500 Milliarden Euro, das klingt viel, das ist auch viel und nicht nur in meiner Vorstellung eine Summe, die ich mir als Privatmann natürlich gar nicht vorstellen kann. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen mit diesem gigantischen Plan die Blockade in der EU auflösen. Die Rede ist von einem Wiederaufbau der Europäischen Union, nach Corona, man spricht von Solidarität, von Anleihekäufen auf dem Finanzmarkt „im Namen der EU“. Die EU-Hilfen sollen als Zuschüsse, nicht als Kredite gewährt werden, damit krisengeschüttelte Länder wie Italien und Spanien wieder auf die Beine kommen. All das war umstritten, europäische Schulden verpönt nicht nur in Deutschland. Die EU-Staaten haften auch nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur für die begrenzten Garantien. Wie man es auch dreht, es wird europäischer gedacht. Und das ist auch dringend nötig in Zeiten eines zunehmenden Nationalismus, der Europa überhaupt nicht gut zu Gesicht steht.
Der Plan liegt auf dem Tisch, jetzt läuft die Debatte, die vor allem den Südeuropäern helfen soll, mit der aber die Europäer im Norden wie die Niederlande und Dänemark, aber auch Österreich ihre Probleme haben. Es bedarf noch mancher Überzeugung, den europäischen Gedanken der Solidarität in alle Hauptstädte und Köpfe zu pflanzen. Es müssen alle begreifen, auch die, denen es über die Maßen gut geht, dass nur ein gesundes, ein florierendes Europa allen hilft, während Egoismus schaden würde. Europa, das war und ist eine Währungsunion, der immer der politische Unterbau gefehlt hat. Daran gilt es zu arbeiten, sonst bricht Europa auseinander. Und das wäre schade. Gerade in Corona-Zeiten spürt man, wie alles von einander abhängt, wie fast alles mit allem zu tun hat. Wir müssen die Corona-Krise gemeinsam lösen, wir brauchen einen Impfstoff für alle, damit wir weniger Angst haben vor der Krise und Krankheiten und mehr Vertrauen gewinnen.
Zurück auf Anfang. Nach dem Ende des schrecklichsten aller Kriege 1945 wurde der europäische Gedanke auf den Trümmern, in den Ruinen des Bombenkrieges, auf den Friedhöfen in ganz Europa geboren. 65 Millionen Tote hatte der Zweite Weltkrieg weltweit gefordert, viele Millionen Menschen waren Opfer von Rassenwahn und einem ungezügelten deutschen Nationalismus geworden. Vieles lag am Boden, zerstört, verwüstet. Es war Robert Schuman, der am 9. Mai 1950 als Außenminister im Uhrensaal des Quai d´Orsay den Plan für eine Union aus Kohle und Stahl, die Montan-Union präsentierte mit den Worten: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“ Ausgerechnet Schuman, ein typischer Europäer, in dessen Lebenslauf sich die tödliche Geschichte Europas wiederspiegelt: Geboren 1886, da war Deutschland Kaiserreich, Schuman Reichsdeutscher in Luxemburg, er erlebte die Schrecken des Ersten Weltkriegs und war danach französischer Staatsbürger. Es folgte der Zweite Weltkrieg, Schuman schloß sich der Résistance an im Kampf gegen Hitler und wurde nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 ein Kämpfer für die deutsch-französische Aussöhnung und einer der Gründerväter der EU, aufgebaut auf der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl- kurz Montanunion genannt. 1952 trat diese Union mit den Mitgliedsländern Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg in Kraft.
Ein Raum des Rechts
Uralte Feindschaften waren damit überwunden, der Gedanke der europäischen Gemeinschaft hatte den zerstörerischen Nationalismus verdrängt. Ein europäisches Wunder, wenn man nur einige Minuten darüber nachdenkt, was Nazi-Deutschland den Nachbarn angetan hatte, aber auch Millionen Juden, wenn man kurz bedenkt, wie Hitler, Himmler, Goebbels und Co aus Deutschland eine braune Diktatur schufen, die mit ihren Gegnern kurzen Prozess machte. Deutschland war kein Rechtsstaat mehr, Willkür war die Richtschnur der Nazis, es war ein Zivilisationsbruch ersten Ranges. Aber die Sieger und Opfer reichten den Verlierern und Tätern die Hand. In den letzten Wochen gedachten wir immer wieder des Kriegsendes, vor 75 Jahren. Ein Kriegsende, das eine Befreiung war von der braunen Diktatur, befreit wurden wir von den Alliierten, den Amerikanern, den Engländern, den Franzosen, der Roten Armee der UdSSR, die mit 25 Millionen Toten die meisten Opfer zu beklagen hatte.
Europa ist kein Staatenbund und kein Bundesstaat. Aber was dann? Eine Wertegemeinschaft, darauf beruft man sich gelegentlich, wenn Mitglieder der EU wie Ungarn oder Polen europäisches Recht brechen und eine unabhängige Justiz nicht akzeptieren, oder auch die Pressefreiheit nicht unbedingt zu ihren stolzen Errungenschaften zählen, sondern liebend gern Journalisten schurigeln. Europa ist eher, wie das Heribert Prantl in der SZ formuliert hat, „ein Raum des Rechts, das umfassende EU-Recht begründet das Gemeinwesen EU.“
Wir brauchen die politische Union
Ich will der Debatte in Wien, wo Kanzler Kurz zunächst auf Ablehnungskurs des Merkel/Macron-Plans verharrt, nicht vorgreifen, auch die Einwände aus den Niederlanden müssen ernstgenommen werden wie die Hinweise aus Kopenhagen. Zunächst wird die Kanzlerin den Deutschen ihre Pläne genauer unterbreiten müssen, die eben nicht dazu dienen, dass wir alles bezahlen, was die Italiener ausgegeben haben, um ein Vorurteil zu erwähnen. Deutschland, der Exportweltmeister, wird davon profitieren, wenn es den anderen nach Überwindung der Corona-Krise besser geht, es wird seine Produkte besser nach Italien, Spanien und in andere Länder verkaufen können, wenn die Italiener sich das auch leisten können. Wenn es Rom, Madrid und den anderen Metropolen gut geht, geht es auch den Menschen in Berlin, München und Hamburg gut. Die deutschen Exportüberschüsse klingen gut, sie sind es aber nicht, weil wir damit die Nachbarn erdrücken. Diese Unwucht, schreibt die taz, habe sich durch Corona noch verschärft, weil viele EU-Länder nicht reich genug seien, um in dieser schwierigen Lage ihre Unternehmen zu unterstützen. Es würde dem Binnenmarkt nicht gut bekommen, wenn vor allem deutsche Betriebe die Corona-Krise überlebten. Auch wenn Deutschland Zuschüsse in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro gewährte, wäre das gut angelegtes Geld. Europa wird gemeinsam reicher, nicht getrennt, so das Fazit der taz. Dieser Solidaritätsgedanke müsste als Signal für ganz Europa verstanden werden.
Europa ist, wie oben angedeutet, gut gestartet, ist aber auf halbem Wege stehen geblieben. Wir müssen Europa zu Ende bauen, im Wissen, dass wir nur gemeinsam stark sind im Wettbewerb mit den USA und China, ein Land allein würde untergehen. Dieses Ja zu einem Europa ist zwar in der Vergangenheit schwächer geworden, was sich im Austritt der Briten aus der EU gezeigt hat. Dem muss entgegengesteuert werden, wir brauchen mehr Integration. Zur gemeinsamen Geld- muss eine gemeinsame Finanzpolitik kommen, damit sich die Euro-Länder nicht noch weiter auseinander entwickeln. Wir brauchen eine politische Union, wir brauchen einen europäischen Finanzminister, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung, das Europa-Parlament braucht mehr Rechte. Die Zukunft Europas braucht einen Schub. Vielleicht könnte das eine Zielmarke für Angela Merkel sein, wenn Deutschland für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union im Sommer übernimmt. Es wäre an der Zeit.
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'Merkel und Macron als Motoren Europas' hat einen Kommentar
25. Mai 2020 @ 16:30 Hermann-Josef Arentz
Alfons Pieper hat Recht. Die EU braucht neuen Schwung und mehr Solidarität. Ich bin froh, dass sich die Union von Merkel bis Söder aktuell wieder auf die europapolitik besinnt, die von Adenauer an das Markenzeichen von CDU und CSU war. Die gemeinsame Initiative von Merkel und Macron geht genau in die richtige Richtung. Mit mehr Europa gewinnen wir alle. Der Weg der „geizigen Vier“ ( Norbert Röttgen) produziert am Ende nur Verlierer. Wann, wenn nicht jetzt angesichts der Covid 19 Pandemie, wollen wir Europäer wieder näher zusammenrücken ?