„Anstalt für andere Meinungen“ nennt sich der „Blog der Republik“. Das ist gut so, und jetzt führen wir es öffentlich vor.
Ich, Christoph Lütgert, bin Autor für den „Blog der Republik“, und Klaus Vater ist es auch. Und dem muss ich massiv widersprechen. Seine Philippika gegen einen ARD-Beitrag empfinde ich als unangebracht und unangemessen. Es geht um einen Film in einer der vielen Corona-Extra-Sendungen. Und in diesem Film wurde gestorben. Man muss oder kann sagen: zwangsläufig gestorben, weil Corona eben tödlich sein kann.
Seinen nun schon zweiten Angriff gegen diesen Film und die Programmverantwortlichen des rbb, der die Sendung zu verantworten hatte, eröffnete Klaus Vater mit der Behauptung: „Der Blog der Republik hatte am 15. April die Berichterstattung in einer ARD-extra-Ausgabe zur Corona-Epidemie als ‚unerträglich‘ bezeichnet.“ Richtig hätte es heißen müssen, Klaus Vater hatte im „Blog der Republik“ die Berichterstattung als „unerträglich“ bezeichnet. Denn auch ich gehöre zum „Blog der Republik“ und fand die Berichterstattung überhaupt nicht unerträglich.
Ich habe die Sendung am Abend der Ausstrahlung gesehen. Und gerade die Bilder in dem von Klaus Vater inkriminierten Beitrag haben mich tief berührt. Als ehemaliger Chefreporter Fernsehen des NDR fand ich es höchst beeindruckend, auf welche Weise die Kamera den verzweifelten Kampf der Ärzte um das Leben eines Corona-Opfers auf einer Intensivstation eingefangen hatte – nicht voyeuristisch, sondern mit äußerstem Respekt vor der oder dem nicht zu erkennenden Sterbenden. Eine Meisterleistung von Kamera und Schnitt. Dass der Kommentar-Text der Reporterin dem leider nicht gerecht wurde, steht auf einem anderen Blatt. Aber darum ging es Klaus Vater ja nicht.
Woher er seine Erkenntnis genommen hat, dass die gezeigten Bilder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen „nichts zu suchen“ hätten, müsste er mal konkret erläutern. Ich jedenfalls war über 20 Jahre beim Fernsehen und kenne so eine Bestimmung nicht.
Geradezu unfair ist es, wenn Vater versucht, die von ihm beanstandete Sendung mit der Bemerkung abzuqualifizieren, sie sei „von der Sportjournalistin Jessica Wellmer“ moderiert worden. Das zeugt von erheblicher Unkenntnis, die weit hinter der ARD-Realität hinterherhinkt. Frau Wellmer hat sich nun schon seit Jahren außerhalb des Sports in vielen Bereichen des Fernsehens als profilierte, kluge und eloquente Moderatorin bewiesen.
Und geradezu komisch ist es, wenn Vater unheilschwanger kundtut: „Ob der rbb-Verwaltungsrat sich mit dem Beitrag ….beschäftigen wird“, sei „nicht auszuschließen“.
Dazu nur soviel: Es ist auch „nicht auszuschließen“, dass morgen die Welt untergeht. Und die Befassung durch den Verwaltungsrat eines Senders ist noch lange kein Beleg dafür, dass der diskutierte Beitrag schlecht, unangemessen, unanständig oder was sonst noch gewesen ist. Wieviel heiße Luft, wieviel lächerliche Schwurbelei wird in solchen Gremiensitzungen der ARD-Sender abgesondert, und wie oft gehen sie aus wie das Hornberger Schießen. Manche Filme von mir wurden wegen irgendwelcher Beschwerden in den Gremien des NDR diskutiert. Schlaflose Nächte hatte ich deswegen nie, und passiert ist mir auch nichts.
rbb-Intendantin Patricia Schlesinger hatte an Beschwerdeführer Klaus Vater geschrieben, im Film sei es vor allem darum gegangen, den Einsatz und die emotionale Belastung derjenigen zu zeigen, die Sterbende zu pflegen und zu begleiten hätten. „Das ist eine Situation, die für viele schwer vorstellbar und kaum zu ertragen ist. Aber sie ist real.“ Und genau das, lieber Klaus Vater, will ich für meine Fernsehgebühren: Dass mir neben Shows und Filmen auch Realität gezeigt wird, ungeschönt und so schmerzhaft, wie sie oft ist.
Bildquelle: Screenshot ARD EXTRA 14.4.2020
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