Die Europäische Union wird nach der Corona-Krise eine andere sein. So viel steht schon fest, nur das Ausmaß des Schadens ist noch nicht abzuschätzen. Statt europaweiter Koordination erleben wir politische Alleingänge, gegenseitige Schuldzuweisungen, Grenzschließungen. Extrem besorgniserregend ist die Entwicklung in Ungarn. Viktor Orban nutzt dort die Pandemie schamlos, um das Parlament zu entmachten, die Meinungsfreiheit zu knebeln, die Restbestände einer kritischen Presse mundtot zu machen. Die Dauer dieser Zwangsmaßnahmen ist völlig ungewiss. Orban schafft – mit Hilfe einer Zweidrittel-Mehrheit seiner ihm ergebenen Partei – ein Notstandsregime, obwohl Ungarn vom Corona-Virus noch weit weniger betroffen ist, als die meisten anderen EU-Länder. Niemand hat zu Jahresbeginn für möglich gehalten, dass solch umfassende Ermächtigungen jemals wieder in Europa beschlossen werden. Seit zwei Jahren läuft ein zähes Rechtsstaatsverfahren der EU gegen Ungarn, und man darf gespannt sein, wie entschlossen Brüssel auf die erneute Provokation reagiert.
Die Corona-Krise zeigt erschreckend, wie schnell gemeinsame Lösungen zugunsten nationaler Reflexe über Bord geworfen werden. Auch das Tempo der Virus-Ausbreitung rechtfertigt nicht diese Unfähigkeit zur EU-weiten Gegenstrategie. Da werden Grenzen willkürlich geschlossen, statt regionale Risikogebiete konsequent einzugrenzen. Da werden Schuldzuweisungen an europäische Nachbarn ausgesprochen, um so von der eigenen Verantwortung für ein unzureichendes Gesundheitssystem abzulenken. Da vergiftet ein Virus das politische Klima, statt Corona als Stresstest für europäisches Handeln zu begreifen und die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Und da werden fundamentale demokratische Rechte ausgehebelt – unter dem Vorwand des Kampfes gegen eine weltweite Pandemie und in der Hoffnung, dass jetzt keiner so genau hinschaut. Wenn das letzte Virus besiegt ist, werden wir große Anstrengungen benötigen, um den kontaminierten Zustand der Europäischen Union zu beenden. Das Virus überlebt drei Tage auf einer glatten Fläche, so sagen Experten, in manchen Köpfen könnte es erheblich länger fortbestehen.
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