Markus Söder hat noch vor wenigen Wochen den Grünen-Kanzlerkandidaten und Wirtschaftsminister im Ampel-Kabinett von Olaf Scholz, Robert Habeck, „den schlechtesten Wirtschaftsminister“ seit der Antike geschmäht. Damit kann man in bayerischen Bierzelten die Leute zum Lachen bringen. Und damit jeder versteht, dass der Söder, Markus, CSU-Parteichef und Ministerpräsident des Freistaats Bayern, es Ernst meint mit seinen bösen Scherzen über Habeck, legte er oft nach und verabschiedete ihn aus dem Zelt „auf Nimmerwiedersehen“. Gut gebrüllt, Löwe? Oder? Wenn es nur nicht das Nachspiel geben würde in dieser Woche. Aber es gibt das Nachspiel von Merz und Söder(und Klingbeil) und da brauchen sie die Stimmen der Grünen für das 1000-Milliarden-Euro-Paket für Rüstung und Infrastruktur. Denn dazu ist eine Grundgesetz-Änderung nötig, allein schaffen es Union und SPD nicht. Jetzt also sind die Grünen gut genug, vorher hat Söder sie unentwegt gedemütigt. Goodbye, gute Reise, auf Nimmerwiedersehen? Hatte Söder breitbeinig dastehend getönt Richtung Habeck. Blöd nur, Herr Söder, dass ausgerechnet dieser Habeck gebraucht wird, um aus dem Wortbruch des CSU-Chefs und des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ein veritables Gesetz zu schmieden. Ohne die Grünen wird es nicht gehen.
Ob sich Merz/Söder bei den Grünen entschuldigen? So hat es der Grünen-Chef Felix Banaczak von Merz gefordert. „Ich finde, da wäre mal eine Entschuldigung fällig“. Und es wäre angezeigt, wenn Merz „mal ganz, ganz kleine Brötchen backen“ würden. Früher habe Merz eine andere Haltung zum Finanzbedarf des Bundes gehabt. Der Kanzlerkandidat der Union sprach sich immer gegen neue Schulden und gegen eine Reform der Schuldenbremse aus, er wollte alles aus Kürzungen beim Bürgergeld und durch das Wachstum finanzieren, das quasi automatisch entstünde, wenn statt der Ampel, die ja versagt habe. eine Regierung unter seiner Führung das Heft in der Hand habe. Und jetzt, kurz nach der Wahl, die Kehrtwende, stellte Merz fest: „Huch, da fehlen ja ein paar Hundert Milliarden Euro. Da müssen wir aber dringend mal was machen.“
Grüne fordern Entschuldigung
Damit liegt Banaczak ziemlich richtig. Der Grünen-Chef attackiert Merz und spricht ihm die Eignung zum Kanzler ab. „Nichts qualifiziert ihn zum Bundeskanzler“, so Banaczak. „Merz hat entweder keine Ahnung oder keinen Anstand oder beides.“ Banaczek schlug am Ende seiner Rede Merz eine satirische Version der Entschuldigung vor. „Guten Tag, mein Name ist Friedrich Merz. Ich habe über Jahre die Unwahrheit gesagt. Das tut mir Leid. Ich wusste es besser. Aber ich wollte meinen Wahlsieg nicht gefährden und habe mich bewusst entschieden, Sie alle zu täuschen. Ich entschuldige mich. Ich bitte um Entschuldigung. Bei Bündnis90/Die Grünen, áuch bei der Sozialdemokratie und ganz persönlich bei Robert Habeck, den ich über Jahre diffamiert habe, für eine Politik, die ich jetzt gerne fortsetzen möchte.“
Die Grünen haben klar gemacht, dass sie Schulden zur Ertüchtigung der Bundeswehr und der Infrastruktur für unabweisbar halten. Eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse sei aber zielführender, so die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und und Britt Haßelmann. Ferner wünschten sie sich zusätzliche Investitionen für den Klimaschutz. Dazu kommt, dass Robert Habeck im Wahlkampf die Seriosität der Unions-Finanzpolitik stets in Zweifel gezogen hatte. So hatte Habeck die Behauptung von Friedrich Merz, der riesige Investitionsbedarf in Wirtschaft, Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung sei ohne neue Kredite zu decken, als eine „Flunkerkanone“ bezeichnet. Und jetzt soll die Ökopartei die Folgen dieser Flunkerei bezahlen?
Sauer stieß bei den Grünen auch die Attacken von CSU-Generalsekretär Martin Huber auf. Der hatte auf X gepostet: „Die Grünen wurden bei der Wahl abgewatscht: Robert Habeck kann wieder Kinderbücher schreiben, Annalena Baerbock über feministische Außenpolitik philosophieren und Cem Özdemir kann Tofu-Schnitzel essen- aber endlich auf der Oppositionsbank. “ Die Grünen, so Huber weiter, hätten sich „mit Cannabis weg gebeamt.“ Man darf zudem daran erinnern, dass der von der Union und speziell von Söder oft geschmähte Habeck einst der Union ein Sondervermögen für Infrastruktur und Wirtschaft vorgeschlagen hatte, CDU und CSU den Grünen aber abblitzen ließen. Und jetzt sind sie angewiesen auf Habecks Wohlwollen. Die Ex-Grünen Chefin Ricarda Lang machte sich lustig über Söder. „Gebt den Sondierungen noch zwei Wochen und Markus Söder baut uns alle kiffend ne Wärmepumpe.“ Ja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung, könnte man den alten Witz umschreiben.
Man darf sich wundern über so manche Wende. Wenn ich an den Kommentar der Bild-Chefredakteurin Marion Horn denke, so geht nun alles seinen Weg. So segnet man im Boulevard ab, nach dem Motto: Schwarze Schulden sind gute Schulden. Ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn das die Ampel beschlossen hätte. Der Untergang des Abendlandes wäre dagegen ein Kindergeburtstag gewesen.
Seehofer wirft CSU-Chef Wortbruch vor
Einer der Alten lässt sich den Mund nicht verbieten: Horst Seehofer, früher Bundesinnenminister unter Merkel, davor CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident, hat Söder offen angegriffen. In der Bild-am-Sonntag warf Seehofer seinem Amtsnachfolger wegen der Schuldenpläne „Wortbruch“ vor. Die angekündigte Lockerung der Schuldenbremse für höhere Militärausgaben sowie ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen sei „das Gegenteil dessen, was wir vor der Wahl gesagt haben.“ Stimmt, da hat Seehofer Recht. Die Union hatte sich vor der Wahl gegen höhere Schulden ausgesprochen, wie sie von der SPD gefordert worden waren. Seehofer wörtlich: „Offenbar mussten SPD und Grüne die Wahl verlieren, um am Ende das zu bekommen, was sie schon immer haben wollten.“ Seehofer warnte angesichts des Schuldenbergs vor einer hohen Inflationsrate.
Seehofer kritisierte Söder auch grundsätzlich. Der sei seit sieben Jahren CSU-Parteichef, in der Zeit habe es zwei Landtags- und zwei Bundestagswahlen gegeben. „Alle vier Wahlen gehören zu den schlechtesten in der Geschichte der CSU.“ Seehofer erinnerte daran, dass die AfD bei der Bundestagswahl 19 Prozent in Bayern geholt habe. Die Partei sei inzwischen auf „Schlagdistanz“, warnte Seehofer. „Mit Bierzeltreden“ lasse sich die Partei nicht kleinmachen.
Horst Seehofer ist Ehrenvorsitzender der CSU, wie Theo Waigel und Edmund Stoiber. Das Verhältnis zwischen Söder und Seehofer war immer mehr als angespannt. Söder bedrängte Seehofer, als dieser in Amt und Würden war, Seehofer versuchte, dem Franken den Weg in die Staatskanzlei zu verbauen. Der Machtkampf wurde teils auf offener Bühne ausgetragen. Es war Seehofer, der Söder auf einer „Weihnachtsfeier „charakterlich Schwächen“ attestierte und diesem „Schmutzeleien“ unterstellte. Söders Leute haben immer dementiert, dass sie es gewesen seien, die vor vielen Jahren durchgestochen hatten, Seehofer habe ein uneheliches Kind mit einer Mitarbeiterin aus der CDU-Zentrale in Berlin. Die Attacke Seehofers hat für Aufsehen gesorgt, gilt Söder doch in Bayern als unangreifbar, als eine Art Alleinherrscher, gegen den niemand es wagt den Arm zu heben. Schon gar nicht aus der CSU, man weiß um Söders gutes Gedächtnis, wie die SZ im Kommentar ihrer Bayern-Seite genüsslich formuliert: „Wer in der CSU etwas werden will, der muss vor seinem Altar das Weihrauchfass schwingen und sich lästerlicher Rede enthalten.“
Aber es stimmt ja, was der Alte aus Ingolstadt gesagt hat: das geplante 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen ist genau das Gegenteil dessen, was die Partei vor der Wahl gesagt hat. Und das kann noch Folgen haben. Söder-Kritiker wissen genau, was der Chef vor der Wahl getönt hatte: „Ein ungehemmtes Schuldenmachen darf es nicht geben. Der Staat muss lernen, nicht mehr Geld auszugeben, als er einnimmt“. Söder Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, kommentiert die SZ weiter: „Man muss sich fragen, was man Söder eigentlich noch abnehmen darf, wenn Heuchelei und <Kehrtwenden inzwischen zum Kernbestandteil seiner Politik geworden sind.“ Beispiele gefällig: „Da prügelt er auf die Ampelparteien ein, Greenpeace oder Attac müssen raus aus den Ministerien. Und was macht die CSU? Sie schenkt das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Bauernverband, indem sie dessen obersten Lobbyisten Günther Felßner für gesetzt erklärt- noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen. Einen CSU-Kreisrat, der auch einen guten Vertreter der Fleisch- und Spritzmittelindustrie abgeben könnte.“
Was Söder dazu sagt? Nichts. Wer ist schon Seehofer? Der ist raus, sitzt im Keller seines Hauses, langweilt sich, spielt mit der elektrischen Eisenbahn. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Es ist gut, dass die Parteien der Mitte, Schwarze und Rote, nun über eine Koalition verhandeln werden. Das alles nach einem brutal harten Wahlkampf, der auch vor persönlichen Diffamierungen nicht halt gemacht hat. Gesucht wird der Kompromiss, der das alles am Ende für alle annehmbar macht. Ein Scheitern dürfe es nicht geben. Warum haben Söder/Merz das nicht vorher bedacht? Dass sie die Grünen brauchen, die linken Spinner und Träumer. Selten wurden Politiker so von ihren Lügen und Beschimpfungen eingeholt wie dieses Mal. Übrigens, Herr Merz, Herr Söder, die Entschuldigung ist fällig.