Vertrauen ist das wichtigste Kapitel – vor allem in der Politik. Wenn es verloren gegangen ist, lässt es sich danach nur sehr schwer wieder aufbauen. Die Parteien der großen Koalition genießen bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Republik nur noch wenig Vertrauen: Jüngste Umfragen bringen es an den Tag, dass gerade nur 19 % der Union zutrauen, die Probleme zu meistern. Bei der SPD sind es nicht einmal mehr 5 % der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund können die demoskopischen Befunde des RTL-ntv-Trendbarometers nicht überraschen: auf 28 % kommen CDU und CSU derzeit noch, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre; beim letzten Wahltag Ende September 2017 waren es immerhin noch 32,9 %. Viel dramatischer ist der Absturz der SPD – nämlich von 20,5 % bei der Bundestagswahl 2017 auf aktuell lediglich 11 %. Zur Zeit rangieren die Sozialdemokraten deutlich hinter den Grünen (22 %) und hinter der AfD (14 %).
Hilfreicher Linksruck?
Das politische Nachspiel, das von den GroKo-Politikern inszeniert wurde, hat weiteres Porzellan zerschlagen. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Parteien der Bundesregierung ist gewiss nicht gestiegen. Viele Monate lang war die SPD damit beschäftigt, ihre Parteispitze neu zu besetzen.
Die Kontrahenten bestritten ihre Auftritte vor den Parteimitgliedern vor allem mit der elementaren Frage, ob die GroKo fortgesetzt oder beendet werden sollte. Kevin Kühnert, trommelte landauf, landab seine Genossen wie ein geklontes Maskulinum von Greta Thunberg auf die Zielmelodie „an Nikolaus ist GroKo aus“. Es waren nicht zuletzt seine Aktivitäten, die Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die SPD-Spitze brachten. Die bisherigen Granden der Partei – allen voran der Bundesfinanzminister – wurden böse rasiert. Und das, obwohl Olaf Scholz und andere SPD-Kabinettskollegen durchaus Vertrauen bei den Wählern genießen und in der Politiker-Bewertung recht gut abschneiden. Auf ihrem Parteitag hat die SPD sich indessen nicht darauf festgelegt, aus der GroKo auszusteigen oder doch in der GroKo zu bleiben. Eher ist sie der Weisheit von Franz Müntefering, wonach „Opposition Mist“ ist, gefolgt. Allerdings sind von den Genossen unter den Dirigenten Walter-Borjans und Esken Bedingungen beschlossen worden, die die Partei perspektivisch sieht. So sollen u. a. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Lockerung der Schuldenbremse und damit das Ende der „Schwarzen Null“, ein Bürgergeld statt Hartz IV, ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde, eine Kindergrundsicherung, eine Pflegebürgerversicherung sowie ein sozial und wirksamer CO2-Preis angestrebt werden.
Die vorweihnachtlichen Wünsche der SPD
Das Tableau dieser Forderungen gleicht einem Wunschzettel der SPD in der Vorweihnachtszeit. Damit wird versucht, die Partei etwas stärker nach links zu orientieren. Allerdings ist dort bereits die Linke mit manchen ähnlichen Postulaten, die zum Teil wesentlich radikaler sind. Die Reaktionen aus den Reihen der Union auf die Forderungen des GroKo-Partners fielen überwiegend negativ und ablehnend aus. Doch sind es die heißen Herzensanliegen, mit denen sich die SPD als Partei in der Öffentlichkeit zu profilieren versucht. Da es kein imperatives Mandat gibt, ist längst nicht sicher, inwieweit die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die Regierungsmitglieder der SPD diesem Forderungskatalog folgen werden.
Ohne Kompromisse geht nichts!
Es ist richtig: Der Koalitionsvertrag ist mühsam erarbeitet und von den Protagonisten der GroKo unterzeichnet worden. Dazu mussten CDU, CSU und SPD Kompromissen zustimmen – wie etwa bei der Einführung der Grundrente. Für die zweite Halbzeit bleibt noch einiges zu tun, wie es die GroKo-Partner in ihrer Zwischenbilanz aufgeführt haben. Nicht nur die SPD hat auf ihrem Parteitag perspektivische Wünsche aufgelistet, sondern auch aus den Reihen der Union wurden Forderungen – etwa nach einer Unternehmenssteuerreform oder nach der völligen Soli-Abschaffung – laut, die nicht im Koalitionsvertrag verankert wurden. Deshalb sollten die GroKo-Partner möglichst bald in einer Runde darüber sprechen, was angesichts der veränderten Rahmenbedingungen notwendig, förderlich und machbar ist. Darüber mögen die Regierungsparteien durchaus streiten und diskutieren. Doch schlussendlich ist für alles ein Kompromiss erforderlich, also eine parlamentarische Mehrheit im Bundestag oder zum Teil auch im Bundesrat. Zur lauten Selbstbeschäftigung und zu gegenseitigen Attacken gibt es keinen Grund. Denn Hickhack in der Öffentlichkeit lässt das Vertrauen der Menschen im Lande in die GroKo-Parteien weiter sinken. Gerade in diesen Zeiten des Wandels und Umbruchs sowie der Unsicherheit sind mehr denn je Stabilität und Verlässlichkeit gefordert. Mit dem parteipolitischen Gezänk und Gezerre wird nichts zu gewinnen sein. Die AfD, aber auch die Linke und die Grünen werden eher in diesem abstoßenden Schlachtenlärm die lachenden Dritten und Sieger sein. Mit ihren perspektivischen Wünschen hat die SPD sich ohnehin schon auf die nächste Bundestagswahl und die Zeit danach eingestellt.
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