„Niemand, den ich kenne, hat ein Amerika vorausgesehen, wie das, in dem wir heute leben,“ hat Philip Roth dem New-York-Times-Autor Charles McGrath im Januar dieses Jahres während eines längeren Gesprächs gesagt. „Niemand (außer vielleicht H. L. Mencken, der die amerikanische Demokratie bekanntermaßen als „die Anbetung von Schakalen durch Esel“ bezeichnete) hätte sich vorstellen können, dass die Katastrophe des 21. Jahrhunderts, die entwürdigendste Katastrophe der USA, nicht in der schrecklichen Gestalt eines orwellianischen großen Bruders auftreten würde, sondern in der beängstigend lächerlichen Commedia – dell` – Arte – Figur des prahlerischen Buffons.
Ziemlich genau vier Monate nach diesem intensiven Gespräch ist Philip Roth verstorben, der Mann, der in den letzten Jahren mehrfach von sich sagte, es sei erstaunlich, dass er immer noch da sei: „Wenn ich nachts ins Bett gehe, lächle ich und denke: „Ich habe einen weiteren Tag gelebt“. Ich bin sehr froh, dass ich noch lebe.“ Und nicht nur er war froh. Sein alter Kollege Louis Begly schrieb vor knapp 20 Jahren über diesen wunderbarenen Geschichtenerzähler unter anderem: „Philip Roth ist schlicht und einfach der größte Romancier, der heute in englischer Sprache schreibt.“ Als da wären seine Roosevelt – Biografie, VERSCHWÖRUNG GEGEN AMERIKA und NEMESIS.
Trump war für den Autor des AMERIKANISCHEN IDYLLS und des MENSCHLICHEN MAKELS „ein großer Betrüger, die üble Summe all` seiner eigenen Unzulänglichkeiten, frei von allem außer der leeren Ideologie eines Größenwahnsinnigen“. Der sei vollkommen ignorant „gegenüber unserer Regierungsform, der Geschichte, der Wissenschaft, Philosophie und Kunst, grobschlächtig in seiner Wortwahl mit einem Vokabular von 77 Wörtern“ .Der 1933 in Newark, New Jersey geborene kluge Mann hat natürlich viel mehr geschrieben und doch kam er erst spät zu literarischem Ruhm. Beigetragen haben für diese weltweite Öffentlichkeit zwei Preise: 2012 der Prinz – von – Asturien – Preis und ein Jahr später die Ernennung zum Oberbefehlshaber der französischen Legion d`Honneur.
Meine Lieblingsfigur ist Coleman Silk, Professor für klassische Literatur am Athena College in DER MENSCHLICHE MAKEL. Nachbar des Erzählers in einem kleinen Ort Neuenglands: „Im Sommer 1998 gestand mir mein Nachbar Coleman Silk,…..daß er, im Alter von 71 Jahren, eine Affäre mit einer vierunddreißigjährigen Putzfrau hatte, die in der Universität arbeitete.“ So beginnt dieser großartige Roman, der im Jahr 1998 spielt. Das ist das Jahr, in dem ein junger US – Präsident im Weißen Haus auf eine ehrgeizige Praktikantin trifft und die USA eine Erektion der Scheinheiligkeit erleben.
Roth hat in seinen Büchern so ziemlich alle Themen behandelt. Vietnam und den Prager Frühling. Die McCarthy – Ära, den Nahost – Konflikt. Doch den Grad an Wahnsinn und Unvorstellbarkeit der Realität vermochten auch sie nicht zu erreichen. Dennoch: Wir können von Philip Roth nicht genug lesen und wahrscheinlich haben wir auch noch lange nicht genug von ihm gelesen.
Bildquelle: flickr, Wolf Gang, Philip Roth: The Plot Against America, CC BY-SA 2.0