Die Republik diskutiert über Armut. Endlich, ist hinzuzufügen, nach unzähligen Armutsberichten, die regelmäßig auf allen Ebenen vorgelegt werden. Das Problem in Statistiken gefasst, gebündelt, ist schnell beiseite gelegt. Die Zahlen haben die politisch Verantwortlichen nicht gerührt; auch die Warnungen vor der sozialen Spaltung nicht und vor dem gesellschaftlichen Unfrieden, der daraus erwächst. Ebensowenig die oft wiederholten Appelle der Wohlfahrtsverbände, die Hartz-IV-Sätze anzuheben und das Unwesen der Sanktionen zu stoppen, das die Bezüge unter das definierte Existenzminimum senkt.
Armut gibt es nicht, sagt nun ein Minister im neuen Bundeskabinett, und spricht damit aus, was die Untätigkeit der vorherigen Bundesregierungen erklärt. Eine maßlose Ignoranz gegenüber der gesellschaftlichen Wirklichkeit, eine sträfliche Verweigerung der politischen Verantwortung. Die Würde des Menschen ist unantastbar, steht im ersten Artikel unseres Grundgesetzes. Millionen Menschen werden ihrer Würde beraubt.
Armut schändet nicht; aber es ist eine Schande, wenn in einem reichen Land Menschen unverschuldet und ausweglos in die Armutsfalle geraten, wenn sie keinen Weg herausfinden, wenn sie nie eine Chance hatten. Ebenso wie die großen Vermögen wird auch die bittere Armut vererbt; das Aufstiegsversprechen an die folgende Generation gilt nicht mehr. Kinder aus armen Verhältnissen haben in unserem Bildungssystem messbar schlechtere Erfolgsaussichten. Unter den Bedingungen von Hartz IV aufzuwachsen, raubt Lebensmut und Perspektiven.
Die Tafeln, deren Bewegung bereits vor 25 Jahren begann, sind beileibe nicht die einzige Institution, die Bedürftigkeit signalisiert. Aber sie sind, ursprünglich als Instrument gegen die Lebensmittelverschwendung gegründet, die allerorts sichtbare. In inzwischen wohl jeder Stadt zeigen sie Überfluss und Not, Menschenschlangen warten auf Almosen vom Tisch der Satten. Kleiderkammern, Wärmestuben, Suppenküchen, Winterquartiere für Obdachlose: Armut ist nicht wegzuleugnen.
In der neuen Bundesregierung geschieht genau das. Der CDU-Rechte Jens Spahn entblößt mit seiner Aussage die kalte Ausblendung einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, die längst Handeln des Staates erfordert hätte. Initiativen wie die Tafeln sind Reparaturbetriebe, ebenso wie Projekte von Diakonie und Caritas, Arbeiterwohlfahrt, dem Paritätischen, dem Kinderschutzbund und vielen anderen mehr.
Endlich reden wir darüber, nur die SPD schweigt. Die Partei der kleinen Leute, Anwältin der Schwachen, Streiterin für soziale Gerechtigkeit, sie hat sich schon wieder so stramm in die Koalitionsdisziplin gefügt, dass sie es mit dem Hinweis bewenden lässt, der Spahn habe das ja nicht so gemeint und bedaure seine Worte gewiss schon. Ach, ja, so sieht also der Neuanfang aus…
Bildquelle: pixabay, user geralt, CC0 Creative Commons
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