Verblüfft verfolgte rund ein Dutzend Journalisten am Montag im Willy-Brandt-Haus in Berlin den Bericht des SPD-Führungsduos Andrea Nahles und Lars Klingbeil über die Sitzung des SPD-Parteivorstandes zum Ergebnis der Wahlen in Hessen. Was immer die versammelte Runde im zweiten Stockwerk des Willy-Brandt-Hauses zuvor in den viereinhalb Stunden Palaver über die Gründe nach Bayern-Debakel und Hessen-Desaster angemerkt hat, beiden fiel es sichtlich schwer zusammenzufassen, was das Ergebnis der Grübelei über die Gründe des Abschieds so vieler Wähler/innen von der SPD ergeben und künftig besser gemacht werden müsste.
Erneut wurde an den Fahrplan bis zur Revisionsklausel, Mitte der Legislaturperiode, erinnert. Die Stationen des Fahrplans aber, an denen festgemacht werden könnte, was, wann, zu welchem Zeitpunkt von der Koalition verabschiedet werden soll, blieb im vagen stecken. Zuvor wolle sich der SPD-Vorstand nächstes Wochenende Klarheit darüber verschaffen, ob sich die SPD-Führung einig sei, wie Kinderarmut bekämpft, Pflege oder das Kita-Gesetz aussehen solle, der Investitionsstau überwunden und der Klimaschutz angepackt werden müsse. Auch Europa wurde erwähnt und der von Manuel Macron vorgeschlagene Stabilitätsfonds zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und wie sich die SPD dazu stelle.
Das und warum die Grünen offenbar stellvertretend für die Sozialdemokraten die Avantgarde der Vernunft und Solidarität stellen, blieb unerwähnt und unerkannt. Es ist immer noch die Mehrheit in Deutschland, die sich nicht „fremd fühlt, im eigenen Land“, wenn erkennbar ein Ausländer auf der Straße entgegen kommt. Alle Umfragen weisen aus, dass 60 Prozent im Land für ein humanes Miteinander stehen und denen die „Grünen“ eine starke Stimme geben. Wer dies von der SPD erhofft hätte, wurde leider immer wieder enttäuscht. Das gilt auch für die Auseinandersetzung um den Klimawandel, der für die Genossin Nahles offenbar ein politischer Anspruch ist, der in den großbürgerlichen Vierteln der Städte gedeiht, bei denen die sozialen Folgen angeblich keine Rolle spielen, während es den Sozialdemokraten, so Nahles, um die Menschen gehe. Auch der SPD ging es vor gar nicht langer Zeit unter der Ägide von Erhard Eppler um „Versöhnung von Arbeit und Umwelt“, um die Menschen also. Wer das aber trennt, der schadet allen. Nur zur Erinnerung: der Weltklimarat legte gerade einen Bricht vor, in dem die Grenze für die Erwärmung des Planeten auf 1.5 Grad Celsíus festgelegt und das bei größter Anstrengung auch ein erreichbares Ziel sei. Der Unterschied zu zwei Grad Erwärmung seien voraussichtlich 100 Millionen Flüchtlinge mehr, auf dem Weg zur Nordhälfte des Planeten.
Dazu kein Wort von Nahles/Klingbeil auf ihrer Pressekonferenz. Auch zum Einzug der AfD in den hessischen Landtag ebenfalls beredtes Schweigen. Auch keine Einsicht, ob es da einen Zusammenhang geben könnte, zwischen der sichtbaren Mutlosigkeit, sich der großen Themen anzunehmen und Lösungen anzubieten, die es den Konzernen und den Wirtschaftseliten versagte, weiter die Richtlinien der Politik zu bestimmen. Von Dieselgate und der halben Million Menschen, die 2017 in Europa an Luftverschmutzung durch Feinstaub und Stickoxide starben, wie der akutelle Bericht der Weltgesundheitsorganisation aussagt, bis zur kriminellen Energie in den Chefetagen der Banken, die sich weiter rekordverdächtige Boni auszahlen, auch am Montag nach der zweiten Niederlage kein Wort. Eine Pressekonferenz ohne wirkliche Botschaften. Wieder einmal eine verpasste Chance.
Bildquelle: Rawife via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
'SPD nach Hessen' hat keine Kommentare
Als erste/r kommentieren