Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in Belarus (Weißrussland) am 9. August ist vorhersehbar. Um die 80 Prozent liegt das bevorzugte Ergebnis von Amtsinhaber Aleksander Lukaschenko, und in etwa diese Größenordnung wird er wohl auch für seine sechste Amtszeit verkünden. Unberechenbarer sind allerdings die Folgen: Resignation oder Aufbegehren? Nach einem Vierteljahrhundert ist Lukaschenko ernsthaft in Bedrängnis.
Untrügliche Anzeichen dafür liefert der autoritäre Präsident selbst. Er bemüht sich, Siegesgewissheit auszustrahlen, offenbart zugleich ungewöhnliche Nervosität. Er warnt vor einem Putschversuch, wirft der Opposition vor, ein „Massaker“ in der Hauptstadt Minsk vorzubereiten und eine Revolution anzustreben. Er lässt Dutzende Russen festnehmen, denen er von Moskau gesteuerte Manöver zur Destabilisierung des Landes vorwirft, und ruft die Erinnerungen an die Maidan-Revolution in der Ukraine wach.
Die blutigen Ereignisse im Nachbarland 2014 dienen Lukaschenko seit damals als abschreckendes Beispiel. Stets ist damit die Warnung vor einer machtvollen Reaktion der Staatsgewalt verbunden. Der Präsident, der als letzter Diktator Europas bezeichnet wird, setzt auf Sicherheit und Ordnung, gegen seine Gegner lässt er eine harte Hand walten. Bei den Parlamentswahlen im vorigen Jahr ließ er nicht einmal mehr das Feigenblatt einer Opposition zu.
Der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland zum Trotz, gebärdet er sich nationalbewusst und souverän. Je spürbarer aber die wirtschaftliche Misere wird und je verantwortungsloser der Staatschef die Corona-Pandemie handhabt, desto weniger verfängt sein Starker-Mann-Gehabe in der Bevölkerung. Die Opposition gewinnt an Zulauf. Sie hat – trotz oder wegen ihrer ungewöhnlichen Gesichter – das Zeug, zu einer Bewegung zu werden, die die Gegner Lukaschenkos mobilisiert und eint.
An der Spitze stehen drei Frauen. Sie sind sozusagen als Ersatzspieler für die Männer eingesprungen, denen eine Zulassung zur Kandidatur verweigert wurde und/oder die in den Gefängnissen in Haft sitzen. Die geballte Faust, das Herz und das Siegeszeichen sind die Gesten, die ihre Kampagne prägen, faire Wahlen ihre zentrale und einzige Forderung.
Swetlana Tichanowskaja erklärte ihre Kandidatur, nachdem ihr Ehemann Ende Mai verhaftet worden war. Sie sagt von sich selbst, dass sie sich nie für Politik interessiert habe. Nun hat sie Bündnispartnerinnen gefunden, ihre zwei Kinder sicherheitshalber außer Landes gebracht und erste beachtliche Erfolge in der Öffentlichkeit erzielt. Mehr als zehntausend Demonstranten, die trotz der Gefahr von Repressalien den mutigen Frauen applaudieren, sind bei neun Millionen Einwohnern eine beachtliche Größe.
Lukaschenko teilt seinen Landsleuten lediglich mit, dass Frauen generell nicht fähig seien, ein Land zu regieren. Das könnte ein zusätzlicher Ansporn sein, ihm das Gegenteil zu beweisen. Allerdings sind kaum unabhängige Wahlbeobachter im Land und die Fälschungsmaschinerie wird laufen wie geschmiert. Je offenkundiger und dreister die Manipulationen ausfallen, desto wahrscheinlicher ist ein Aufbegehren der Menschen. Wachsamkeit ist geboten, auch gegenüber den undurchsichtigen Machenschaften von ausländischen Söldnern, Geheimdiensten und Internetspezialisten. Europa wäre gut beraten, sich auf eine mögliche Eskalation der Lage einzustellen.
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