Vorab gleich ein Eingeständnis: Vielleicht habe ich keine Berechtigung, meine Meinung öffentlich kundzutun. Denn ich bin ein „alter weißer Mann“, journalistisch sozialisiert, als noch keine unerbittliche Sprach-Polizei den Verkehr auf der Mainstreet der Meinungen kontrollierte und Verstöße gnadenlos ahndete. Und trotzdem schreibe ich jetzt – zum orkanartigen Shitstorm, der einen bislang untadligen, erfolgreichen, intelligenten Fernseh-Mann umwerfen soll: Steffen Hallaschka, bekannt unter anderem als Moderator und Talkmaster von „sternTV“ – und das alles wegen einer einzigen Sendung kurz vor Mitternacht in einem Dritten Programm, die man vielleicht missglückt nennen kann. Gleich das nächste Geständnis: Ich persönlich fand diese Sendung nicht so schlimm, als dass sie das rechtfertigen könnte, was man jetzt einen Vernichtungsfeldzug nennen muss.
Zur Vorgeschichte: Seit langem lud Hallaschka unterschiedlichste Prominente – schrille, seriöse, Plappermäuler, Intellektuelle – zu einer Art Stammtisch ins berühmte Schmidt-Theater auf St. Pauli. „Die letzte Instanz“ – immer ausverkauft, immer unterhaltsam, oft zum Brüllen komisch, mitunter grenzverletzend, nie langweilig und immer – nur so konnte es funktionieren – OHNE Fernsehkamera. Nachkarten ging nicht; deshalb redete manche(r) so drauflos, wie es sie/ihn in einer öffentlich-rechtlichen Talkrunde vielleicht den Kopf gekostet hätte.
Und dann der System-Fehler: Hallaschka und der WDR versuchten das politisch gnadenlos-unkorrekte Format ins Fernsehen, Drittes Programm, zu hieven. Da war’s nie mehr so kantig oder garstig, war eben öffentlich-rechtliches Fernsehen und fiel nicht sonderlich auf. Bis jetzt – und das auch erst bei einer Wiederholung. Schon im vergangenen Jahr ließ Hallaschka die Frage diskutieren, ob man eine bestimmte pikante Sauce überhaupt noch „Zigeunersauce“ nennen dürfe, und wenn nicht, warum nicht. Die Diskutanten – darunter der erwiesenermaßen hoch intelligente und geistreiche Autor Micky Beisenherz, Show-Veteran Thomas Gottschalk und die Schauspielerin Janine Kunze – fanden das mit der „Zigeunersauce“ nicht so schlimm, machten teilweise ihre Witzchen. Hallaschka verwies sie nicht mit Abschaum und Empörung des Raumes. Nach der Erstaustrahlung im November blieb alles ruhig. Erst jetzt nach mitternächtlicher Wiederholung war der Skandal da, brach der Shitstorm los. Tausende Kommentare auf Instagram und Facebook. Aus einer lustig gemeinten Plauderei über eine offensichtlich unaussprechliche Sauce, war ein schweres Systemversagen und eine gewollte rassistische Beleidigung diskriminierter Minderheiten geworden. Der Stammtisch der Gutmenschen saß über die politisch und sprachlich unkorrekten Sünder im TV-Studio zu Gericht. Da nahm dann gleich auch die chronisch erfolglose SPD-Chefin Saskia Esken Platz und plusterte sich voller Empörung auf, ebenso zahlreiche Journalisten-Kolleg*innen. Die taz zog das Ganze ins Grundsätzliche: „Das war kein Unfall“, sondern natürlich viel mehr und viel schlimmer. Auf Zeit-online pöbelte Matthias Dell seinen Fernseh-Kollegen an und machte ihn als „sonst recht erfolgreich dumm tuenden Hallaschka“ nieder. Den moralischen Scharfrichter gab der bekannte Autor Michel Abollahi auf „Stern online“: „Eine Entschuldigung reicht nicht mehr aus“. Dann allerdings stellte er ziemlich ungeniert seinen Neid zur Schau, dass es Hallaschka gelungen war, mit seinem Programm ins Fernsehen zu kommen, er, Abdollahi, aber seinen eigenen Vorschlag nicht platzieren konnte: „Wie oft habe ich das … dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeboten….. Abgelehnt. Uninteressant. Irrelevant.“
Die Armada der Gutmenschen hat auf ganzer Linie gesiegt: Der WDR entschuldigte sich öffentlich für die Z-Saucen-Sendung. Damit stellte er Hallaschka und Gäste in den Regen, obwohl er doch selbst diese Sendung gleich zweimal ins Programm gehoben hatte. Offenkundig völlig verschreckt warfen sich auch die Talk-Gäste Beisenherz und Kunze in den Staub und fanden gar nicht mehr gut, was sie in der Sendung von sich gegeben hatten. Und sogar Steffen Hallaschka schien mit den Nerven dermaßen am Ende, dass er in einem Statement Bedauern äußerte. Die Lehre, die man aus alldem ziehen könnte: Sinnentleertes Trallala à la Mross und Silbereisen ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erlaubt, und zwar stundenlang und immer wieder, und das auch noch sehr teuer. Talkshows mit immer denselben Gästen zu immer denselben Themen auch, dazu Krimis und dann noch „Rote Rosen“ oder „Sturm der Liebe“ in endlosen Folgen. Aber äußerste Vorsicht ist geboten bei Formaten, bei denen auch mal was daneben gehen könnte. Bloß kein Risiko !
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Lieber Chrisoph,
Deine Wut wärmt meine Seele.
Werner, herzliche Grüße auch von Julia