Nur noch ein paar Tage und dann hat die SPD ein neues Führungsduo. Ob es Walter Borjans mit Saskia Esken oder das Duo Scholz/Geywitz werden, das haben die 425 000 Sozialdemokraten zu entscheiden.
Diese Wahl ist trotz aller journalistischen Unkenrufe auch eine Chance für die SPD. Einmal könnte sie wieder zur inhaltlichen Gestaltung ihrer Politikfelder zurückkehren und mit neuer Führungsstärke von der auf dem letzten CDU-Parteitag programmierten Schwäche der Union profitieren und zum anderen neben ihrer erkennbaren Schwäche im Bund auch ihre katastrophale Lage in den Ländern angehen. Um es klar zu sagen. Dazu ist nur das Duo Scholz/Geywitz in der Lage.
Koalitionsausstieg als Allheilmittel, wie es Borjans/Esken verkünden, und Verzicht auf einen eigenen Kanzlerkandidaten, wobei sich die Hinterbänklerin Esken dieses Amt jetzt durchaus zutraut, um so in anstehenden Neuwahlen glorreiche Siege zu feiern. Wie soll das gut gehen? Borjans wird gestützt vom Landesverband Nordrhein-Westfalen, der unter seinem Landesvorsitzenden Sebastian Hartmann, einem farblosen Verlegenheitspolitiker aus den hinteren Reihen der Bundestagsfraktion, zunehmend in die Bedeutungslosigkeit geführt wird. Außerdem legen sich die Jusos für die beiden mächtig ins Zeug, deren Vorsitzender Kühnert zwar wortgewaltig durchs Land zieht, aber außer auf Rauch und Lärm auf nichts als auf ein abgebrochenes Studium und eine mäßige Berliner Funktionärskarriere verweisen kann. Ein Jugendfunktionär, der sich öffentlich schämte als Andrea Nahles als Parteivorsitzende abtrat und dabei selbst kräftig an ihrem Sturz mitgewirkt hatte. Jetzt peilt er auch noch einen Platz im Parteivorstand an. Scheinheiligkeit als Karrierebeschleuniger. Aus Bayern, wo die SPD bei der letzten Landtagswahl einstellig davon kam, will die Landesvorsitzende Natascha Kohnen nicht mehr für den Bundesvorstand kandidieren um dem Juso-Vorsitzenden Platz zu machen. Wer solche Parteifreunde hat, den fürchtet kein politischer Konkurrent.
Und Saskia Eskens Landesverband Baden-Württemberg ist sozialdemokratisches Niemandsland geworden. Von nachhaltigem Wirken ihrerseits dort und in Berlin ist nichts bekannt. Außer jetzt lässt sie aufhorchen als Gegnerin und nicht als Konkurrentin ihrer Mitbewerber. Sie macht unsolidarisch und lauthals fast alles nieder, was ihre Partei in der Großen Koalition erreicht hat. Da muss die Opposition nur fleißig Zitate sammeln und im nächsten Wahlkampf präsentieren. Und – Norbert Walter Borjans, den ich 40 Jahre journalistisch begleitet habe, ist ein netter Kerl, der sicherlich als Landes-Finanzminister seine Meriten bei der Jagd auf Steuersünder erworben hat, der aber auch mit Haushalten vor dem Landesverfassungsgericht scheiterte und für den Empathie, wie sie von einer Führung auch erwartet werden darf, ein Fremdwort ist. Borjans verweist gerne auf seine Mitarbeit bei Johannes Rau, der große Wahlsiege in NRW für die SPD einfuhr. Doch dafür waren ehrlich gesagt andere zuständig als ein stellvertretender Regierungssprecher.
Olaf Scholz hat als Generalsekretär, Arbeitsminister oder Hamburger Bürgermeister gute Politik gemacht, Führungsfähigkeit bewiesen und Mehrheiten für die SPD geholt. Klara Geywitz wirkt auch im Vergleich zu Saskia Esken nicht verbissen sondern offen, klar und konsequent. Schließlich trat sie als Brandenburger SPD-Generalsekretärin von ihrem Amt zurück als Ministerpräsident Woidke ohne Absprache mit ihr eine Gebietsreform absagte. Sie genießt in diesem Bundesland hohes Ansehen und zwar nicht nur bei Parteifreunden. Charaktereigenschaften zeigen sich vor allem auch dann, wenn Niederlagen verkraftet werden müssen.
Die Sozialdemokraten müssen nun entscheiden, wem sie den Reformprozess zutrauen, wer die Kompetenz und Führungsqualitäten hat und sei es nur für eine längere Übergangsperiode die SPD wieder aus dem Stimmungs- und Stimmentief zu führen. Neinsager sollten es nicht sein. Zum Gestalten gehört auch ein Ja zur Verantwortung. Die SPD steht am Scheideweg zwischen Sein und Nichtsein.
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'SPD am Scheideweg' hat einen Kommentar
25. November 2019 @ 22:02 Kai Ruhsert
> Olaf Scholz hat als Generalsekretär, Arbeitsminister oder Hamburger Bürgermeister gute Politik gemacht, Führungsfähigkeit bewiesen und Mehrheiten für die SPD geholt.
Ach Du meine Güte! Lässt sich das auch ohne eine Verschwörungstheorie erklären?
Eine Reihe von Publizisten scheint wild entschlossen zu sein, diese Partei ganz und gar auszuradieren. In Thüringen hat die SPD zuletzt 8,2 % geholt und in Sachsen 7,7 %. In Baden-Württemberg waren es auch nur noch 12,7 %.
Und dann lautet Ihr Rat allen Ernstes: „Weiter wie bisher“?