Vor knapp zwei Monaten wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zur Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Das Ergebnis war knapp genug, doch es reichte, um sich gegen den plötzlich wiederaufgetauchten Friedrich Merz durchzusetzen. Auf den Mann aus dem Sauerland und früheren kurzzeitigen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzten insbesondere der Wirtschaftsrat und die Mittelstandsvereinigung der CDU.
Burgfrieden mit Friedrich Merz
Während Friedrich Merz sich nach seiner Niederlage wieder seinen lukrativen Mandaten -wie etwa bei Blackrock- widmet, reist Annegret Kramp-Karrenbauer durchs Land und zeigt klare Kante bei allen wichtigen politischen Themen. Sogar beim Weltwirtschaftsforum in Davos, wo die Bundeskanzlerin ihre Vorstellungen für eine stärkere multilaterale Kooperation in der Welt vortrug, war ihre Nachfolgerin an der CDU-Spitze die gefragte Gesprächspartnerin der Wirtschaftsbosse. Viele, die sie zuvor kaum oder gar nicht kannten, zeigten sich von AKK beeindruckt und zum Teil sogar begeistert. Wo auch immer sie in deutschen Landen auftritt, jubeln ihr Parteianhänger zu; selbst Skeptiker unter ihren Zuhörern zollen ihr Respekt.
Innerhalb weniger Wochen hat sie es geschafft, zunächst die von einigen befürchtete Spaltung in der CDU gar nicht erst aufkommen zu lassen und ihren Gegenkandidaten Friedrich Merz in die Programmarbeit als Berater einzubinden. Bei Parteiveranstaltungen will Merz ohnehin nicht auftreten, da er kein Mandat und politisches Amt habe. Im Bundeskabinett sind alle Ministerposten besetzt; Peter Altmaier ist und bleibt auf seinem Sessel im Wirtschaftsressort, obwohl er sich doch sicher nicht gerade als Ludwig Erhards Erbe profiliert hat und manche Unionschristen ihn allzu gern gegen Merz ausgetauscht hätten. Doch die Kanzlerin will sich nicht ohne Not die Laus in den eigenen Pelz setzen, zumal Wolfgang Schäuble mit wenig freundlichen öffentlichen Anmerkungen gegen Merkel stichelt und für Merz nachtarockt.
Harmonie mit der CSU
AKK engagiert sich mit großem Eifer, um die CDU zu einen und zu stärken sowie einen tragfähigen Frieden mit der CSU zu schaffen. Mit dem neuen CSU-Vorsitzenden Söder soll in Zukunft alles besser werden, als es in den letzten Jahren zwischen Merkel und Seehofer zuging. Denn Streit zwischen den Schwesterparteien schreckt Wähler und Wählerinnen ab; das haben die CDU und auch die CSU bei den letzten Wahlen schmerzlich erfahren. Rund 30 %, wie sie derzeit die Demoskopen für die Union erkundet haben, sind der neuen CDU-Vorsitzenden einfach zu wenig. Vielmehr plädiert sie für eine Stärkung der Volksparteien. Und sie wäre froh, wenn auch die SPD als Volkspartei, die derzeit bei 14 % liegt, wieder an politischer Kraft zugewinnen würde. Die Entwicklungen in anderen europäischen Ländern -vor allem in Italien und auch in Frankreich- will AKK in Deutschland vermeiden. Die politische Stabilität hierzulande hat für sie vor allem auch eine europäische Dimension.
Für gute Zusammenarbeit mit der SPD
AKK geht fest davon aus, dass die Große Koalition mit Angela Merkel an der Spitze bis zur nächsten Bundestagswahl im Jahre 2021 halten wird. Die Regierungsparteien haben für den Herbst des laufenden Jahres die Überprüfung des Koalitionsvertrages vereinbart. Dabei will AKK auch, dass die Union als größte Koalitionspartei beim Agenda-Setting ihre Vorstellungen einbringt. Denn die Rahmenbedingungen hätten sich in der letzten Zeit deutlich verändert. So zeichne sich eine Abschwächung der Wirtschaftsentwicklung ab, der AKK prophylaktisch begegnen will. Die CDU-Vorsitzende wird deshalb in die nächste Koalitionsrunde mit der harten Forderung gehen, den Solidaritätszuschlag nicht nur für 90 % der Steuerzahler mit niedrigen und mittleren Einkommen, sondern für alle abzuschaffen. Es gehe ihr dabei nicht um die Entlastung von Superreichen, sondern insbesondere um die Reduzierung der Steuerlast für den breiten Mittelstand, für Personengesellschaften, fürs Handwerk und Gewerbe.
Für Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
AKK hält Schritte für überfällig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Arbeitsplätze in Deutschland zu stärken. Dazu gehört nach ihrer Ansicht zum einen die Verringerung der Steuerlast, zumal in anderen Ländern dies längst geschehen ist, zum anderen aber ebenso, die Kosten deutscher Firmen für Energie, Soziales und Bürokratie zu stabilisieren oder zu verringern. Auch eine spürbare Reform der Unternehmensteuer steht auf der AKK-Agenda. Vor allem müssten Forschung und Entwicklung in Deutschland besser als bisher gefördert werden, um nicht im technologischen Konkurrenzkampf weiter zurückzufallen. Denn es gelte, dass wir bei der Digitalisierung, künstlichen Intelligenz und der Roboterisierung in der internationalen Liga eine Position in der Spitzengruppe erreichen.
Ökonomie und Ökologie versöhnen
Die CDU-Vorsitzende setzt darauf, dass die Union sich wieder stärker auf die Bewahrung der Schöpfung konzentriert. Der Versöhnung von Ökonomie und Ökologie, wie es einst der Umweltpolitiker Klaus Töpfer angestrebt habe, räumt AKK eine hohe Priorität ein. Klimaschutz und Mobilität sind für sie durchaus auf einen Nenner zu bringen – mit moderner Technologie, die zudem mit Öko-Produkten wirtschaftlich erfolgreich zu vermarkten wäre – auch von der Autoindustrie. Fahrverbote bezeichnet Kramp-Karrenbauer als „massiven Eingriff“. Deshalb will sie bei den Grenzwerten eine klare CDU-Antwort erarbeiten. Das bedingungslose Grundeinkommen lehnt AKK als falsch ab. Bei Hartz IV will sie die CDU-Position für das „Fördern und Fordern“ fortsetzen und möglichst bei der Integration von Migranten ausbauen.
Stabilisierung der EU
Bei ihren derzeitigen Rundreisen zu den verschiedenen Neujahrsveranstaltungen überrascht die CDU-Vorsitzende ihre Zuhörer mit ihren außenpolitischen Ausführungen. Ihre Vorstellungen zur EU reichen von der Vollendung des Schengen-Abkommens mit einer wesentlichen Verstärkung des Schutzes der Außengrenzen über eine echte gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zu gemeinsamen EU-Projekten wie zum Beispiel bei der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz. Sie betont die Gemeinsamkeiten mit den USA – trotz Donald Trump. „Die USA sind mir lieber als China“, lautet ihr Credo. Russland hält sie für einen wichtigen Akteur der Geopolitik und für uns in Europa, doch müsse die Politik Putins nach der militärischen Einnahme der Krim und den Versuchen des Kreml, gezielte Desinformationsaktionen auch hierzulande zu betreiben, richtig eingeschätzt werden.
AKK klar vor Nahles und Scholz
Annegret Kramp-Karrenbauer ist auf gutem Wege, die CDU programmatisch zu reformieren. Damit hatte sie bereits in ihrer kurzen Zeit als Generalsekretärin begonnen. Ihre saarländische Bodenständigkeit, ihre Fähigkeit des Zuhörens und ihre Nahbarkeit werden ihr helfen, sich noch mehr Zustimmung bei Unionschristen zu erwerben und ein größeres Wählerpotenzial anzusprechen. Bei der Frage eines demoskopischen Instituts, ob AKK oder Andrea Nahles den besseren Job machen würde, lag die CDU-Frau bei 47 %, Nahles bei 13 %. Zwischen AKK und Olaf Scholz fiel das Ergebnis 42 zu 22 % aus. Nur 26 % der Befragten gaben indessen an, dass sie glauben, CDU und CSU könnten mit den Herausforderungen in Deutschland am besten fertigwerden. Auch wenn nur 5 % das für die SPD angeben, muss die Union mit AKK an der Spitze mehr Kompetenz und Profil anstreben. Wenn dies der neuen CDU-Vorsitzenden gelingen sollte und die in diesem Jahr anstehenden Wahlen für das Europaparlament, in Brandenburg, Bremen, Thüringen und Sachsen sowie in vielen Kommunen erträgliche Ergebnisse für die CDU bringen sollten, hätte AKK eine erste wichtige Etappe erfolgreich auf der Marathonstrecke in Richtung Kanzleramt geschafft.
Bildquelle: Wikipedia, Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0
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