Wenn man die Debatte in der CDU über die Nachfolge von Angela Merkel verfolgt, stellt man zunächst fest, dass die Union sich dabei selbst feiert. Man freut sich über die vielen Kandidatinnen und Kandidaten, dabei sind es nur deren drei, die ernsthaft gehandelt werden: die Generalsekretärin der Partei, Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz KK genannt, Gesundheitsminister Jens Spahn und last, but noch least Friedrich Merz. Man bejubelt das öffentliche Interesse an der Frage, freut sich über die Mobilisierung der Partei, und tut gerade so, als wäre damit schon die Nachfolge gelöst und die CDU als Volkspartei quasi gerettet. Will sagen, aus den augenblicklich 26 Prozent Zustimmung sollen in der Zukunft wieder 40 Prozent werden. Wenn das so einfach wäre!
Zur Ehrenrettung der Kandidatinnen und Kandidaten ein kurzer Blick zurück auf die Anfänge der Angela Merkel in der CDU von Helmut Kohl. Dass der Kanzler und Langzeitvorsitzende der Christdemokraten sie zu seinem Mädchen erklärte, spricht Bände, was die Macht Kohls damals in der CDU betrifft. In der Tat war der Mann aus der Pfalz, der Kanzler der Einheit und überzeugter Europäer war, die Verkörperung der Union, er kannte seine Partei in- und auswendig, er hatte das Sagen. Der Intimus von Kohl, Eduard Ackermann, hat anerkennend über Angela Merkel gesagt, sie habe schnell und viel von Kohl gelernt. Damit meinte er gewiss auch die Art und Weise, wie man Machtkämpfe in einer Partei wie der CDU bestreitet und wie man sie gewinnt.
Wenn heute gelegentlich über die Ära Merkel geredet wird und über die Zeit, als Merkel zur mächtigsten Frau Europas aufstieg, werden die Anfänge der Pfarrerstochter gern vergessen. Sie war-pardon- eine graue Maus in Bonn, über die die männlichen Parteifreunde-und nur die hatten damals das Sagen- ihre Witze machten. Hat die keinen Frisör, wo kauft die denn ein, etwa im Second-Hand-Laden? Die wird nie was in der CDU, ohne Hausmacht, evangelisch, ohne Kinder. Und dann jener Abend im Jahre 2005, als ein polternder Kanzler Gerhard Schröder am Abend nach der vorgezogenen Bundestagswahl gegen Merkel die Stimme so laut und fast beleidigend erhob, dass sogar die Merkel-Kritiker in der Union- und das waren nicht wenige-verstummten und Koch und Co. kein Wort über das eigentlich enttäuschende Wahlergebnis der Union verloren. Und plötzlich war sie Kanzlerin. Sie hatte sie alle hinter sich gelassen, den Koch, den Wulff, Stoiber, Schäuble und auch zuvor Merz, die sie alle unterschätzt hatten.
Und jetzt, nachdem Merkel ihren Rückzug angekündigt hat, meldet sich einer zurück, der vor zehn Jahren die Politik verlassen hatte: Friedrich Merz(63). Aus Kreisen der Wirtschaft wird er als eine Art Heilsbringer gefeiert, der Mann aus dem Sauerland, der nach eigener Aussage in einer Boulevard-Zeitung eine Million Euro Brutto im Jahr verdient. Eher ein Anti-Merkel, ein Mann, der nicht unbedingt für die Aussöhnung von Ökonomie und Ökologie steht, für den Vorrang des Sozialstaats. Es war irgendwie typisch, dass er sein Interesse an der Merkel-Nachfolge über den Boulevard quasi anmelden ließ, dass er über eine Agentur in der Berliner Bundespressekonferenz vorfühlen und dann etwas später zu einer Pressekonferenz einladen ließ, die auf 20 Minuten angesetzt war. So ist er der Merz, ein Mann mit Flugschein und Fluggerät, der auch schon mal mit einer Stretchlimousine vorfährt, der normale Daimler reichte wohl nicht. Irgendwie hat er es gern eine Nummer größer.
Die Nähe eines Heuschrecken-Investors
Natürlich gibt es Kreise in der CDU, die einen Merz an der Spitze der Partei einer Kramp-Karrenbauer vorziehen würden. Dabei wird leicht übersehen oder klein gespielt, dass die CDU eine Partei der sozialen Marktwirtschaft ist, beides gehört zusammen, das soziale Element muss sein, es sei denn, man strebe das Ende der sozialstaatlich verfassten Republik an, quasi das USA-Modell eines Herrn Trump. Merz und das große Geld, seine vielen Aufsichtsrats-Mandate, Berater-Verträge, der Aufsichtsrats-Chef der deutschen Abteilung von Blackrock, des größten Vermögensverwalters der Welt mit sage und schreibe 5,42 Billionen US-Dollar. Das ist alles nicht verwerflich, aber man darf ja fragen, warum ausgerechnet einer wie Merz CDU-Chef und möglicherweise später Kanzler werden will? Dass er illegale Steuertricks verurteilt hat, ist selbstverständlich. Die Frage ist, warum er das überhaupt betont. Merz, ein selbstgefällig wirkender Mann, der eher mit dem Primat der Wirtschaft als dem der Politik in Verbindung gebracht wird. Ein Leser der SZ brachte i, wie man hörte hn in die Nähe eines Heuschrecken-Investors. Ein ehemaliger CDU-Abgeordneter hegt seine Zweifel an einem wie Merz, den er eher als jemand verortet, der „vom Stamme Nimm“ sei.
Man sollte Friedrich Merz mal fragen, wie er es denn mit seiner Karriere in der Politik hält, wenn er das Rennen um den CDU-Vorsitz verliert. Bleibt er der Politik erhalten oder bleibt er dann Inhaber vieler Aufsichtsratsmandate, Berater, Lobbyist, Vermögensverwalter? Und dass er eine Rechnung offen hat mit Merkel, weil die ihn einst „weggebissen“ habe, wie das Merkel-Kritiker immer wieder falsch dargestellt haben, wird sicher Teil der Überlegungen von CDU-Mitgliedern sein, wem sie denn ihre Stimme geben sollen. Zur Klarstellung dies: Merz hat damals gekniffen, als Merkel ihren Anspruch auf den Fraktionsvorsitz anmeldete, er hat das Weite gesucht statt die Arena, in die er seinen Hut hätte werfen müssen, um gegen Merkel anzutreten.
Die CDU ist als Volkspartei in einer Krise, wie die letzten Wahlen gezeigt haben. Auch sie- noch schlimmer hat es die SPD erwischt- muss die Frage beantworten, warum man sie wählen soll. Viele Menschen sind verunsichert, wohin die Reise geht, auf- oder abwärts? Was wird mit dem Job, der Karriere der Kinder, der Rente. Schaffen wir die Integration der Flüchtlinge? Wann endlich gelingt die Sanierung der Infrastruktur, also von Schiene, Straße, Schule, um nur die zu nennen? Dass hierbei ausgerechnet einer wie Merz helfen kann? Nur das Rednertalent allein dürfte nicht ausreichen. Der politische Kampf gegen Rechts zum Beispiel muss geführt werden, der Kampf um die Beibehaltung dessen, was diese Republik stark gemacht hat, der soziale Dreiklang: der Gesunde hilft dem Kranken, der Junge dem Alten, der Starke dem Schwachen. Es ist die Solidargemeinschaft, die es zu retten gilt gegen den sich breit machenden Egoismus. Gegen Nationalismus und Rassismus müssen wir, wie das der Liedermacher und Sänger Herbert Grönemeyer betont hat, Haltung zeigen, damit bewahrt wird, was unser Grundgesetz ausmacht: die Würde des Menschen ist unantastbar, des Menschen, nicht nur des Deutschen. Der Kampf für Europa gehört hierher in einer Zeit des Brexit, der ganz offensichtlich auch die Randstaaten in Osteuropa angesteckt hat.
Kramp-Karrenbauer mit Regierungserfahrung
In diesem Zusammenhang fällt mir der Name von Jens Spahn nicht so sehr ein wie der der Annegret Kramp-Karrenbauer(56). Man wundert sich ein wenig über den Debattenstil in der Union. Der Generalsekretärin wird im Grunde vorgehalten, dass sie der Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel zu nahe stehe. Ja, was soll das denn heißen? Es ist doch natürlich, dass die Generalsekretärin eher eine Vertraute der Vorsitzenden ist als ihre Kritikerin. Schließlich wird die Generalsekretärin von der Amtsinhaberin vorgeschlagen. Nein, dieser Einwand ist heuchlerisch. Wenn man Merkel meint, soll man auch Merkel sagen, nicht KK. Mit Kramp-Karrenbauer, die immerhin Ministerpräsidentin des Saarlandes war und somit über Regierungsauftrag-Erfahrung verfügt, so die Kritik weiter, werde der politische Streit um Inhalte wie bei Merkel ausbleiben, es werde farblos bleiben, ohne Leidenschaft, ohne das Profil der Union zu schärfen. Rückfrage bei den Kritikern: Welche Profile meint Ihr denn? Da wird es dann still werden. Zumal man sagen müsste, was denn nach Merkel alles anders und damit auch besser gemacht werden müsste? War denn unter Merkel so vieles falsch? Ich meine nicht im Sinne der SPD oder der übrigen politischen Konkurrenz, sondern ich meine die CDU.
Kramp-Karrenbauer würde gewiss den moderaten Stil der Mitte, wie Merkel ihn pflegte, fortsetzen wollen. Sie hat den Vorteil, die Partei gut zu kennen, sie weiß als Generalsekretärin, wie man Debatten anstoßen muss, wie Mehrheiten zu organisieren sind, um sie hinter sich zu versammeln. Ihre Schwäche ist ihre kleine Hausmacht im Saarland. Damit allein wird sie nicht weit kommen. Man sollte sie, weil sie die am wenigstens eitle unter den Bewerbern ist, nicht unterschätzen. Sie könnte auch größere Landesverbände für ihre politischen Ziele hinter sich bringen, auch den mitgliederstärksten Verband NRW. Auffallend, dass der Landesvorsitzende und Ministerpräsident Armin Laschet, keine Empfehlung für einen der Kandidaten abgegeben hat. Dabei treten zwei aus NRW für die Nachfolge Merkels an, Merz und Spahn.
Spahn wäre der Generationswechsel
Jens Spahn(38) ist der Jüngste unter den Möchtegern-Nachfolgern Merkel. Es gibt Stimmen aus der CDU und deren Umfeld, die auf ihn setzen, weil Spahn eben einer der jüngeren Generation ist. Ihn zu wählen, das wäre der Generationswechsel der CDU an der Sitze. Aber das ist es auch schon. Dabei hat er als Sachpolitiker in der letzten Zeit durchaus überzeugt, das Amt des Gesundheitsminister ist nicht einfach zu führen. Viele Interessen, sehr mächtige darunter wie die der Ärzte und Apotheker, der Pharma-Industrie können einem Minister schon schwer zusetzen. Man frage mal Norbert Blüm, den nicht ängstlichen CDU-Mann in der Kohl-Zeit. Oder einen Horst Seehofer, der war auch mal Gesundheitsminister.
Andererseits hat man bei Jens Spahn, ein bekennender Schwuler, der mit einem Mann verheiratet ist, das Gefühl, dass bei ihm eine Menge Eitelkeit mit im Spiel ist. Man beobachte seine Körpersprache. Oder wie es der Chefredakteur der Neuen Westfälischen Zeitung formulierte: Hinter seiner Haltung könne Spahn „kaum verbergen, dass er eigentlich nur ein Amt seiner Persönlichkeit für angemessen hält- das des Bundeskanzlers.“ Aber gerade, wenn man ihn daran messen würde, bleibt doch der politische Wurf des jungen CDU-Mannes Spahn unklar. Er gilt als Merkel-Kritiker, hat während der Flüchtlingskrise 2015 von „einer Art Staatsversagen“ gesprochen, was natürlich auf Merkel gemünzt war. Dafür ist er heftig kritisiert worden, fühlt sich aber im Nachhinein bestätigt. Er will die angebliche Doppelmoral der Grünen offenlegen. Sie hätten über den Bundesrat verhindert, Asylverfahren zu beschleunigen und Abschiebungen zu erleichtern, indem man die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären würde. Seine Kritik richtet sich gegen den Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, Kretschmann, der bisher einzige Grüne auf dem Stuhl eines Regierungschefs.
Als Favoritin gilt, folgt man Umfragen, Annegret Kramp-Karrenbauer. Man sollte dabei Friedrich Merz nicht unterschätzen, der im Umgang mit der Öffentlichkeit viel Erfahrung hat und der mit den Medien umzugehen weiß. Aber auch wenn KK das Rennen um den CDU-Vorsitz gewinnen sollte, wäre nicht klar, ob sie auch Kanzlerin würde. Denn da gibt es noch jemand, der mehr aus taktischen Gründen im Moment auf seine Bewerbung für den CDU-Posten verzichtet: Armin Laschet. Er hätte NRW hinter sich, ist durchaus beliebt und respektiert in breiten Kreisen der Union. Mag sein, dass er zurückzog, weil er gerade ein gutes Jahr im Amt ist, oder weil seine Nachfolge in Düsseldorf nicht geklärt ist. Aber seine Verzichts-Erklärung vor ein paar Wochen ließ aufhorchen, weil sie sich nur auf das Adenauer-Haus in Berlin bezog und nicht auf das Kanzleramt. So oder so. Die Zeiten werden sich nach dem 7. Dezember ändern. Niemand weiß, ob und wie lange Merkel noch Kanzlerin bleibt. Und auch wenn mit dem Beginn des Rückzugs von Merkel eine gewisse Erleichterung verbunden ist, weil sie halt schon so lange regiert. Ihre Nachfolger werden zu spüren bekommen, was es heißt, jemanden nach so vielen Jahren zu ersetzen. Merkel hat Spuren hinterlassen, die nicht zu übersehen sind.
Bildquelle: pixabay, Tumisu, CC0 Creative Commons
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