Niemand soll mir nachsagen, ich würde nur das Negative sehen. Denen würde ich mit dem berühmte Götz-Zitat entgegnen – nicht das woran sie jetzt denken – : „ Wo viel Licht ist, ist starker Schatten!“ (Götz v. Berlichingen, 1. Akt Jagsthausen Götzens Burg/ J. v. Goethe) Gemessen am derzeitigen Schatten muss die CSU über ziemlich viel Licht verfügen.
Deshalb gleich am Anfang das Positive des 14. Oktobers: So glänzt zum Beispiel die Erkenntnis, dass die CSU unter den Schwachen noch immer die Stärkste ist – selbst im europäischen Vergleich. Oder, dass die CSU immerhin besser abgeschnitten hat (+4,2 Prozent!), als ihr alle Umfragen voraussagten. Bei Kursstürzen an der Börse würde man von einer „Bodenbildung“ sprechen. Oder, dass die CSU mit Hilfe der Wähler, die noch einmal frei nach Willy Brandt ihr Herz über die Hürde warfen, eine strategische Position erreichen konnte, bei der sich im Bayerischen Landtag keine Mehrheit gegen sie rechnet – außer mit Hilfe der allseits verpönten AfD.
Das Ergebnis dieser Analyse könnte also lauten: Mit zwei blauen Augen davon gekommen – Es war noch ein Glück im Unglück! Nur schrieb Friedrich Torberg in seinem unübertroffenen Anekdoten-Büchlein „Die Tante Jolesch“ so treffend: „Der liebe Gott soll uns bewahren vor allem, was noch ein Glück ist!“
Soweit so Gut? Diese Erkenntnis des Positiven im Negativen darf nicht von den hausgemachten Ursachen des gestrigen 68-Jahres-Tiefs bei Landtagswahlen ablenken. Die Wählerwanderungen zeigen: Die CSU hat an Grüne, Freie Wähler, FDP und AfD Wählerstimmen verloren. Der Schluss wäre fatal, man müsse die rechte Kante noch mehr nachschleifen und die CSU endgültig als „Mitte-Rechts-Partei“ positionieren, wie es Alexander Dobrindt und Horst Seehofer nach der letzten Wahlpleite von 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl für die CSU in Bayern ohne Erfolg versuchten. So viele Stimmen wie sie in der bürgerlichen Mitte verlöre, könnte sie gar nicht rechts zurückgewinnen.
Leider hatte man sich vor einem Jahr keiner gründlichen Analyse des Bundestagswahlergebnisses gestellt und sich mit der einfachen Antwort zufrieden gegeben, dass „Merkel an allem Schuld sei“ und man nur die „rechte –Flanke schließen“ müsse. Warum man nach dieser schlechten Erfahrung wieder die Konfrontation in Sachen Flüchtlingspolitik „H.S. „Die Mutter aller politischen Probleme“!) suchte und fand, bleibt ein Mysterium. Zum Trost: Alle Menschen machen Fehler. Nur, sollte man zum eigenen Wohl nicht immer denselben Fehler machen.
Die Wählerwanderungen zeigen, dass die Volkspartei CSU nicht mehr auf festem Boden steht sondern auf Treibsand. Die Bindungswirkung von einst ist verloren gegangen. Die früher einmal innigen Verbindungen zu kirchlichen Kreisen, zu Kirchenvorständen, KAB, BDKJ und anderen sind heute weitgehend einer distanzierten Neutralität gewichen. Die Zeiten in denen CSU-Ortsvorstände personell von Kirchen- und Vereinsvorständen geprägt waren, sind vorbei. Die Bindungswirkung der Volkspartei hatte die CSU früher immunisiert. Für den Rest sorgte die Maxime des legendären CSU-Chefs Franz Josef Strauß: Die Mandats- und Amtsträger seiner Partei sollten sich gefälligst in der „Weißbier- und Leberkäs-Etage rumtreiben und nicht in der „Champagner- und Kaviar-Etage“
Offensichtlich hat die CSU nicht verstanden, wie die Vorstellung der modernen bürgerlichen Gesellschaft aussieht, wo sie angesprochen werden kann und wo nicht. Die Erosion der Wählerbasis hat dazu geführt, dass der CSU bei jeder falschen Bewegung Wählerstimmen wie Sand auf einer Düne davonrieseln.
Ausweislich der Wahlergebnisse haben sich die bayerischen Städte München, Nürnberg, Augsburg, Würzburg und Regensburg zu einer besonderen, politisch grünen Problemzone für die Partei entwickelt. In diesen Kommunen und um sie herum lebt ein beachtlicher Teil der Wähler. Wie sie ticken hat die CSU offenbar nur unzureichend verstanden. Die Frage welche Erwartungen die Menschen dort an die Politik haben, was sie umtreibt und was nicht, ist offensichtlich nur unzureichend von der CSU zur Kenntnis genommen worden.
Edmund Stoiber, einer der beiden Ehrenvorsitzenden der CSU, hatte kurz vor der Wahl die These aufgestellt, dass seine Partei das Opfer des eigenen Erfolges sei. Es seien so viele „Deutsche“ der Berufschancen wegen nach Bayern gezogen, die anders als die Einheimischen mit der CSU fremdeln. Hier irrt Markus Söders politischer Ziehvater. Er müsste es eigentlich wissen. Dankbarkeit für das Erreichte ist in keine politische Kategorie. Sie zahlt keine Zinsen oder Dividenden. Der Wähler verhält sich so wie der Kaufmann in Thomas Manns Roman „Buddenbrocks: Der Verfall einer Familie“. Für „Gewesenes“ gibt er nix! Auch der Wähler investiert nur in die Zukunft.
Fazit: Der Nimbus der CSU ist stark lädiert. Die Reparatur ist schwierig und langwierig.
Bildquelle: Wikipedia, Ralf Schulze, CC BY 2.0
Erstveröffentlichung 15.10.2018 auf dem Blog von Peter Hausmann Hausmannskoste