Wann auch immer und wie auch immer die Zeit der Beschränkungen wegen des Corona-Virus endet, wann die Zeit der Einschränkungen unserer Freiheiten endet, nichts wird dann sein, wie es vor dem Virus war. Letzteres lese ich seit Wochen immer und immer wieder. Ob dann wirklich vieles anders wird, besser vielleicht sogar, sei dahingestellt. Ich mag noch nicht daran glauben, dass all die Solidaritätsbekundungen auch künftig unser Leben bestimmen, Hilfeleistungen zum Normalfall werden, der gegenseitige Respekt den Alltag bestimmt, der verloren gegangen war. Ich will darauf hoffen, dass bei uns im Lande die Nächstenliebe wieder gepflegt wird. Ich wünschte mir, dass der Beifall und die Lieder vom Balkon nicht aufhören für all die Menschen, die sich über die Maßen engagieren, damit den Infizierten geholfen wird, mit der Krankheit zu leben, ja zu überleben. Gemeint sind hier neben den Ärzten die Pflegekräfte, die Krankenschwestern, all die flinken Hände, die helfen und tun und nicht danach fragen, wann die Schicht endlich vorbei ist und sie nach Hause gehen können, um ein paar Stunden zu ruhen und sich zu erholen.
Das mit dem Beifall ist schön und tut den Menschen gut, die bis zur Erschöpfung arbeiten im Dienst der Menschheit. Aber wir müssen uns endlich die Frage stellen, wie viel uns das alles wert ist. Es reicht nicht, den Pflegern und anderen einen einmaligen Zuschuss zu zahlen, die Löhne und Gehälter in diesen Bereichen müssen aufgestockt werden und zwar so, dass diese Menschen das Gefühl bekommen, sie sind es uns wert. Sie müssen davon leben, die Mieten bezahlen, ins Kino, Theater und in die Kneipe gehen, ja auch in den Urlaub fahren können, von der Erziehung ihrer Kinder nicht zu reden. Gregor Gysi plädierte kürzlich in einer ZDF-Sendung für eine Verdoppelung ihrer Bezahlung. So falsch liegt der Linken-Politiker damit nicht, auch wenn der eine oder andere gleich aufschreit und den Sozialismus des Anwalts aus Berlin anprangert. Und ich höre schon die Neoliberalen, wie sie ihre Gegenrechnung zumindest in Parolen aufmachen nach dem Motto: Es muss doch bezahlbar sein. Alles was wir ausgeben, muss vorher eingenommen werden. Krankenhaus als Hort der marktwirtschaftlichen Lehre? Gewinnmaximierung darf doch nicht die Linie in Kliniken und Krankenhäusern sein.
Wenn die Lieferkette reißt
Hier hoffe ich auf ein Umdenken, dass nach dem Virus nicht alles sofort wieder so wird, wie es vorher war. Wir brauchen einen starken Staat. Das ist hier deutlich geworden, einen Staat, der nicht nur einspringt mit Hunderten von Milliarden Euro wie einst in der Banken-Krise, sondern auch in einer Krise hilft, wie wir sie jetzt mit Corona erleben, und die jeden treffen kann. Einen Staat, der vorsorgt, dass genügend Mundschutz-Masken für das Personal in Kliniken vorhanden sind, genug Schutzkleidung, damit Ärzte, Krankenschwestern und Pflegerinnen und Pfleger sicher arbeiten können, um anderen zu helfen. Und ich meine weiter, dass diese Schutzkleidung und Beatmungsgeräte hier im Lande hergestellt werden müssen, damit man für den Tag X vorgesorgt hat und nicht zum Opfer wird, wenn die Lieferkette reißt. Nein, ich meine nicht das Ende der Globalisierung, die ja einen Sinn hat, sondern schlicht und einfach Vorsorge.
Was ich weiter meine: Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger darf nicht kapitalistischen Regeln folgen, die dann vorschreiben, wem noch geholfen wird und wem nicht mehr. Lebensschutz, wie er im Grundgesetz beschrieben ist, gilt für alle Altersklassen, kein menschliches Wesen ist mehr wert als ein anderes. Im Klartext heißt das: Dem 88jährigen, der schwer erkrankt ist an Krebs oder an Corona, muss der gleiche Schutz gewährt werden wie dem Kleinkind, das pumperlgesund ist und hoffentlich Jahrzehnte eines glücklichen Lebens vor sich hat. Und selbstverständlich muss das Gleichheitsprinzip auch gelten für Arme wie für Reiche. Auch wenn Alte und Kranke in der Regel eher sterben als Junge, darf das doch nicht deren medizinische Behandlung beeinflussen.
Die Mutter aller Fragen
Die Mutter aller Fragen lautet: Wie kann man die Menschen schützen und die Helfer unterstützen? Wir brauchen Tausende und Abertausende von Pflegekräften. Der Mangel ist seit Jahren bekannt, ein Skandal, dass er nicht längst behoben ist. Der Grund, dass so wenige Menschen diesen Beruf ergreifen, liegt einerseits in der schlechten Bezahlung und andererseits in der physischen und psychischen Anstrengung, die den Pflegern und Krankenschwestern abverlangt wird. Applaus allein reicht nicht. Harte Arbeit und bescheidener Lohn, damit muss nach Corona Schluss sein. Die Dankbarkeit gegenüber den helfenden Kräften muss am Monatsende sichtbar werden und zwar auf dem Lohnkonto.
Die helfenden Hände in dieser Zeit haben den Titel „Helden“ verdient. Sie arbeiten am Limit, wie es so schön heißt, womit ausgedrückt wird, dass sie oft genug über ihre Grenzen belastet werden. Oft sind es Frauen, die Überstunden machen, Doppelschichten, weil die Stationen unterbesetzt sind. Wer mal in der Klinik war wegen eines Herzinfarktes oder einer Lungenentzündung, der weiß die Arbeit und Präsenz der Diensthabenden zu schätzen. Sie sind auf Knopfdruck da, helfen, wenn Not am Mann ist und zwar Tag und Nacht. Sie riskieren ihre Gesundheit und enden im Alter nicht selten als Pflegefall. Keine Arbeit, auch die Beseitigung von Pfannen nicht, ist ihnen zu viel, Pflichtgefühl beherrscht ihr Leben. Und das alles für schlichte 2500 Euro. Und jetzt sollen sie einen einmaligen Bonus erhalten von 1500 Euro, kann sein, dass er steuerfrei gewährt wird. Mit Verlauf, Herr Bundesminister, Frau Kanzlerin oder wer alles dieses beschließt, das ist ein Witz. Werden doch mit einem solchen Zuschuss nicht einmal all die Überstunden bezahlt. Gar nicht zu reden von ihren gesundheitlichen Risiken im Umgang mit Infizierten. Sie können den Abstand nicht einhalten, weil die Patienten ihre Nähe brauchen.
Alle die, die jetzt Beifall klatschen, um sich für den Einsatz der Pflegerinnen und Krankenschwestern zu bedanken, sollten bei Gelegenheit für deren bessere Bezahlung demonstrieren. Das sollte uns deren Arbeit wert sein. Auch nach der Krise. Dann hätten all die Solidaritätsbekundungen einen Sinn gehabt.
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