Alle Jahre wieder lädt der CDU-Wirtschaftsrat zu seinem großen Wirtschaftstag ein. Heuer wird dieser am 4. Juni in Berlin stattfinden. Einige hundert Teilnehmer aus Unternehmen, Politik und Administration werden zu diesem Event kommen. Wenige Tage nach der Europa-Wahl wird die Agenda für Deutschland und Europa im Focus stehen. Dabei soll es vor allem um den Zusammenhalt Europas, die Chancen der Digitalisierung und die Energiepolitik gehen. Weitere Themen werden die Zukunft der Altersvorsorge, die Mobilität und der Klimaschutz sein.
Aufmarsch der Parteispitzen
Wer das Programm der diesjährigen Veranstaltung des Wirtschaftsrates betrachtet, wird den Eindruck bekommen, dass Manager und Politiker in großer Zahl in dieser Supershow präsentiert werden. Es wird gleich mit der Verleihung der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold an Wolfgang Schäuble, den Präsidenten des Deutschen Bundestages, beginnen. Die Laudatio wird der frühere hessische Ministerpräsident und danach gescheiterte Bau-Manager Roland Koch, jetzt mit den Titeln Professor Dr. h.c.mult. geschmückt, halten. Danach werden Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU-Bundesvorsitzende, der Europa-Politiker Manfred Weber sowie der Vize-Kanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Keynote-Speaker an das Rednerpult gehen und das hochkarätige Publikum zu begeistern versuchen. Es wird sich ein Talk zum Thema „Freiheit, Sicherheit, Vertrauen – was Deutschland jetzt braucht“ mit Gesundheitsminister Jens Spahn, dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner und dem Grünen Cem Özdemir anschließen.
Impulsredner Karl-Theodor zu Guttenberg
Auf dem Podium 1 „Powerhouse Europa – Digitalen Binnenmarkt zum Wachstums- und Innovationstreiber machen“ werden nach Impulsreferaten von Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, und von dem einstigen Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, der jetzt als Chairman, Spitzberg Partners auftritt, Vorstandsmitglieder großer Unternehmen -u.a. von E.ON und SAP- ihre Vorstellungen und Gedanken erörtern. Die Frage „Generationsgerechtigkeit vor dem Aus?“ sollen der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, und der Führer des CDU/CSU-Mittelstandes, Carsten Linnemann, beantworten. Zu weiteren Akten der Wirtschaftsratsaufführung werden der Bundesminister für Verkehr, Andreas Scheuer, sowie Peter Altmaier, der Wirtschafts- und Europa-Minister, angekündigt.
Friedrich Merz als multipolitischer Stratege
Während in früheren Zeiten eine Rede der Bundeskanzlerin der Höhepunkt des Wirtschaftstages war, sucht man nach Angela Merkel im Programmheft vergeblich, obwohl sie die politische Agenda bis 2021 noch entscheidend mitprägen will und wird. Offenbar setzt die Spitze des Wirtschaftsrates nicht mehr auf sie, wenn es um die Herbeiführung von Richtungsentscheidungen geht, „die unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes auch in Zukunft sichern“, wie es Präsident Werner M. Bahlsen und sein Generalsekretär Steiger in der Einladung schreiben. Doch am Abend des 4. Juni wird Friedrich Merz, Chairman, BlackRock Asset Management Deutschland AG, nach dem Wirtschafts- und Finanzminister Le Maire „Strategien für eine Welt im Wandel“ präsentieren. Der Mann aus dem Sauerland war bereits vom Wirtschaftsrat für den CDU-Bundesvorsitz favorisiert worden. Auch als Nachfolger von Peter Altmaier im Amt des Wirtschaftsministers sähen die Manager Friedrich Merz lieber heute als morgen. Auf jeden Fall soll er nun erst einmal Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrates werden; den Vorsitz bei der Atlantik-Brücke gibt er an Sigmar Gabriel ab. Der Wirtschaftsrat will offenbar die personellen Weichen so stellen, um Merz gute Chancen bei der Kür zum Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl zu verschaffen. Denn nach schwachen Ergebnissen für die CDU bei der Europa-Wahl und den vier Landtagswahlen (Bremen, Sachsen, Thüringen, Brandenburg) könnte der Beauty Contest für das Rennen um die Regierungsspitze neu eröffnet werden. Noch führt AKK, doch auf der kalibrierten Linie der Polit-Arena wird sichtbar, dass ihr Vorsprung bereits kräftig geschrumpft ist. Allerdings hatte der CDU-Wirtschaftsrat schon in früheren Zeiten immer wieder versucht, bei der Kanzlerkandidatur mitzumischen und mitzubestimmen. Der Erfolg blieb bislang jedoch versagt: Als nach der Bundestagswahl 1980 Franz-Josef Strauß nicht ins Kanzleramt einziehen konnte und Helmut Kohl zuvor im Jahre 1976 schon dabei gescheitert war, machten sich die Großkopfeten des CDU-Wirtschaftsrates auf die Suche und wollten Walther Leisler Kiep als „deutschen John F. Kennedy“ für die nächste Bundestagswahl als Kandidat der Union gegen Kanzler Helmut Schmidt aufbauen. Die Bemühungen mit dem damaligen Thyssen-Chef Dieter Spethmann an der Spitze des Wirtschaftsrates waren umsonst, denn längst hatte Helmut Kohl seinen freundschaftlichen Kontakt zur FDP so ausgebaut, dass er 1982 zum Kanzler gewählt wurde. Erste Wahl des Wirtschaftsrates war er indessen nicht, so kommentierte Kohl allzu oft mit feiner Ironie die Fehleinschätzungen des Wirtschaftsflügels der Union.
Bildquelle: Wikipedia, Wirtschaftsrat der CDU, public domain