Die Frage, die der potentielle Kunde von der Eingangstür zur Apotheke in Bonn der Apothekerin rüberwarf, kennt nahezu jeder: „Haben Sie Mundschutz?“, wollte er wissen. Als sie verneinte und auf ein entsprechendes Formblatt an der Glastür hinwies, war er schon wieder weg. Mundschutz, gemeint der Mund- und Nasenschutz, der in Corona-Zeiten oft nachgefragt wird, obwohl der Nutzen mindestens umstritten ist. Man sieht ihn in allen Farben und Mustern, nicht nur in weiß, aber man kann nicht behaupten, dass nun hier wie in Asien fast jeder Mensch eine solche Maske trage. Einige behelfen sich mit einem Schal, den sie einfach um den Mund wickeln und ihn damit quasi verschließen.
Maskenpflicht, ja oder nein, das ist hier die Frage. In Österreich gibt es eine Maskenpflicht, die Stadt Jena in Thüringen hat sie ebenfalls eingeführt. Der Virologe Prof. Hendrik Streeck von der Uni Bonn beruhigte in der ZDF-Sendung Markus Lanz die Gemüter dieser hitzigen Diskussion draußen. Er erwähnte die Maskenpflicht einer bestimmten Qualität als OP-Mundschutz, verneinte aber die Frage, ob eine einfache Maske einen vor einer Infektion schütze. Allerdings räumte er ein: „Wer niesend oder hustend durch die Straßen geht, kann einen solchen Mundschutz tragen, damit er andere nicht infiziert.“ Eine Maskenpflicht? Streeck wies auf die WHO(Weltgesundheitsorganisation) hin, die im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie keinen Nutzen im allgemeinen Mundschutztragen sehe. Ein WHO-Mitarbeiter betonte, es gebe keine Anzeichen dafür, dass damit etwas gewonnen wäre, es gebe sogar zusätzliche Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnähmen und sich dabei vielleicht infizierten. Und noch etwas hat Prof. Streeck im ZDF betont: es gebe keine Gefahr, jemand anderen beim Einkaufen und beim Frisör zu infizieren. Der Professor untersucht gerade die Infektionsfälle im Kreis Heinsberg.
Der Virologe Prof. Drosten hält es dagegen durchaus für sinnvoll, Masken in der Öffentlichkeit zu tragen, etwa beim Einkauf im Supermarkt. Dabei schütze man zwar sich selber kaum, aber bewahre andere vor einer Ansteckung. Er empfielt sogar, wegen des Mangels an Masken könne man aus Stoffen selber Masken nähen. Aber was macht jemand, der nicht nähen kann? Dennoch, Masken sind ein rares Gut, Kliniken brauchen sie täglich und dringend. Masken sollten für Berufe mit Patientenkontakt reserviert sein, sagt Drosten. Er fügt jedoch hinzu, Masken könnten auf keinen Fall die Maßnahmen zur Distanzierung und Kontaktminimierung, wie sie seit Tagen gelten, ersetzen, sie seien aber eine gute Ergänzung und in der Öffentlichkeit eine Erinnerung für alle, den Ernst der Lage nicht zu vergessen.
Stoffländen öffnen wieder
Der Zeitgenosse findet sich in diesem Dickicht kaum zurecht. Soll er Mundschutz tragen oder nicht? Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist skeptisch, Innenminister Horst Seehofer ebenfalls zurückhaltend, doch das Vermummungsgebot im benachbarten Österreich wird die Debatte anheizen. Aber wie sollen bei uns über 80 Millionen Menschen mit Masken versorgt werden, die zudem in ihrer einfachen Form und Ausstattung quasi täglich entsorgt werden müssten? Nicht wenige werden sich in Jena umschauen, wo ab kommender Woche Maskenpflicht beim Betreten des Supermarktes herrscht, in Bus und Bahn, im Grunde überall dort, wo Kontaktmöglichkeiten sind und Mindestabstände nicht eingehalten werden können. In Jena werden auch Schals und Tücher als Schutz anerkannt, sofern sie Mund und Nase bedecken. Jena ist die erste deutsche Stadt, eine Universitädtsstadt zumal, die eine solche Maskenpflicht einführt, um Personen im öffentlichen Leben zusätzlich gegen Ansteckung durch Corona-Viren zu schützen. Aber auch in Thüringen sind diese Mittel knapp, es gilt 110000 Einwohner zu versorgen. Um das zu bewerkstelligen wurden die Menschen in der Stadt gebeten, selber zu nähen. Stoffläden und Änderungsschneidereien werden bis zum Wochenende wieder geöffnet.
In Österreich hat Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigt, dass die Supermärkte ab sofort vor den Eingängen mit der Ausgabe von Masken beginnen. Beim Einkaufen herrscht eine Maskenpflicht, Kurz will in Kürze den Mundschutz in seinem Land am Arbeitsplatz vorschreiben.
Häßlich oder nicht
Dass die Diskussion hierzulade zurückhaltend geführt wird, mag auch mit dem Mangel an Material zu tun haben und damit, dass zunächst alle Krankenhäuser, Zahnärzte-meine Zahnärztin behandelt schon seit Jahr und Tag ihre Patienten mit Maske-, Physiotherapeuten, Pflegedienste, Rehakliniken mit Mundschutz-Masken versorgt sein müssen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, ein Freund klarer Aussprache, sieht sogar einen Notstand, die Produktion müsse auf eine „Notfallwirtschaft“ umgestellt, Schutzkleidung und Beatmungsgeräte wieder in Deutschland hergestellt werden. Und was Maskenpflicht angeht, ist Söder wieder derjenige, der am weitesten geht. „Man kann nichts ausschließen.“
Aber vorerst durch eine Pflicht bitteschön keinen Run auf Masken auslösen, dann wäre wieder Hamstern angesagt wie beim Klopapier und bei Seife und Hefe. Andererseits stehen die Zeichen auch hier auf Sturm. Beispiel: Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger hat in den Landkreisen Vliesrollen verteilt und fordert zum Selbstnähen der Masken auf. Eine Million pro Tag werden gebraucht, ist zu lesen. Bayern hat 13 Millionen Einwohner. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir bald tschechische Verhältnisse bekommen: dort dürfen die Menschen seit dem 18. März nicht mehr ohne Masken auf die Straße. Häßlich oder nicht, das kann ja nicht die Frage sein. Wenn alle Masken tragen, wenn alle in Deutschland mit verhüllten Gesichtern rumlaufen, ist das der Normalfall. Die Ehefrau von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Soyeon Schröder-Kim macht es vor. Vor kurzem wurde die aus Südkorea stammende 49jährige Frau beim Verlassen ihres Homeoffice in Hannover mit Mundschutz gezeigt. In ihrer Heimat sei das selbstverständlich, zum Schutz anderer Menschen einen solchen Mundschutz zu tragen, wurde sie zitiert. Sie trage auch einen Mundschutz beim Einkaufen. um die Kassierer und Kassiererinnen zu schützen. Und sie fügte hinzu; „Ich werde meinen Mann bitten, das Gleiche zu tun.“Auf das Foto mit Schröder wartet die Öffentlichkeit noch.
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