Jamaika ist gescheitert. Zum Glück, möchte man nach den wochenlangen Sondierungsgesprächen sagen. Denn das Ganze wirkte über die Strecke wie eine schlechte Inszenierung, in der sich die Akteure selbstbespiegelten und ein gemeinsamer Wille zum Gelingen nicht erkennbar wurde. Von Verantwortung für das Land war zwar viel die Rede, aber wenig zu sehen.
Auch die Art und Weise des Scheiterns bekräftigt, dass bei einer schwarz-gelb-grünen Regierung Deutschland nicht in den besten Händen gewesen wäre. Die FDP hat den Schwarzen Peter, weil sie den Schlussstrich gezogen hat, aber die anderen haben natürlich auch ihren Anteil daran. Der angeschlagene CSU-Chef Horst Seehofer, der vor der Landtagswahl in Bayern 2018 vor allem auf sein eigenes Standing bedacht war, ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nach dem historisch schlechten Wahlergebnis in den eigenen Reihen zunehmend Gegenwind spürt.
Es fehlte die gemeinsame Idee
Sie alle waren dem Projekt nicht gewachsen. Für ein Bündnis so ungleicher Partner fehlte von Anfang an eine gemeinsame, verbindende Idee. Der Wille zur Macht genügt nicht, wenn nicht erkennbar wird, wozu sie dienen soll. Trotz aller Erfahrung, war daher auch Angela Merkel mit ihrem Latein am Ende. Ihre Strategie, sich zurückzuhalten und zu moderieren, stieß an ihre Grenzen. Sie will eine vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin, nur was sie für das Land will, weiß niemand.
Gegenseitiges Vertrauen kann so nicht entstehen, wenn jeder nur seinen eigenen Vorteil im Sinn hat. Das ist den Unterhändlern nach überlangen, von vornherein wenig aussichtsreichen Gesprächen klar geworden. Und doch haben sie auf Biegen und Brechen sondiert, an faulen Kompromissen herumgedoktert, an Formulierungen gedrechselt, sich in der Rolle gefallen, hinter verschlossenen Türen zu tagen und die Öffentlichkeit mit nichtssagenden Statements abzuspeisen.
Schade um die vertane Zeit
Schade um die vertane Zeit, und ein wirkliches Ärgernis, weil die Sondierer, selbst die Grünen, permanent von Neuwahlen als einziger Alternative redeten. Das diente einzig und allein dazu, die eigene Bedeutung zu steigern und der Basis Zugeständnisse schmackhaft zu machen, versperrte aber den Blick auf andere Wege wie die hierzulande ungeliebte, in Skandinavien durchaus erprobte Minderheitsregierung.
Statt dem Wähler das Wahlergebnis vor die Füße zu werfen, wäre dem darin enthaltenen Wunsch nach neuem, verantwortungsvollem politischen Handeln zu folgen. Eine Minderheitsregierung wertet das Parlament in der ihm zukommenden Weise auf und ermöglicht es, eine durch und durch demokratische, an Sachfragen orientierte Politik zu gestalten, die zu jedem Vorhaben aufs Neue Mehrheiten aus inhaltlicher Überzeugung sucht. Zugleich könnte die Gemeinsamkeit der Demokraten parlamentarische Attacken von Rechtsaußen abwehren und einen verantwortungsbewussten, am Wohl der Menschen orientierten Umgang miteinander kultivieren. Angela Merkel scheut den Weg, der Überzeugungskraft und Transparenz erfordert, also eine Abkehr von ihrem Politikstil im Verborgenen. Sie pochte schon am Wahlabend auf „stabile“ Verhältnisse. Eine Jamaika-Koalition, die nur von egoistischen Interessen zusammengehalten worden wäre, hätte allerdings keine Stabilität bedeutet.
Bildquelle: Bildquelle: pixabay, User Mocho, CC0 Creative Commons
Comments 1