Empörung, las ich in der FAZ, Empörung über Scholz´ Steuererhöhungspläne. Nun ist die FAZ nie im Verdacht gewesen, der SPD, deren Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist, besonders nahezustehen. Und die Forderung des Bundesfinanzministers im Kabinett der Groko unter Kanzlerin Angela Merkel, Top-Verdiener stärker zu belasten, ist nicht neu. Das hatte Scholz schon sehr bald nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten durch die SPD-Spitze angekündigt.
Was die konservative Frankfurter Allgemeine möglicherweise überrascht hat, gilt der frühere Hamburger Bürgermeister doch eher als ein SPD-Rechter, als einer, der mit der Wirtschaft kann. Dass ausgerechnet dieser Scholz dann ernstmachen und endlich die Reichen stärker besteuern will, mag die Frankfurter Blattmacher erzürnt haben. Nur ist ihre Formulierung völlig übertrieben. Schreiben sie doch von „heftigem Widerspruch“ von Wirtschaftspolitikern und Unternehmensvertretern. Und zitieren dann als erstes ausgerechnet den Wirtschaftsrat, eine CDU-nahe Unternehmensvereinigung. Aber sie unterlassen es, die Bedeutung dieses Gremiums näher zu beschreiben. Denn diese geht gen Null, was den Einfluss in der Kanzler-Partei angeht. Da kann man den Rats-Generalsekretär Wolfgang Steiger ruhig schimpfen lassen-„Gift in der aktuellen Konjunkturlage“, davon reden lassen, dass höhere Einkommenssteuersätze nicht nur Familienunternehmen und andere Leistungsträger träfen.
Wer diese „gezielt gängeln und bestrafen will, um Kanzler einer Koalition mit den Linken zu werden, droht sie zu vertreiben oder ihnen die Motivation zu nehmen.“ So Steiger in der FAZ. Das sind die alten Argumente, die die Konservativen stets ins Feld führen, wenn es darum geht, mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen. Scholz will Steuerzahler mit sechsstelligen Jahreseinkünften stärker belasten, „angesichts der vielen Aufgaben, die der Staat jetzt schultert“. Diese Mehreinkünfte sollen zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Was ist dagegen einzuwenden? Dass die Reichen dann das Land verlassen und in die Schweiz ziehen? Oder auf die Insel Malta oder in andere Steuerparadiese auswandern? Gute Reise, wünsche ich. Diese Drohungen kennt man seit Jahrzehnten. Sie sind lächerlich, überhaupt nicht solidarisch. Scholz hat keinen Gedanken geäußert, Mittelstand, Handwerk und Selbständige stärker zur Kasse zu bitten, wie das der Wirtschaftsrat durch Generalsekretär Steiger sagen lässt. Vielmehr will er Leute, die ein paar hunderttausend Euro verdienen, mehr belasten, so hat der SPD-Kanzlerkandidat sich in der „Rheinischen Post“ geäußert, einem konservativen Blatt aus Düsseldorf, die hinsichtlich ihrer SPD-Nähe unverdächtig ist.
Aber die FAZ hat noch andere „Schwergewichte“ aufgeboten, um den „heftigen Widerspruch“ gegen Scholz zu belegen. Darunter den künftigen FDP-Generalsektretär Volker Wissing, der bisher in Rheinland-Pfalz in einer rot-gelb-grünen Koalition mitregiert und der jetzt wohl den angeschlagenen FDP-Chef Lindner retten soll. Wissing bezeichnet die Steuerpläne von Scholz als „doppelt ungerecht“. Scholz wolle dem unternehmerischen Mittelstand die Steuern erhöhen und der arbeitenden Mitte mehr Gerechtigkeit verweigern. Doch davon ist bei Scholz keine Rede. Man merkt, wir nähern uns dem Wahlkampf. Wissing unterstellt Scholz, seine Steuerpolitik mache alle zu Verlierern. Wissing muss es wissen als Vertreter einer Partei, die sich mal als Partei der Besserverdiener bezeichnet hat.
Und dann zitiert die FAZ ein weiteres „Schwergewicht“, Bayerns Finanzminiser Albert Füracker. Typisch Scholz, keine kreativen Konzepte, nur klassische Steuererhöhungen aus der Mottenkiste, aus der sich Füracker selber bedient. Kein Wort zur Ungleichheit in Deutschland, keine Silbe vom Wirtschaftsrat, der FDP oder der CSU zur Vermögens- und Einkommensschere in der Republik, die weiter auseinandergeht. Die Reichen werden immer reicher, die Armen ärmer. Wenige haben Milliarden, viele Millionen haben fast nichts. Das ist die Ausgangslage. 45 sehr reiche Unternehmensfamilien besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung, so steht es in einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung(DIW). Die ärmere Hälfte sind rund 40 Millionen. In der Bundesrepublik leben knapp 83 Millionen Menschen. Wem das nicht reicht, um die Ungerechtigkeiten zu verdeutlichen, eine weitere Zahl: Im reichen Deutschland ist jedes fünfte Kind armutsgefährdet. Ein ungezähmter Finanzkapitalismus hat den Industriekapitalismus, den SPD und Gewerkschaften gezähmt hatten, verdrängt, lese ich in einer Kolumne von Heribert Prantl in der SZ. Soziale Gerechtigkeit ist nötiger denn je. Olaf Scholz hat als Kanzlerkandidat der am Boden liegenden SPD diese Aufgaben zu stemmen, um der ältesten deutschen Partei wieder mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit, das zeigt Corona. Empörung? Ja, aber über die Ausgangslage.
Bildquelle: Pixabay, Bild von photosforyou, Pixabay License
'FAZ-Empörung über Scholz nicht ernstzunehmen' hat keine Kommentare
Als erste/r kommentieren