Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, schlägt nach den Krawallen von Rechtsradikalen und der Jagd auf Ausländer in Chemnitz Alarm. „Es ist jetzt Bürgerpflicht, sich dem rechten Mob entgegenzustellen. Nie wieder darf es akzeptiert werden, dass Menschen wegen ihres Äußeren oder ihrer Herkunft angegriffen werden.Nie wieder dürfen wir es hinnehmen, dass eine politische Gruppe bestimmt, wer dazu gehört und wer nicht. Wir müssen diesem Mob Einhalt gebieten- jetzt! Bevor es zu spät ist.“ Nicht nur Herr Schuster fühlt sich an die schreckliche Zeit erinnert, als die Nazis mit ihren Schlägertruppen die Straßen eroberten und Jagd auf Juden machten. Und viele, viel zu viele schauten dieser rechten Bande tatenlos zu oder schauten weg.
Ein schrecklicher Mord an einem Deutschen, dessen Hintergründe im Dunkel liegen, wird in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt aufs Widerlichste für rassistische Ausschreitungen instrumentalisiert. So hat die Linken-Bundestagsabgeordnete Martine Renner die abscheulichen Vorgänge in Chemnitz ausgedrückt. Die Polizei hat einen 22jährigen Syrer und einen 23jährigen aus dem Irak festgenommen. Dass sie an den Auseinandersetzungen beteiligt waren, steht noch nicht fest.
Hassparade gegen Ausländer
Die Ausschreitungen in Chemnitz belegen, dass es in Sachsen nur eines Anlasses bedarf, umTausende von Neonazis auf die Straße zu bringen. Dabei spielt es keine Rolle, wer die Schuld trägt oder wem etwas zugestoßen ist. Professionell sind die Neonazis organisiert und verabreden sich übers Internet in Windeseile. Die Hassparade folgt. Gegen Ausländer, Dunkelhäutige. „Das hier ist unsere Stadt“ rufen sie. Sie haben Kampfgruppen gebildet und diese sorgen dafür, dass es national befreite Straßen gibt, die von den Rechtsradikalen kontrolliert werden. Dass es das gibt in Deutschland, hätte ich mir früher nicht vorstellen können. Dass Heil Hitler gerufen wird, ungestraft, hätte ich vor Jahren noch für unmöglich gehalten. Hat man denn schon wieder vergessen, was die Nazis angerichtet haben, den Krieg mit Millionen Toten, die Ermordung von sechs Millionen Juden, die Verwüstung Deutschlands durch den verlorenen Krieg, den man selbst angezettelt hatte. Spielen die Verbrechen der Nazis keine Rolle in diesen braunen Köpfen?
An Fakten ist man nicht interessiert, man schürt die Stimmung gegen die da oben und streut Gerüchte übers Internet. Beobachter haben Jagdszenen gegen Migranten beobachtet, Es mögen 800 oder 1000 Neonazis und ihre Gesinnungsgenossen gewesen sein, die durch die Chemnitzer Innenstadt zogen. Die Polizei war-wieder einmal- überfordert, viel zu klein war ihr Aufgebot, um sich dem rechten Mob in den Weg zu stellen. Der tote Daniel H., ein 35jähriger, wird von den Rechten missbraucht, die Straße zu erobern. Dass der Tote laut seiner Facebook-Seite Gregor Gysi schätzt und eine Gruppe mit dem Namen „Fuck Nazis“, interessiert keinen der Demokratiefeinde.
Biedermänner als Brandstifter
Ja, es sind die Feinde der Demokratie aufmarschiert, sie inszenieren Krawall, um eine bürgerkriegsähnliche Stimmung zu schüren. Und beklatscht wird das noch von Leuten der AfD. Warum eigentlich hat keiner in das Buch der ehemaligen AfD-Funktionärin Franziska Schreiber geschaut mit dem Titel „AfD“. Die Autorin sieht die Partei, die organisiert sei wie eine Sekte, als höchst gefährlich an und wundert sich, dass die AfD noch nicht vom Verfassungsschutz beobachte wird. Das wundert mich schon lange. An Max Frischs Stück „Biedermann und die Brandstifter“ erinnert die SZ und wirft der AfD vor, die Neonazis von Chemnitz legitimieren zu wollen. Sechzig Jahre nach der Uraufführung des Stücks seien viele Brandstifter unterwegs. Bei Max Frisch hießen die Brandstifter Schmitz und Eisenring, heute in Deutschland heißen sie Gauland, Weiß, Seidel, Frohnmaier, Höcke… Es handelt sich ausnahmslos um Abgeordnete der AfD, die gewählt wurden, weil viel Bürger offensichtlich an das Gute in diesen Menschen geglaubt haben, nicht ans Böse, so kommentiert SZ-Autor Esslingen weiter. Diese Politiker nutzten ihr Mandat aber so gut wie nie, um an die Regeln von Rechtsstaat und Demokratie zu erinnern, oder um mäßigend auf ein Milieu einzuwirken, in dem sie Gehör finden. Im Gegenteil, zahllose Abgeordnete der AfD nutzten jetzt auch das Wochenende von Chemnitz, um ihre Verachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf die Bühne zu bringen.
Alles nicht so schlimm? Doch, es ist schlimm. Man möge sich die Zitate der Zitierten aus dem Internet holen. Da kann einem Angst und Bange werden, wenn dem nicht Einhalt geboten wird. Nur zwei Beispiele soll hier reichen: So hat der AfD-Abgeordnete Im Berliner Abgeordnetenhaus Weiss damit gedroht, in der Justiz werde die AfD später aufräumen. Oder der Bundestagsabgeordnete Frohnmaier: „Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selbst. Ganz einfach! Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende Messermigration zu stoppen.“
Laschet zitiert Wirth: Der Feind steht rechts.
Armin Laschet, der Ministerpräsident von NRW, ein katholischer Christdemokrat, brachte seine Bestürzung über Chemnitz mit einem Zitat des einstigen katholischen Reichskanzlers Josepf Wirth zum Ausdruck, der 1922 angesichts der Deutschnationalen sagte: “ Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt- da steht der Feind-und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts.“ Armin Laschets Worte klingen wie eine Mahnung, eine Warnung, wie die alarmierenden Worte des Zentralrats der Juden in Deutschland. Oder die Mahnung der Amadeo-Antonio-Stiftung, die vor zunehmender Aggression und Gewaltbereitschaft gegen Zuwanderer warnte: Der Rassismus bricht sich unverhohlen Bahn. ..Menschen äußern immer unverhohlener, welche Menschen sie in Deutschland haben möchten und welche nicht“. So hat es der Experte für Rechtsextremismus der Stiftung, Robert Lüdecke, der Deutschen Presse Agentur gesagt.
Wehret den Anfängen, ehe es zu spät ist. Es reicht nicht, sich zu empören. Das ist auch wichtig. Es reicht nicht, sich zu schämen. Jawohl, ich schäme mich, dass so etwas in Deutschland passiert. Aber der Staat muss mehr tun, er muss einschreiten, er darf dem Treiben der Rechtsradikalen nicht länger tatenlos zusehen. Ihm gehört das Gewalt-Monopol. Er muss die Polizei in Chemnitz verstärken, damit sich die Menschen wieder sicher fühlen können. Dem rechten Druck der Straße darf er nicht weichen. Der Staat muss die Oberhand behalten oder notfalls zurückgewinnen. Das Volk sind wir, die Demokraten, und nicht die Neonazis.
Bildquelle: Wikipedia, Frank Vincentz – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,