Die alten Reflexe funktionieren wie geschmiert. Kaum nimmt einer wie der Sozialdemokrat Kevin Kühnert Begriffe wie Kollektivierung, Verstaatlichung oder Enteignung in den Mund, fällt eine Armada von Kommentatoren über ihn her, brüllt „Sozialismus“ und erstickt jede Diskussion im Keim. Das ist destruktiv und ignorant. Denn natürlich brauchen wir eine gründliche Debatte über den Kapitalismus.
Es geht um unseren Lebensstil, um grenzenloses Wachstum, um Konsumwahn und den Raubbau an unseren natürlichen Lebensgrundlagen; es geht um die Klimakatastrophe, die soziale Spaltung, die zunehmende Armut, um Ausgrenzung, Ausbeutung, um die gesellschaftliche Teilhabe, letztlich um das Funktionieren unseres Gemeinwesens und der demokratischen Herrschaft, sprich: um den Primat der Politik.
Wie sehr es am Durchsetzungsvermögen der Politik hapert, zeigen beispielhaft aktuelle Fehlentwicklungen am Mietwohnungsmarkt, beim Abgasskandal, bei der Besteuerung internationaler Konzerne, bei den Paketzustellern. Gesetze werden umgangen, Verordnungen missachtet, Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt, irgendein Schlupfloch findet sich immer, Profit ist das höchste Gebot.
Angesichts solcher Tendenzen, die den Markt über Mensch und Umwelt stellen, ist es durchaus angeraten, an die Verfassung zu erinnern, die das unternehmerische Handeln dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Alternative lautet ja nicht Kapitalismus oder Sozialismus, sondern radikale oder soziale Marktwirtschaft. Und die Politik braucht Instrumente, um den entfesselten marktradikalen Kräften Grenzen aufzuzeigen.
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