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Home Politik

„Nichts ist gut im Roten Meer“? Déjà vue?

Jochen Luhmann Von Jochen Luhmann
24. Februar 2024
Fregatte Hessen im Einsatz

1.     Das Mandat – von Ferne betrachtet

Ein neuer Einsatz. Die Deutsche Marine beteiligt sich an einem EU-Einsatz im, wie es heißt, „Roten Meer“ – es gehe um Gewährung von Sicherheit gegenüber Angriffen der jemenitischen Huthi auf den Handelsschiffsverkehr. So die mediale Darstellung.

Das Mandat für die EU-eigene Marine-Mission im Eingang des Roten Meeres mit dem Namen “ASPIDES” (= „Schutz“) wurde am 8. bzw. 19. Februar 2024 beschlossen. Zuvor war die Entscheidung gefallen, eine eigenständige Mission aufzusetzen, die Einladung der USA (mit UK im Schlepptau) also auszuschlagen, an deren Mission „Prosperity Guardian“ teilzunehmen. Europa bewegt sich somit auffällig eigenständig. Man scheint nun jeden, aber auch jeden Anlass nutzen zu wollen, in militärischen Einsätzen Eigenständigkeit zu trainieren.

Das Mandat zur Beteiligung der Bundeswehr wurde von der Bundesregierung am 16. Februar beschlossen und am 23. Februar vom Bundestag, dort mit ungewöhnlich breiter Mehrheit. Auch die AfD stimmte – entgegen ihrem üblichen Stimmverhalten in der Vergangenheit – diesem Auslandseinsatz zu. Lediglich die Linken, mit beiden Gruppen, stimmten dagegen. Zu diesem Zeitpunkt ist die deutsche Fregatte Hessen aus dem Suez-Kanal ins Rote Meer eingefahren.

Vier Tage zuvor, am 19. Februar, hat die der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“ ihren umfangreichen Zwischenbericht vorgelegt. Ihr Vorsitzender, Michael Müller (SPD), hat aus diesem Anlass eine wichtige Lehre auf den Punkt gebracht. Sie lautet,

„dass die Staatengemeinschaft den Afghanistan-Einsatz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 überstürzt begonnen hat und wir uns nicht hinreichend mit Kultur und Geschichte dieses Landes auseinandergesetzt haben.“

Die Bundestags-Präsidentin hat aus Anlass der Übergabe des Berichts gesagt:

„Wenn das Parlament Soldatinnen und Soldaten in einen Einsatz schickt, wollen sie stets wissen: Was ist die Zielrichtung, wie lautet der Auftrag, …?“

Als Beobachter fragt man sich, ob diese Lehren bei einem neuerlichen Entsenden, nun ins Rote Meer, beherzigt worden sind. Der Eindruck ist: Vermutlich dürfte auch diesmal der berühmte Satz der damaligen EKD-Vorsitzenden Margot Käsmann „Nichts ist gut in Afghanistan“, formuliert in ihrer Neujahrspredigt 2010 in Dresden, sich erneut bestätigen. Im Folgenden zwei Indizien.

Auffällig ist, dass auch deutsche Medien, die nach Selbsteinschätzung „kritisch“ berichten, über beides hinwegbügeln. Geleitet wurde die Berichterstattung in Deutschland von den Meldungen von dpa-Deutschland, die sich auf die Pressekonferenz des Marine-Inspekteurs Kaack am 14. Februar stützten, dpa-Brüssel kam nicht zu Wort. Auch die juristische Blog-Landschaft schweigt bislang zu den Ambivalenzen zum Einsatzgebiet im Mandat.

2.     Ambivalenz zum Einsatzgebiet – Indiz für Nebenabsichten?

Auffällt bei der Lektüre des EU-Beschlusses im Wortlaut: Da heisst es zum „Operationsgebiet“ („Einsatzgebiet“ in der Sprechweise der Bundesregierung) der Mission:

„Das Operationsgebiet umfasst die Meerenge von Baab al-Mandab und die Straße von Hormus sowie die internationalen Gewässer im Roten Meer, im Golf von Aden, im Arabischen Meer, im Golf von Oman und im Persischen Golf.“

Was sollen die Marine-Einheiten im Golf von Oman, in der Straße von Hormuz und im Persischen Golf? Der Verdacht keimt auf: Handelt es sich da um einen Vorratsbeschluss?

Die Karte der Sammelstelle der britischen Marine UKMTO zeigt, dass die Angriffe sich eindeutig bei der Meerenge von Baab al-Mandab sowie ihrem Ein- und Ausgang konzentrieren.

Die Formulierung des Mandats für die Deutsche Marine zeigte dann, dass die stillschweigende Ausweitung des Mandats auf EU-Ebene erkannt worden war und dass man sie anscheinend nicht mitmachen wollte. Um Konsistenz zu bewahren, wird das „Einsatzgebiet“, wie in Brüssel beschlossen, zwar bestätigt. Doch dann wird da einschränkend ein „beschränktes Einsatzgebiet“ für den Schutz von Schiffen gegen multidimensionale Angriffe auf See definiert.

Doch ist das wirklich eine Beschränkung? Es existiert nämlich weiterhin für die Deutsche Marine eine Aufgabe im „gesamten Einsatzgebiet“, also auch im Golf von Persien, in der Straße von Hormuz und im Golf von Oman. Die besteht in der dortigen „Begleitung von Schiffen“. Man fragt sich: Was soll das? Warum sollte die Marine dort vor Irans Küste Schiffe begleiten dürfen, wenn sie diese nicht schützen darf? Das macht wenig Sinn.

So skeptisch geworden fragt man dann nach dem Sinn der Sache, wenn eingangs im Mandat ausdrücklich auf das „völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Selbstverteidigungsrecht zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf eigene oder fremde Schiffe und Besatzungen“ hingewiesen wird.

Bedeutet das möglicherweise, so ist zu fragen: Die Einschränkung

„Die exekutive Aufgabe des Schutzes von Schiffen gegen multidimensionale Angriffe ist im Seegebiet nördlich des Breitengrades von Maskat im Golf von Oman, in der Straße von Hormuz und im Persischen Golf nicht auszuüben und hiermit ausgeschlossen“

greift nicht, ist nur eine Leerformel? Ist die so abstrakt formulierte Einschränkung nur eine Verdeckung des wirklichen Mandats? Was also soll die Deutsche Marine in der Straße von Hormuz und im Persischen Golf? Dient das der Vorbereitung einer Intervention des Westens im Iran? Oder will man lediglich schnell mit eigenen Aufklärungsmitteln vor Ort sein können?

3.     Der Kontext am Horn von Afrika – ausgeblendet

Zentral für den Einsatz der Europäer ist eine Anlandungsmöglichkeit auf der Gegenseite zum Jemen, in Djibouti – der Bedarf an Nachschub an Raketen zur Selbstverteidigung könnte hoch sein. Nachbarn zu Djibouti sind Eritrea und Somalia bzw. Somaliland, das ehemalige britische Protektorat, das sich von Somalia losgesagt hat. Hafenanlagen in beiden „problematischen“ Staaten sind weltweit begehrt. So hat Äthiopien kürzlich, um die Jahreswende 2023/24, die Chance zu einem Deal mit Somaliland genutzt, getauscht wurde Anerkennung als eigener Staat (plus Anteile an Äthiopiens Luftfahrtunternehmen) versus souveräne Hafenrechte, auch für eine äthiopische Marine.

Widersprochen haben die USA und die Türkei, zwei NATO-Staaten – zur Klarstellung: Das Horn von Afrika liegt südlich des Wendekreis des Krebses, der NATO-Südgrenze. Die Türkei hat zudem mit Somalia ein Sicherheitsabkommen[10] geschlossen, um Somalia gegen die abtrünnige Provinz zu unterstützen. Ein militärischer Konflikt zwischen der Türkei und Äthiopien steht am Horn von Afrika auf der Tagesordnung.

In dieses aufkommende Spannungsfeld fährt nun die deutsche Fregatte Hessen hinein – ohne dass dieses Spannungsfeld in ihrem Heimatland groß Thema ist. Auslandseinsätze vor dem Hintergrund einer provinziellen Diskussionslage im Heimatland können nur schief gehen – das war die Botschaft zu Untersuchung des Afghanistan-Einsatzes. Erleben wir gerade ein déjà vue?

 

Bildquelle: Presseportal, Bildrechte Markdo PIZ

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Tags: BundesmarineEU-eigene Marine-MissionFregatte HessenGaza-KriegIsraelKriegseinsatz am Horn von AfrikaUSA
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Comments 2

  1. Karl-Heinz Klär says:
    2 Jahren ago

    Jochen Luhmann ist hellsichtig.

    Antworten
  2. Günter Tolkiehn says:
    2 Jahren ago

    Wichtige, irritierende Aspekte dieses Vorhabens. Noch zentraler scheint mir aber eine Frage nach Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Kosten und Risiken: Als Rechtsgrundlage des Bundeswehreinsatzes wird „gewohnheitsvölkerrechtliche Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf eigene oder fremde Schiffe und Besatzungen“ angegeben. Um „eigene Schiffe und Besatzungen“ (d.h. deutsche Flagge und deutsche Staatsbürger) geht es bekanntlich nicht. Die ebenfalls schützbaren „fremden Schiffe“ gehören sehr gut verdienenden internationalen Großreedereien, die praktisch keine Steuern zahlen. Diese Unternehmen könnten – unter Mehraufwand von Treibstoff und Fahrzeit – der Gefahr aus eigener Kraft ausweichen. Wäre die Bundeswehr einfach der militärische Arm der Regierung, dann könnte man überlegen: Gesamtwirtschaftlich kann ein militärischer Einsatz sinnvoll sein, wenn er incl. aller Risiken, weniger kostet als die Vermeidung des bedrohten Seegebiets. Eine solche Rechnung wurde aber nach meiner Kenntnis nicht aufgemacht. Wieso gehen dennoch anscheinend alle wie selbstverständlich davon aus, dass die internationalen Großreedereien nicht für die Kosten des militärischen Schutzes ihrer kostengünstigeren, gewohnten Routen aufkommen müssen?

    Antworten

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