Es begann mit den Römischen Verträgen- oder doch noch früher mit Kohle und Stahl Anfang der 50er Jahre. Diese europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl steht also am Anfang einer Entwicklung, die nunmehr in Frage gestellt wird. Nicht in Deutschland, aber es passt ins Bild, dass in Deutschland Ende des Jahres die letzte Steinkohlen-Zeche schließt. Was eigentlich mit den Römischen Verträgen nichts zu tun hat, es sei denn, man befürchtet das Ende dieser historischen Entwicklung Europas, die auf den Ruinen des Zweiten Weltkriegs begonnen hatte und nunmehr von Populisten bedroht wird. Die Rede ist hier nicht von Frankreich und Le Pen, auch nicht von Ungarn und Orban, sondern von Italien und dem Anführer der Lega, Matteo Salvini und der M5S unter der Führung von Luigi di Maio. Sie stehen an der Spitze einer Kampagne, die in der Spitze sogar vor Morddrohungen gegen den italienischen Präsidenten Sergio Mattarella nicht Halt macht, weil der sich geweigert hat, einen Minister für Wirtschaft und Finanzen, Paolo Savona, zu ernennen. Mattarella darf das als Präsident grundsätzlich, er hat das getan, weil Savona gegen Europa ist, sowohl gegen den Euro, aber mehr noch gegen die EU. Einer wie Mattarella kann das nicht wollen. Hier steht zuviel auf dem Spiel.
Der Präsident ist nicht allein auf dem Feld, er hat viel Ansehen in der Bevölkerung. Er mag nicht so charismatisch sein, aber er ist der Präsident aller Italiener, wenn diese Verallgemeinerung erlaubt ist. Er ist mehrfach Minister gewesen ist, sein Bruder Piersanti ist 1980 von der Mafia ermordet worden, als er Präsident der Region Sizilien war und von daher der Mafia im Weg. Piersantis Hauptziel war die Bekämpfung der Mafia und besonders wegen deren Verstrickung mit der Politik auch in den eigenen Reihen. Piersanti gehörte früher der Democrazia Cristiana an in einer Zeit, als der mehr als umstrittene Andreotti das Sagen hatte.
Inzwischen sind verschiedene Initiativen entstanden, um den Präsidenten und seine Rolle als Garanten der Konstitution zu verteidigen und unterstützen: auf der einen Seite handelt es sich um die online-Petition „Iostoconmattarella“, auf der anderen um die Demo, die die Demokratische Partei(PD) für den 1. Juni ausgerufen hat. Dahinter verbirgt sich die Sozialdemokratie mit dem Übergangschef Maurizio Martina, der die Führung der Partei übernahm, nachdem Matteo Renzi zurückgetreten war. Der Rückhalt der Sozialdemokraten schwindet aber seit längerem, in Umfragen liegt die PD deutlich unter 20 Prozent.
Solidarität mit Mattarella
Die Kampagne pro Mattarella ist vor wenigen Tagen gestartet worden und hatte schnell eine Viertelmillion Unterschriften gesammelt, quer durch die Bevölkerung und Schichten, von Turin bis Palermo wird Solidarität mit dem Präsidenten gefordert. Die Stimmen der Unterstützer des Präsidenten bleiben nicht nur gesichtslose Sympathisanten im Netz, sie gehen auch auf die Straße. Interessant die Auswahl des Datums der verschiedenen Demonstrationen. Die PD hat sich bewusst für den 1. Juni entschieden, während das Lager der Populisten am folgenden Tag aufmarschiert, und das nicht ohne Grund: am 2. Juni ist Nationalfeiertag in Italien, da wird die Republik gefeiert mit Fahnen. Da wird ein Kranz beim Denkmal für den unbekannten Soldaten- den Deutschen bekannt als Schreibmaschine- in der Piazza Venezia in Rom niedergelegt vom Präsidenten der Republik, Mattarella. Hinzu kommt eine Militärparade an den „Fori Imperiali“ entlang. Das perfekte Bühnenbild für Populisten, die das schamlos für ihre Zwecke ausnutzen. Ein für sie trefflicher Auftakt für ihre Kampagne, denn das Land ist auf den Beinen, es wird überall geflaggt, der Eindruck könnte entstehen, als sei das alles das Werk der Populisten.
Italien ist ohne Regierung, das muss in Deutschland niemanden verwundern, haben wir doch inzwischen ähnliche Erfahrungen mit langen Übergängen und einer Kanzlerin und Ministern, die ihre Ämter nur kommissarisch bekleideten. Aber Italien ist nun mal etwas anders, das große Land ist sehr wichtig für die Stabilität des alten Kontinents, es handelt sich um die viertgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union. Wenn hier etwas kippen sollte, könnten die Konsequenzen für das übrige Europa wie bei einem Dominospiel sein. In Italien wird es im Falle von Neuwahlen- und die werden in wenigen Monaten anstehen- um mehr gehen als eine neue Regierung. Es wird auch und vor allem um Pro und Contra Europa gehen. Die Verächter eines geeinten Europas haben bisher die Union nicht im Kern gefährden können, aber nach einem Referendum könnte sich das Bild dramatisch ändern.
Der Showdown läuft bereits. Die selbsterklärten Anwälte des Volkes- das machen ja die Populisten sehr gern- tun so, als ginge es darum, sich der Umklammerung durch Berlin zu entziehen. „Nie mehr Sklaven von Berlin“, heißt einer dieser üblen Slogans. Als würde Angela Merkel in Rom mitregieren! Ein Unsinn, der aber verfangen könnte. Sie selber halt sich fern von Polemiken, die als Einmischung in die nationale Politik Italiens gewertet werden könnte. Man müsse abwarten, hat sie gesagt, und schauen, welche Mehrheiten eine Wahl bringen und welche Regierung am Ende in Italien entstehen werde.
Die „Süddeutsche Zeitung“ überschreibt ihre Analyse zur Lage Italiens mit dem Titel: „Römische Frage“. Und niemand kennt die Antwort.
Bildquelle: Wikipedia, Von Unbekannt – Jastrow (2006), Gemeinfrei