Radfahren, las ich kürzlich von irgendeinem Schlaumeier, werde gerade wieder entdeckt. Meine erste Reaktion war: Der Mann muss geschlafen haben. Denn Radfahren ist in, schon länger. Fahren Sie mal los, in Berlin, in München oder in Bonn und Umgebung, oder auch im Ruhrgebiet. Wir haben das gemacht, sind geradelt vor Jahren an der Ruhr, dann durch Berlin und den Grunewald, mit unseren ältesten Freunden an die Isar und gerade sind wir von einer kleinen Tour entlang des Rheins und der Sieg und durchs Pleis-Tal zurück nach Bonn-Kessenich, das ist unweit des ehemaligen Regierungsviertels. Wir waren leider nicht allein unterwegs, das schöne und nicht zu warme Sonnenwetter schien alle Radler-Fangruppen in die Natur gezogen zu haben, Junge wie Alte, Familien mit Kindern, mit Hunden und sogar mit einem Pferd, einige auf Rollerblades. Alle waren sie unterwegs, mit dem normalen Rad die wenigsten, mehr schon mit dem Rennrad und viele mit dem E-Bike. Der Platz auf den Wegen wird enger und enger, weil viele das Radfahren entdeckt haben. Der Autor der Wieder-Entdeckung des Rads hatte also doch ein bisschen Recht.
Aber es stimmt ja, Radfahren war nicht immer modern und nicht chic. Als wir Anfang der 70er Jahre ins Ruhrgebiet zogen, fuhr meine Frau mit dem Rad zum Einkaufen, wir machten Touren mit dem Rad durchs Revier, nach Gelsenkirchen zum Zoo oder nach Essen zum Baldeneysee. Aber einige PS-verliebte Ruhris schauten aus ihren Blechkisten schon etwas abschätzig auf uns Radler. Man fuhr damals im Revier nicht Fahrrad, wer etwas sein wollte, hatte ein Auto, wer mehr sein wollte, ließ es aufmotzen. Manta-Ei, das gab es wirklich.
Und ganz früher hatten die wenigsten ein Auto, aber viele ein Rad. Mein Vater hatte keinen Führerschein, also auch kein Auto, das war Anfang der 50er Jahre. Er fuhr mit dem Rad, einem uralten Drahtesel, ohne Gangschaltung. Mein Schwiegervater in Bayern, ein Lehrer, fuhr mit dem Rad zur Schule, das waren nur ein paar Kilometer. Es hieß, er sei der einzige radelnde Rektor im Landkreis gewesen. Er hat unseren Kindern des Radfahren beigebracht und Kinderräder organisiert, wenn wir in der Nähe von Reichenhall Urlaub machten. Das Rad war eines unserer wichtigsten Fortbewegungsmittel.
Ersatz für andere Sportarten
Gerade in Corona-Zeiten wie diesen ist Radfahren mindestens der Ersatz für andere Sportarten, die man seit Wochen nicht betreiben darf, weil Sportplätze und Hallen geschlossen sind, kein Tennis, keine Leichtathletik für das Sportabzeichen, kein Fußball. Ja natürlich darf man joggen, sollte es aber möglichst allein tun, nicht in einer Gruppe. Aber abgesehen von gesundheitlichen Risiken-man denke an Kniee, Gelenke-, der Radius für Läufer ist nun begrenzt, selbst der Extrem-Jogger kommt nach ein paar Kilometern ans Ende seiner Möglichkeiten. Ich habs gemacht, viele Jahre. Jetzt in Bonn ziehe ich das Rad vor. Das heißt, seit zwei Jahren haben wir ein E-Bike. Und radeln ist nicht nur gesund, es ist erlaubt, aber auch hier gilt: Abstand ist Anstand, man möchte es manchmal einem Radler entgegenrufen, wenn er einem zu nah auf die Pelle rückt, oder wenn zwei nebeneinander fahren und meinen, der Radweg über den Rhein gehört ihnen allein.
Radfahren kann im Grunde ein jeder, wenn er mal gelernt hat, das Gleichgewicht zu halten. Wenn nicht, sollte er es besser lassen oder üben. Ohne Balance würde ich es niemandem raten. Das gilt umso mehr für das E-Bike. Es sieht flott aus, wenn man so mit Tempo 25 km/h dahinrollt, aber Vorsicht: das E-Bike wiegt rund 25 Kilo, ist also viel schwerer, auch und gerade in Kurven etwas schwieriger zu handhaben, zumal wenn man schneller ist als mit einem Normalrad. 25 Kilo, die müssen erst mal bewegt, notfalls gehoben werden, wenn man das Gerät im Haus geparkt hat und nicht in einer ebenerdigen Garage. Und Vorsicht mit dem Tempo: 20 bis 25 km/h sind für Normalradler eine ziemliche Geschwindigkeit, die aber auch andere Biker draufhaben. Gut zu beobachten, dass mehr und mehr Radler und Biker sowieso Helme tragen. Denn Stürze sind nicht ohne.
Klingeln wäre hilfreich
Neben den Bikern und Normal-Radlern sind da noch die Renn-Radler, die viel schneller unterwegs sind. Neulich fuhr ich am Rhein entlang von Bonn nach Bad Honnef. Ich fuhr fast Höchstgeschwindigkeit, etwa Tempo 27km/h, schneller geht es kaum, weil der Motor abgeriegelt ist. Aber dann flog ein Rennradler an mir vorbei, locker mit über 30 km/h. Hin und wieder wünschte man sich, dass diese zumeist jüngeren Renner klingeln würden, damit man hört, wenn sie heran- und vorbeirauschen. Klingeln wäre hilfreich, dann könnte man noch etwas Platz machen.
Radfahren kann jeder, mit Kind und Kegel kann man losradeln, alle Bevölkerungsschichten. Es ist möglich für alle Altersgruppen, man kann bis ins hohe Alter radeln, wenn man einigermaßen fit ist. Auch nach einem Herzinfarkt muss man mit dem Sport nicht aufhören, der Kardiologe wird in der Regel Sport empfehlen, man sollte es aber dann zunächst langsam angehen und dann Zug um Zug steigern. Und wem Fahrten in die Höhe, also auf den Venusberg zum Beispiel, zu schwierig sind, kauft sich halt ein E-.Bike. Kosten rund 2000 Euro. Damit kommen Sie, je nachdem wie Sie sich selbst ins Zeug legen, 60 Kilometer und weiter. Das Aufladen des Akkus dauert ein paar Stunden.
Radfahren schont die Umwelt, diese Diskussion kommt ja wegen Corona zu kurz, was aber nicht heißt, dass das Thema Umweltbelastung gelöst sei. Sie können mit dem Rad zur Arbeit fahren. Es ist Training, es kann ein Naturerlebnis sein, wenn man am Rhein entlang radelt, was viele Arbeitnehmer und Studenten täglich tun, es ist entspannend, wenn man nach der Arbeit locker nach Hause fährt, ohne den Lärm des Autoverkehrs, den Gestang von Benzin und Diesel. Mit E-Bikes und Anhängern-es geht auch mit dem normalen Rad-kann man Kinder in die Schule oder zur Kita fahren, es muss nicht im SUV sein. Ja, man kann sogar den Kasten Bier mit E-Bike transportieren, wenn man ein Bike mit einem Karren davor hat. Vielleicht nehmen wir unsere E-Bikes mit in den Urlaub, wenn denn in diesem Jahr Urlaub zumindest in Deutschland wieder erlaubt sein wird.
Faszination Fahrrad: So der Titel im Berliner Tagesspiegel. Man kann in der Tat mit dem Rad fast alles erledigen und fast jeden Punkt erreichen, wenn man genügend Zeit dazu hat und sich diese Zeit nimmt.
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