestimmen. Nur wenn dies in einem breiten innerparteilichen Diskussionsprozess gelingt, wird die CDU weiter eine Volkspartei sein, die diesen Namen verdient.

Ein Stirnrunzeln oder ein Grinsen, das nur zum Schluss, kann man sich als Beobachter des Hamburger Parteitags nicht verkneifen: Der Abstimmungsvorgang mit „Tischwahlkabinen“ hatte ein gewisses Satirepotential. Wer andauernd über die Digitalisierung redet, könnte es vielleicht einmal mit der Möglichkeit elektronischer Stimmabgabe versuchen. Wenn dies so schnell nicht zu organisieren war, sollte es aber beim nächsten Mal funktionieren. Das wäre gut für das Bild der CDU als moderne Volkspartei.

 

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Der Historiker war bis 2016 Direktor der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt und von 2013 bis 2015 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft aller deutschen Landesmedienanstalten. Heute lehrt er als Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Geschichte sowie Kommunikations-und Medienwissenschaft. Seit 2022 Mitglied der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF).


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