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Home Politik

Flüchtlinge und die Zeit für Populisten

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
7. Oktober 2015
Karte Flüchtlingskrise Europa 2015

Selbst eine renommierte Zeitung wie die „Süddeutsche Zeitung“ gibt dem Aufmacher ihres Feuilletons den Titel: „Im Häuserkampf“. Die Unterzeile liefert ein wenig mehr Stoff, worum es geht. „Flüchtlinge gegen Obdachlose?“ wird gefragt und dann seriös festgestellt: „Warum wir einen radikal neuen sozialen Wohnungsbau brauchen“. Den brauchen wir in der Tat, um dem Problem, das auf uns zukommt, Herr zu werden. Das Problem: Wohnungsraum-Verteilungskämpfe zwischen Migranten und Einheimischen. Man kann auch kurz die Einheimischen fragen lassen: Warum die und nicht wir, wir sind schon länger hier und suchen eine preiswerte Wohnung? Warum werden die bevorzugt behandelt?

Letzteres will jeder Politiker verhindern, der im Ort, im Land und der im Bund. Und doch gerät er in die Zwickmühle, weil die Zahlen der kommenden Flüchtlinge Monat für Monat in die Höhe schnellen. Waren es 300000 im Frühjahr, eine halbe Million im Mai, im August schon 800000, so wird jetzt von mindestens einer Million geredet, wenn nicht mehr. Die Höchstzahlen sind geschätzt, aber so ist das in einer Demokratie, in der auch Umfragen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Die SPD-Generalsekretärin Fahimi meint, das seien Zahlen, die „kein Mensch glaubt“. Na ja, auch ihr Parteichef Sigmar Gabriel hat von einer Million gesprochen, jetzt sind sogar eineinhalb Millionen im Raum. Angstmache?

Es wäre falsch, dieses Thema den Rechtsradikalen zu überlassen. Die Sorgen vieler Menschen, abseits der Willkommenskultur, müssen ernst genommen, sie dürfen nicht mit einer lockeren Handbewegung vom Tisch gefegt werden. Was nicht bedeutet, den Rechten Recht zu geben. Das „Wir packen das“ der Kanzlerin steht und wird von ihr nicht zurückgenommen. Es passt dazu, dass sie dem zögernden Bundesinnenminister Thomas de Maiziere die für die Flüchtlingsfragen zuständige Kompetenz entzogen und sie ihrem Kanzleramtsminister Peter Altmaier(CDU) zugesprochen. Was heißt: Damit hat Merkel das Problem an sich gezogen und wird künftig noch mehr als zuletzt für alles verantwortlich gemacht. Sie kann ihrem Innenminister nicht mehr den schwarzen Peter zuschieben, jetzt liegt der Ball im Kanzleramt. Was auch logisch ist angesichts der Fülle der Probleme. Wenn man die Lösung der Flüchtlingsfrage inzwischen größer einschätzt als die Bewältigung der Vereinigung zweier deutscher Staaten nach 1990, dann ist das Kanzleramt gefordert, weil es alle Fragen und die damit befassten Ministerien koordinieren kann.

Merkel zieht die Pfeile auf sich

Angela Merkel zieht diese Frage an sich und damit auch alle Pfeile ihrer Kritiker auf sich, wenn die Sache schiefgehen sollte. Und Kritiker gibt es reichlich, an der Spitze Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der in seiner unnachahmlichen populistischen Tour damit droht, eigene Wege zu gehen, Züge mit Flüchtlingen einfach in andere Bundesländer durchzuwinken. Wie heißt das auch in Bayern bekannte St.-Florians-Prinzip: Verschon mein Haus, zünd andere an. Und so zündelt der CSU-Chef in verantwortungsloser Weise, er wird seiner Regierungs-Verantwortung nicht gerecht. Die drastischen Worte des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler müssen ihm im Ohr klingeln oder besser dröhnen: „ Seehofer muss sich fragen lassen, ob ihm Victor Orban näher ist als die Menschlichkeit der Flüchtlinge. Hätte Frau Merkel zuschauen sollen, wie diese Menschen in Ungarn verrecken“, zitiert die Passauer Neue Presse Geißler, der die Kanzlerin verteidigt, weil sie betont hatte, es gebe keine Obergrenze in der Asylfrage. Ja, wie denn auch? Und noch zwei Sätze des CDU-Alten Geißler: „Nächstenliebe ist keine Gefühlsduselei und kein Gutmenschentum, sondern eine Pflicht, denen zu helfen, die in Not sind.“

Aber es gärt in Kreisen der Union, nicht nur durch Seehofer. 34 CDU-Politiker haben an Merkel geschrieben, wie es heißt einen „Brandbrief“. Im Zentrum steht folgender Satz: „Die gegenwärtig praktizierte Politik der offenen Grenzen entspricht weder dem europäischen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU.“ Ein großer Teil der CDU-Wähler und –Mitglieder fühle sich von der gegenwärtigen Linie der CDU-geführten Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik nicht mehr vertreten.

Es ist zwar richtig, dass Deutschland nicht die ganze Welt aufnehmen kann. Wer will das schon? Aber Obergrenzen einführen, Zäune ziehen, Mauern vielleicht? Deutschland absperren, oder besser Europa? Sonst kommen alle, mindestens Millionen, jedes Jahr? Als wenn die Flucht, das Verlassen der Heimat eine so verlockende Aussicht wäre!

Klar, sind damit Probleme verbunden. Sprach-Unterricht, Ausbildung, Bildung, Wohnungsbau, Lehrer und Erzieher, Kosten. Wir packen das, wir schaffen das! Wenn alle mitziehen. Wenn wir ein wenig enger zusammenrücken. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen, nichts unter den Teppich kehren. Es wird hoffentlich keinen Häuserkampf geben.

Bildquelle: Wikipedia,

Maximilian Dörrbecker (Chumwa) – Eigenes Werk, using data and information from these web sites: Eurostat dataset migr_asyappctzm (direct download) Eurostat dataset tps00001 (direct download) FRONTEX Migratory Routes Map This base map by alexrk, CC BY-SA 2.0

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Tags: AsylAsylrechtCDUFlüchtlingeFlüchtlingspolitikFlüchtlingsproblematikMerkel
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