Straßenschild Rutschgefahr

Die (Schief-)Lage der Union

Der Versuch mit dem Hund zu wedeln ist gescheitert. Die CSU hat nachgegeben und ihr Vorsitzender verkündete seinen Rückzug aus der Kandidatenkür. Von den guten Vorsätzen, den Kanzlerkandidaten Laschet „ohne Groll“ zu unterstützen, blieb schon bei seinem Presse-Statement Nullkommanix übrig. Bei seiner Erklärung, dass der Mann aus Aachen jetzt Kanzlerkandidat sei, konnte und wollte(?) Markus Söder seinen Frust nicht verbergen. Die Basis der CDU habe eigentlich nach ihm gerufen – vor allem die junge Generation, die sich nach Zukunftsperspektiven sehne, ließ Söder durchblicken. Sein Generalsekretär, Markus Blume, durfte nachlegen, sein Vorsitzender sei ja „der Kanzlerkandidat der Herzen“. Als eine Umfrage der CSU bescheinigte, sie würde bei der Bundestagswahl in Bayern aktuell nur auf 34 Prozent der Wählerstimmen kommen, legte Blume nach, das liege alleine an der Entscheidung der CDU für Laschet – ganz so als habe es keine Raffke-Affäre, keinen Lockdown-Frust und kein öffentliches Nachtreten gegeben.  Da fehlte nur noch die Comic-Sprechblase „Bumm, Päng!“.  Es folgten ein Aufruf des Generalsekretärs an die CSU-Mitglieder sogenannte „Online-Mitgliedschaften der Partei“ außerhalb des Freistaates ein zu werben und ein Zeitungsinterview des CSU-Chefs, in dem er Laschet bescheinigte, ein Kandidat von gestern zu sein. „Ohne Groll“ sieht anders aus – Frust genau so! Jetzt fehlt nur als Sahnehäubchen ein öffentlicher Streit um ein gemeinsames Wahlprogramm. Alles schon mal da gewesen. Die Schwestern CDU und CSU hängen in einer politischen Schieflage.

Während kaum ein Tag vergeht, an dem Markus Söder Laschet nicht vors Schienbein tritt, setzt die Kanzlerkandidatin der Grünen zu einem Höhenflug in der öffentlichen Meinung an, der seinen Schub nicht aus politischen Inhalten bezieht, sondern ausschließlich vom Lächeln der Annalena Baerbock in allen Medien getragen wird. Ihr Dauerlächeln übertüncht das mit Verboten und Steuererhöhungsplänen gespickte Wahlprogramm der Grünen. Es ist offensichtlich von der Überzeugung getragen, dass die Politik die Bürgerinnen und Bürger per Gesetz zwangsbeglückt. Die Kandidatin setzt um abzulenken auf ihre guten Persönlichkeitswerte. Sie weiß um die Neigung des Wahlvolks, Wahlprogramme allenfalls bruchstückhaft wahrzunehmen. Bei den Wahlkämpfern aller Parteien gilt das Wahlprogramm nämlich als „Bückware“. Das kann ich aus eigener Erfahrung dick unterstreichen.  Seit nunmehr 50 Jahren habe ich mit meinen Parteifreunden des CSU-Ortsverbands München/Laim-West alle Wahlkämpfe an den Informationsständen bestritten. „Ham‘ Se mal“ einen Kugelschreiber, einen Block, eine Tasche oder Gummibärchen für die Kinder sind die häufigsten Anfragen der interessierten Passanten. Selten fragt jemand nach dem Wahlprogramm, für das sich dann einer der Wahlkämpfer bückt, um es unter dem Tapetentisch hervorzukramen. Daran wird sich auch diesmal nichts ändern. Abgesehen davon, dass der Bundestagswahlkampf diesmal wegen Corona kaum auf der Straße, sondern vor allem in den Medien und im Internet stattfinden wird.

Und weil es nicht mehr um Inhalte und Fakten geht, träumt selbst der Spitzenkandidat der SPD, Olaf Scholz, in Interviews von einer künftigen Bundesregierung ohne CDU und CSU. In seinen kühnsten Visionen, sieht er sich sogar ins Berliner Kanzleramt einziehen. Die Meinungsumfragen zeigen die Möglichkeit einer Regierungskoalition ohne die Union. CDU und CSU müssen deshalb kämpfen, um die Stimmungslage des Wahlvolks zu ihren Gunsten zu wenden. Sie brauchen ein Wahlergebnis, dass ihre strategische Position sichert, wenn ohne die beiden Schwesterparteien in Deutschland nicht regiert werden soll. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder hat das in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt gebracht. Dazu braucht es ein bundesweites Stimmergebnis um die 35 Prozent für die Union. Für seine Partei bedeutet das auch, dass sie am 26. September mehr abliefern muss, als die aktuell gemessenen 34 Prozent. Selbst mit einem CSU-Ergebnis von 38 Prozent, wie bei der letzten Bundestagwahl, könnte es knapp werden. 

Damals konnte die CSU vieles mit den Erfolgen ihrer Kandidaten in den Wahlkreisen überdecken. Auch diesmal will die Partei bei den Erststimmen punkten. Generalsekretär Blume kündigte an, dass die CSU plane, alle 46 bayerischen Wahlkreise zu gewinnen.  Wie schwer das wird, kann er an den Kommunalwahlergebnissen vor einem Jahr ablesen. Sie waren ein Menetekel. Sie zeigten, wie stark die Grünen in den Großstädten des Freistaates geworden sind. In München wuchs sie sogar zur stärksten Partei heran. Deshalb dürfte das Zweitstimmenergebnis für die CSU noch wichtiger werden. Nur wenn die CSU in Bayern gut über 40 Prozent der Stimmen für sich gewinnen kann, ergibt das ein Pfund, mit dem die CSU auch in Berlin „wuchern“ kann. Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Er muss damit beginnen, dass die Unionsschwestern wieder den Schulterschluss üben. Nur gemeinsam werden sie erfolgreich sein. Immer wenn sich die Akteure von CDU und CSU auf offener Bühne gestritten haben, waren die Erfolge überschaubar bis nicht vorhanden. Die Wähler sind keine unbekannten Wesen und vor allem kein Stimmvieh. Besonders die Anhänger des bürgerlichen Lagers haben ein sehr feines Gespür dafür, wie die Matadore miteinander umgehen. Wenn dieser Umgang nicht pfleglich ist, werden viele CDU und CSU angewidert den Rücken kehren.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Gerd Altmann, Pixabay License

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht auf dem Blog von Peter Hausmann „Hausmannskost“ am 26.4.2021

Teilen Sie diesen Artikel:
Keine wichtigen Nachrichten mehr verpassen!


Peter Hausmann ist Mitglied der 12. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule (DJS). und war Teilnehmer am ersten Modellversuch von DJS und Ludwig-Maximilians-Universität zur Journalistenausbildung. Anschließend war er als freier Journalist unter anderem für den Münchner Merkur und den Bayerischen Rundfunk tätig, wo er 1982 eine Festanstellung als Redakteur erhielt. Sein thematischer Schwerpunkt ist die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Neben der journalistischen Arbeit erhielt er mehrere Lehraufträge zu den Themen Interviewtechnik und Rundfunkjournalismus an der Deutschen Journalistenschule München, der Ludwig-Maximilians-Universität und an der Katholischen Universität Eichstätt. 1988 wurde Peter Hausmann kommissarischer Leiter der Wirtschaftsredaktion Hörfunk beim Bayerischen Rundfunk. Nach dem Tod von Franz Josef Strauß, Ende 1988, wechselte er zur CSU als Sprecher des CSU-Vorsitzenden, Bundesfinanzminister Theo Waigel. Ende 1992 kehrte er zum Bayerischen Rundfunk als Leiter der Wirtschaftsredaktion Hörfunk zurück. 1994 wurde Peter Hausmann Sprecher der Bundesregierung und Chef des Bundespresseamtes unter Bundeskanzler Helmut Kohl. Bis Mai 1998 war er als beamteter Staatssekretär Mitglied der Bundesregierung in Bonn. Von 1998 bis 2005 war Peter Hausmann Partner der Wirtschaftsprüfungs-, Steuer- und Unternehmensberatungsgesellschaft Deloitte & Touche, und im November 2005 wechselte er als Partner zur PR-Agentur Pleon. Als Nachfolger von Peter Schmalz war er von 1. November 2008 bis 31. Oktober 2014 Chefredakteur der von der CSU verlegten Wochenzeitung Bayernkurier. Peter Hausmann ist Vorstandsmitglied des Ortsverbandes Laim-West der CSU.


'Die (Schief-)Lage der Union' hat keine Kommentare

Als erste/r kommentieren

Möchten Sie Ihre Gedanken teilen?

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht