Wahllokal

Sachsen vor der Wahl

So lange wie die SPD in Brandenburg, so lange hat auch die CDU in Sachsen nach dem Ende der DDR sicher regiert: 30 Jahre. Für beide Parteien jedoch sind die Zeiten stabiler Mehrheiten mit dem kommenden Wahlsonntag mit einiger Wahrscheinlichkeit vorbei. Das kann erhebliche Auswirkungen auf das große Bundesland im Südosten sowie auf die Regierungsparteien in Berlin haben. Kann die sächsische CDU der AfD widerstehen und kann Michael Kretschmer Ministerpräsident bleiben? Und schließlich: Was wird aus der SPD im einstigen Mutterland der Sozialdemokratie?

Die bisherigen Umfragen sind für die sächsischen Sozialdemokraten furchtbar. Die Werte liegen stabil und deutlich unter 10 Prozent. Spitzenkandidat Martin Dulig ist kein Träumer, er ist auch kein Zauberer, er will den Wahlberechtigten Mut machen, was ihm sichtbar schwer fällt. Zehn Jahre ist er nun schon Vorsitzender seiner Landespartei. Aus der einstigen Hoffnung auf eine Wende ist nun eine Art skeptischer Realismus geworden, auch wenn Dulig in diesem Wahlkampf einem Pfarrer oder Seelsorger gleich Hoffnung verbreiten will. Der 45jährige stammt aus einer christlichen Familie. Die hat ihn intensiv geprägt: „Bei meinen Eltern ging es stark um Gerechtigkeit. Ich bin so aufgewachsen, dass man sich für den Nächsten interessiert – egal ob man das Nächstenliebe oder Solidarität nennt. Da sind sozialdemokratische Wurzeln gelegt worden.“

Viele Jungen weg- geblieben die Älteren

Gedeihen tun die seit Jahren nicht mehr gut. Ihr Fortbestand ist bedroht. Das hat nicht nur etwas mit dem Wahlverhalten zu tun, auch nicht nur mit dem Erstarken der AfD, die bei der letzten Landtagswahl 2014 bereits bei 9,7% lag und jetzt deutlich über 20% der Stimmen erhalten kann. Bemerkenswert in Sachsen ist, und das gilt auch für Brandenburg, dass die kommunale Verankerung der traditionellen Parteien, vor allem der CDU wie der SPD über die vergangenen Jahre in der Fläche immer schwächer geworden ist. Viele junge Menschen, vor allem junge Frauen, arbeiten und leben in westlichen Bundesländern, haben ihre Heimatdörfer und –städte verlassen, zunehmend jüngere Männer ebenfalls.

Zurückgeblieben sind die älteren Bewohner. Die fühlen sich nicht wertgeschätzt, allein gelassen, vergessen. Das führt in weiten Teilen vor allem des ländlichen Sachsens zu Gleichgültigkeit, Frustration, Wut und Abkehr von den traditionellen Parteien. Der Linkenfraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, spricht von einem „dramatischen Politikversagen“. Der „Berliner Tagessspiegel“ zitiert aus einer Studie zu den Lebensverhältnissen: „Landleben im Osten – kein Arzt, kein Bus, kein Netz“.

Die AfD nutzt das aus. Michael Kretschmer, den noch regierenden sächsischen Ministerpräsidenten, treibt das sichtbar in die politische Verzweiflung. Er hat auch ohne die rechte Partei mit ihrem unscheinbaren Spitzenkandidaten Jörg Urban genug Probleme. Der Braunkohleabbau in der Lausitz ist nur eines. Die sozial und politisch auseinanderbrechende Stadt Chemnitz mit ihren brutalen Rechtsextremisten ein zweites.

Die Zerstrittenheit seiner eigenen Partei um die Werteunion und Hans-Georg Maaßen ein drittes. Und er soll, das erwartet die Parteizentrale der Union in Berlin am Landwehrkanal, die Wahl gewinnen. Selbst wenn er das täte, er hätte keinen Koalitionspartner wie bisher. Er bräuchte zwei, wahrscheinlich neben der SPD die Grünen. Mit denen aber so keiner in der sächsischen Union so richtig will.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Gerd Altmann, Pixabay License 

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Der Fernseh- und Radiojournalist arbeitete als Kulturredakteur und später als ARD Korrespondent in Washington und Mexiko. Seit 2002 ist Hafkemeyer Professor an der Berliner Universität der Künste.


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