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Die Union muss das Undenkbare denken- die Opposition

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
13. September 2021
Armin Laschet

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte in der letzten Woche einen Trendwechsel beschworen. Es sei Zeit, dass der Kanzlerkandidat Armin Laschet die Stimmung in der Republik drehe, weg von den Sozis hin zu den Christen. Der CSU-Parteitag sollte helfen, Stimmung machen, die man übertragen wollte nach Berlin ins Triell, Laschet müsse endlich punkten, sich vom Sog in den Abgrund lösen. Attacke war gefragt, Angriffe auf den politischen Gegner, Tritte vor die Schienbeine von SPD-Scholz und der Grünen-Kandidatin Baerbock. Und jetzt ist das Wochenende vorbei und der Trend ist stur geblieben, wie es die SZ schon am Samstag als Möglichkeit in den Raum gestellt hatte. Die Union also auf dem Weg in die Niederlage, gar in die Opposition, eine Partei, die 16 Jahre lang mit Angela Merkel die Republik regiert hat? Nicht zu vergessen die ewigen Regierungsjahre mit Helmut Kohl, mit Konrad Adenauer, mit dem alles begann, auch der Nimbus der Kanzlerpartei CDU/CSU, der Glaube an die Garantie, dass das Kanzleramt doch von einem Christdemokraten geführt werden müsste. Ja, von wem denn sonst?! Und jetzt soll das alles vergessen sein, soll man wieder mal Platz machen  für Sozen, wie man Sozialdemokraten im Christenjargon gern verspottet, und die Grünen, die doch eigentlich gar nicht regieren wollten, als sie gegründet wurden.  Und die jetzt nach den Stern greifen, die Welt ist eine andere geworden.

Wer den Armin Laschet am Samstag beim CSU-Parteitag beobachtet hat, konnte erleben, wie der Kanzlerkandidat der Union sich um die Sympathie der Christsozialen bemühte. Er griff die SPD an, den Scholz, die Grünen, zitierte Strauß, lobte Waigel, ging Arm in Arm mit Söder. Fast hatte er die CSU umgarnt. Er tadelte die Sozialdemokraten, die immer auf der falschen Seite gestanden hätten, eine rüde Attacke, auch wenn er dies zu mildern versuchte, als er Wirtschafts- und Finanzpolitik nachschob. Das roch nach Bierzelt-Stimmung. Jubeln können die Bayern, wenn sie mögen. Und als Laschet dann den großen Vorsitzenden von einst zitierte: Irren ist menschlich, immer irren sozialdemokratisch, da wähnte sich der nicht nur in Bayern umstrittene Kandidat im richtigen Wahlkampfmodus. Sie riefen ihm zu, Kanzler Laschet, er reagierte brav und nahm Söder mit ins mögliche Regierungsboot nach Berlin. Und nach dem Triell feierten ihn geladene Freunde der Union wie Uschi Glas und skandierten: Kanzler Laschet. Wobei sie vergaßen, dass der Mann gerade wieder eine Niederlage erlitten hatte. Denn er hatte, so die Umfrage nach dem Triell, den Trend in den Keller nicht gestoppt, er lag ziemlich deutlich hinter dem SPD-Mann.

Beifall hat nichts bewegt

Die CSU trifft das alles an ihrer empfindlichsten Stelle, sie ist Siege gewohnt. Sie hatte alles gegeben für Laschet, Beifall, Beifall, und nichts hatte man damit bewegt. Ja, die Welt ist eine andere geworden, müssen sie in München zur Kenntnis nehmen. Es ist nicht mehr so, wie es der feine und große Journalist Herbert Riehl-Heyse vor Jahrzehnten in einem Buch skizziert hatte: Die CSU sei die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat. Mag sein, dass der eine oder andere die Ironie des berühmten Autors nicht verstand. Aber es stimmte ja auch für viele Jahre, dass die CSU und Bayern eigentlich ein Paar waren, unzertrennlich. Oder wie es Axel Hacke mal beschrieb: Es gebe Dinge auf Erden, die nicht zu trennen wären. Spitz und Feder, leiblich und wohl, ach und krach. Wortpaare, aneinandergeschmiedet in Festreden und Grußworten. Und in dem Zusammenhang fiel Hacke „plötzlich Bayern und die CSU“ ein. Auf der Internetseite des „Bayernkuriers“ hatte er das Folgende gelesen: „Wenn, horribile dictu- auf deutsch: es ist furchtbar, dies sagen zu müssen- die CSU einmal nicht mehr Bayern regierte, wäre Bayern nur noch ein Bundesland unter vielen, wie das Saarland oder wie Bremen…Jedenfalls nicht mehr das souveräne Bayern, wie wir es heute kennen- und genießen. Jeden Tag. Welcher bayerische Wähler wollte das seinem Bayern antun- und sich selbst?“ Und vor allem der CSU, ergänzte Hacke. Zur Erklärung: der „Bayernkurier“ ist die Parteizeitung der CSU, also kein Blatt für sozialdemokratische oder gar grüne Federn. Und wenn dort schon das Undenkbare gedacht wird, wie schlimm muss es in der Wirklichkeit bestellt sein um Deutschland, um Bayern.

Geschrieben hat Hacke den Text 2018. Damals regierte noch Angela Merkel, die man zwar in CSU-Kreisen auch nicht sonderlich mag, aber sie ist zumindest CDU-Mitglied. Und bei der Landtagswahl im selbigen Jahr hatte die CSU immerhin noch 37,2 vh der Stimmen gewonnen, aber Einbußen von 10,5 vh hinnehmen müssen. Die absolute Mehrheit war futsch, Markus Söder nicht der strahlende Sieger, das war der Vorgänger Horst Seehofer, beide verband nicht unbedingt eine Freundschaft, eher gegenseitige Abneigung, eben das, was richtige Parteifreunde auszeichnet. In NRW und Hessen und anderswo würden sie über 37 Prozent für eine Regierungspartei jubeln, aber nicht in Bayern. Man denke nur an die Ergebnisse des Edmund Stoiber, der 2003, nach der knapp verlorenen Bundestagswahl gegen Gerhard Schröder(SPD) die Landtagswahl in Bayern mit über 60 vh gewann. Oder man erinnere an die sagenhaften 62,1 vh des Alfons Goppel1974 gegen den SPD-Herausforderer Hans-Jochen Vogel(SPD), oder die Wahl von Strauß vier Jahre später mit 59,1 vh.

Bayern und die CSU könnten nicht mehr eins sein, denkt und schreibt Axel Hacke das Gespenst an die Wand. Kein Wunder, dass der heutige Ministerpräsident Markus Söder, ein Fan von Strauß, dessen Bild er als Jugendlicher über dem Bett hängen hatte, gar Schreckliches für die Republik befürchtet, wenn der Armin, wie er ihn nennt, die Stimmung nicht dreht, den Trend nicht umkehrt. Wobei der Söder wirklich die Mär glaubt, dass er nicht nur zu den Größten zählt- mit 1,94 Meter ist er zumindest ziemlich lang-, sondern er selbstredend nur das Beste für Bayern und Deutschland will. Soviel Gutes kann einem Sozialdemokraten doch gar nicht einfallen. Auch wenn man mit denen jahrelang in einer Groko gemeinsam regiert hat und dies sogar erfolgreich, aber das ging doch nur deshalb gut durch, weil die Merkel auf den Scholz aufgepasst hat. Hat Laschet wirklich gesagt. Ob er das wohl auch meint? Oder überschätzt er sich, weil er seinen Sieg in NRW über Hannelore Kraft überschätzt? Die SPD-Ministerpräsidentin hat nämlich 2017 die Wahl verloren, durch eigene Fehler, einen Wahlkampf, der keiner war.

Kanzler von morgen

Aber so kann man natürlich auch Regierungschef werden. Wie eben Laschet, der, auch das stimmt, ewig unterschätzte, oftmals Sieger in der zweiten Runde. Er regiert in Düsseldorf mit einer Stimme Mehrheit, zusammen mit der FDP. Ziemlich geräuschlos ein paar Jahre, aber der Ton hat sich verändert, die SPD an Rhein und Ruhr spürt die wieder zunehmende Zustimmung, sie greift Laschet an. Auch in NRW dreht sich der Wind. Umfragen haben ergeben, dass die vor Monaten noch abgeschlagene SPD wieder Oberwasser hat, sie liegt mit 28:26 vh vor der CDU. Nur ein Stimmungsbild, gewiss, aber die nächsten Landtagswahlen finden im nächsten Jahr statt. Wer weiß, wer für die CDU antritt, Laschet hat ja erklärt, sein Platz sei nach der Bundestagswahl in Berlin. Wird es Kämpfe geben um die Nachfolge, Streit? Und was macht Laschet, wenn er verliert? Die Union wird schwerlich einen Verlierer zum  Fraktionschef wählen. Und was ist mit dem Parteivorsitz? Laschet, vor Monaten noch so etwas wie ein Gewinner, der in die Kameras lächelt, der den Kampf um die Führung der CDU für sich entschied und dann den Markus Söder im Rennen um die mögliche Merkel-Nachfolge hinter sich ließ. Der Kanzler von morgen, hieß es eine Weile. Laschet gab zusammen mit dem Altkanzler von der SPD, Gerhard Schröder, ein Doppel-Interview, das ich im Bonner Generalanzeiger las. Wichtigster Punkt: Schröder erklärt Laschet  für kanzlertauglich. Motto: Ein Mann, der ein Land wie NRW regiere, könne auch den Bund führen. Und jetzt das mit dem Triell, schlechte Umfragen. Und als wäre das nicht genug, hat er gerade vor Gericht eine Niederlage erlitten, wegen der Räumung des Hambacher Forstes. Und was ist, wenn der Laschet in der weiten Republik nicht ankommt, weil sein Rheinisches so klingt wie es klingt, etwas oberflächlich? Weil er gelegentlich wackelt?

Zurück zu Axel Hacke. Wenn die CSU das schöne Bayern erfunden habe, schreibt er, was werde dann aus Bayern ohne die CSU. Nochmal zur Erinnerung: aus 2018 ist das Werk. Nicht gleich jetzt, aber eines Tages, wenn aus den 35 bis 40 vh nur noch 25 bis 30 vh würden. Die letzte Umfrage des Bayerntrends aus September 2021 sieht für die CSU nur noch 28 vh. Ja, horribile dictu. Das kann schnell gehen heutzutage. „Irgendwie unheimlich, wenn es schon der CSU an den Kragen geht, was?“ Ob in einem solchen undenkbaren Fall aus dem Chiemsee das Wasser abgelassen würde? Vorsicht, Herr Hacke, dort leben Freunde von uns, wir machen des öfteren dort Urlaub, zuletzt im Mai mit dem Pedelec durch den Chiemgau, auch um den Chiemsee. Im Frühjahr wollen wir wieder dorthin, um in die Berge zu fahren zum Langlaufen. Oder ob die Zugspitze planiert werde? Fragt Hacke. Deutschlands höchster Berg, knapp unter der 3000-Meter-Marke. „Werden die Berglandschaften mit Schneekanonen und Ski-Schaukeln zerstört?(Ach nein, das ging schon mit der CSU recht gut)“

„Wird am Ende das ganze schöne Bayern abgebaut und im Keller der Hanns-Seidel-Stiftung aufbewahrt?“ Quasi als Museum. „Oder auf der Modelleisenbahn Horst Seehofers, damit er´s nicht vermisst nach dem Rücktritt.“Der Mann hat Humor.

Ja, was wird aus dem schönen Bayern- ohne die CSU? Es muss ja nicht gleich wie Bremen werden, aber vielleicht wie in Baden und Württemberg, schlägt Hacke vor. Ich darf das ergänzen, politisch: Baden-Württemberg war 57 Jahre von der CDU regiert, dominiert, von  den Kiesingers, Filbingers und Späths. Seit Jahren ist ein Grüner Chef in der Stuttgarter Staatskanzlei, der Kretschmann Winfried, der war mal Kommunist. (Ob das mit dem Linksruck, den Söder befürchtet und auch Laschet, daher kommt?) Das Undenkbare, horribile dictu, ist passiert, die Grünen sind sogar stärkste Partei geworden. Das Musterländle mit Daimler, Bosch und all den Häusles in der Hand der Umweltfreunde. Gut, die CDU darf als kleinerer Partner mitregieren, immerhin. Ob sie auf den Kretschmann aufpasst? Es gibt keine Erbhöfe mehr. Das hat vor Jahrzehnten schon Hessen erlebt, das war mal rot und vorn, jetzt regieren CDU und die Grünen das Land. Dabei haben die Grünen einst den Flughafen Frankfurt- Stichwort: Startbahn West- bekämpft. Ein Grüner ist dort Wirtschaftsminister. Oder NRW, 40 Jahre in der Hand der SPD, glaubte die Partei und erwachte eines Morgens in der Opposition.

Horribile dictu? Noch einmal Hacke: „Das Undenkbare erscheint möglich, die bayerischen Wähler könnten plötzlich die Wortpaare schallend und Ohrfeige, krachend und Scheitern zum Einsatz bringen und so manchen CSU-Abgeordneten in den Ruhestand schicken, den wohlverdienten natürlich.“

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Tags: Armin LaschetBundestagswahlCDUMachtoptionenMarkus SöderOppositionPolitische StimmungTriellUmfragewerteWahlkampfWahlkampfstrategie CDU
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