Der Brexit ist ein Thema, das uns Rest-Europäer mit Sorge erfüllt und hierzulande politisch Gott sei Dank keine wirklichen Nachahmer findet. Leider überdeckt die endlose Debatte in London aber die eine oder andere Nachricht von dort, die Aufmerksamkeit verdient und uns nachdenklich machen sollte. Dies vor allem deshalb, weil manche Entwicklungen in Großbritannien zeitversetzt auch bei uns zu erwarten sind, beispielsweise im Medienbereich, also beim Zustand der Zeitungs- und der Rundfunklandschaft. Hier hat die Regulierungsbehörde für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk, die Ofcom, vor wenigen Tagen das Ergebnis ihrer neuesten Publikumsforschung veröffentlicht, das wieder einmal aufhorchen lässt.
Es ist jetzt nur noch knapp die Hälfte (49 Prozent) der Sechzehn- bis Vierundzwanzigjährigen, die in einer durchschnittlichen Woche BBC-Programme zur Informationsaufnahme oder zur Unterhaltung nutzt. Die Jugend konsumiert vielmehr Filme und Serien auf Netflix oder Youtube, Nachrichten erreichen sie zunehmend über soziale Netzwerke und andere Internetportale. Nur noch etwas mehr als eine Stunde am Tag verbringen sie mit BBC-Angeboten, vom Fernsehen über das Radio bis zum Internet. Der Trend in diese Richtung ist bereits seit Jahren erkennbar, und er wird sich fortsetzen, dafür braucht man kein Prophet zu sein.
Auch bei uns geht es in die gleiche Richtung. Mir macht das große Sorge. Man muss gar nicht von Echokammern und Filterblasen reden, sondern es reicht schon, einmal im eigenen Umfeld zu eruieren, wie es um den politischen Horizont der jungen Generation steht – und welchen Kenntnisstand sie zu Themen hat, die für ein aufgeklärtes Miteinander relevant sind. Mein Eindruck: Die politische Bildung lässt oft sehr zu wünschen übrig, und das wird schlimmer und hat mit dem veränderten Medienkonsumverhalten zu tun, übrigens nicht nur bei der Jugend.
Es ist leider so, dass selbst die meisten Studenten, die Politik oder Geschichte studieren, weder regelmäßig eine Zeitung lesen noch aktiv politische und gesellschaftliche Themen verfolgen. Sie fühlen sich von Facebook und Instagram informiert, jedoch sind ihre Wissenslücken manchmal erschreckend. Dies soll keine Pauschalkritik sein, aber aus eigenem Erleben weiß ich, wovon ich rede. Oder ist es normal, um nur ein Beispiel zu nennen, dass bei einem Auswahlgespräch für die Bewilligung eines Stipendiums zwei von sechs Studenten den Ministerpräsdenten ihres eigenen Bundeslandes nicht nennen konnten? Vor diesem Hintergrund sind die Gedankenspiele über die Verpflichtung der informationsrelevanten Internetplattformen zu Meinungsvielfalt verständlich. Wenn die bisherigen Gatekeeper, Torwächter oder Intermediäre oder wie immer man sie bezeichnet, also die Zeitungen und der Rundfunk, nicht mehr wirken, weil sie Akzeptanz und damit Reichweite verlieren, dann müssen die neuen Informations-Intermediäre, also die großen Suchmaschinen und Nachrichtenportale, eine neue Verantwortung übernehmen. Allerdings ist das leichter gesagt als getan, weshalb im neuen Medienstaatsvertrag, den die Bundesländer gerade beraten, dazu noch wenig Konkretes steht. Bedauerlicherweise geht die skizzierte Entwicklung ungebremst weiter und schon jetzt ist erkennbar, dass alles noch schlimmer werden wird, bevor es vielleicht wieder besser wird. Die Forderung der Ofcom an die BBC, sich der Herausforderung zu stellen, ist ein wichtiger Hinweis, den man auch hierzulande ernst nehmen sollte, zuerst und vor allem auf Seiten der Medienpolitik. Aber auch die Bildungspolitik muss entschlossener als bisher reagieren, sonst droht in der Tat das, wovor die Ofcom warnt: eine neue „verlorene Generation“.
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