Die Casting-Show der SPD geht in die Endrunde. Völlig offen ist, welches Genossen-Paar die Nase vorn haben wird. Wer auch immer in den Vorsitz der Partei gewählt wird, die Herausforderungen, die zu bewältigen sein werden, sind enorm. Nur noch wenige Sozialdemokraten können derzeit erkennen, wofür ihre einst so stolze und starke Partei überhaupt noch steht. Mit Klassenkampf, Neidparolen und Sozialismus alter Prägung ist kein Staat zu machen. Denn die Linke grast mit ihren Parolen dieses Klientel von Wählern intensiv ab. Noch stärker ist die Konkurrenz der Grünen, die vor allem auf staatliche Bevormundung, Regulierung und Verbote für den Klima- wie Umweltschutz pocht.
Die Schwindsucht der SPD
Mit rund 15 % ist die SPD inzwischen im Keller der Noch-Wähler gelandet. Der Weg aus diesem bundesweiten Tief wird schwierig, vielleicht unmöglich. Denn in einigen Bundesländern erreichen die Sozialdemokraten nicht einmal mehr die Marke von 10 %. Es bedarf einer Arbeit aus einer Mischung von Herkules und Sisyphus, um einen Weg aus dieser Misere zu finden. Vor allem braucht es größte Geduld der Genossen für den erneuten Aufbruch. Die bitteren Erfahrungen, die in den letzten Jahren mit immer neuen Vorsitzenden der SPD gemacht wurden, signalisieren nicht die Zuversicht, dass der nächste Paarlauf auf jeden Fall besser wird. Möglicherweise wird es die letzte Chance werden, diese Volkspartei noch zu retten und zu stabilisieren.
Herzrhythmusstörungen der CDU
Ungeduld herrscht auch in der CDU. Der Abschmelzungsprozess bei der Wählerschaft sorgt auch hier für eine große Unruhe. Bundesweit rangiert die Union mit 25 bis 27 % zwar noch auf dem ersten Tabellenplatz, dicht gefolgt von den Grünen mit 21 bis 23 % und der AfD mit 15 bis 17 %. Die jüngsten Wahlergebnisse fielen für die CDU in Brandenburg desaströs und in Sachsen enttäuschend aus, auch wenn in Dresden der Ministerpräsident mit einer Koalition aus CDU, Grünen und SPD weiter regieren kann. In Thüringen, wo am 27. Oktober gewählt wird, droht der CDU ein weiterer Absturz, obwohl der CDU-Kandidat Mike Mohring einen hervorragenden Wahlkampf führt. Gegen die Linkspartei mit dem derzeitigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der sich gut-bürgerlich gibt, tut er sich indessen schwer. Und die AfD findet trotz Höcke und anderer Nationalisten viele Frust- und Protestwähler, obwohl sich der Freistaat wirtschaftlich sehr gut entwickelt hat.
AKK mit schwacher Popularität
In der CDU rumort es – vor allem gegen die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Nach ihrer Wahl an die Parteispitze haben die Unionschristen einen neuen Aufbruch erwartet. Doch die Wirkung einiger Zuhörtouren und Fachsymposien im Adenauer-Haus verpuffte rasch. Einige öffentliche Auftritte von AKK waren eher verunglückt denn überzeugend. Ihre Popularitätswerte sind keineswegs gut; AKK rangiert sogar noch hinter Peter Altmaier, Horst Seehofer, Olaf Scholz und Robert Habeck, vor allem auch hinter Jens Spahn und mir riesigem Abstand hinter Angela Merkel. Gerade einmal 18 % der Bürger glauben derzeit, dass sie eine gute Bundeskanzlerin wäre; damit liegt sie hinter Habeck, Scholz, Laschet und Söder.
Die Übernahme des Verteidigungsministeriums durch AKK war bislang jedenfalls kein positives Signal für das Wahlvolk, wohl auch nicht für ihre Parteimitglieder. Nicht wenige halten sie für überfordert, zum einen die Bundespartei zu neuen Erfolgen zu führen, zum anderen die riesigen Probleme des Verteidigungsressorts zu lösen. Hinzu kommt der Eindruck, dass das Zusammenwirken von AKK und der Bundeskanzlerin nicht in größter Harmonie stattfindet. Während Merkels Team im Kanzleramt die Chefin in gutes Licht rückt, sucht die AKK-Mannschaft im Adenauer-Haus offenbar immer noch den Stromschalter. So werden Defizite an Ausstrahlung, Charisma und Empathie, vor allem auch an klaren politischen Botschaften deutlich. Der wiederholte Hinweis auf das neue Grundsatzprogramm der CDU ist nur ein schwacher Trost für notwendige Aussagen darüber, für welche Werte die Union noch steht, welche Meilensteine sie auf dem Zukunftskurs in einer sich wandelnden Welt der Digitalisierung und Globalisierung setzt, wie sie die großen demografischen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die sozialen Systeme meistern will.
Unruhige Basis der CDU
Bislang suchen AKK als Parteivorsitzende und ihr Generalsekretär auch nicht das offene Gespräch mit Gruppen wie die Werteunion oder den Berliner Kreis; um mit voller Geschlossenheit nach außen aufzutreten, wäre dies zu empfehlen. Eine gewisse Unruhe herrscht auch an der Front der Jungen Union. Einige JU-Landesverbände fordern, dass alle Parteimitglieder über die nächste Kanzlerkandidatur und/ oder den Parteivorsitz abstimmen sollen. Die Basis könnte so mobilisiert und motiviert werden, die Methode des „Weiter so wie bisher“ beendet werden. Ende dieser Woche werden einige der Unionsgranden auf der Bühne der JU auflaufen: Neben AKK werden Friedrich Merz, Jens Spahn, Armin Laschet und Markus Söder sich den Jungunionisten präsentieren. Diese Casting-Show könnte eine Diskussion darüber in Gang setzen, wer 2021 für das Kanzleramt kandidieren sollte. Jens Spahn, der Ende 2018 bei der Parteivorsitzendenwahl einen großen Achtungserfolg erzielte, dürfte die JU-Mitglieder für sich nachhaltig begeistern. Auch Armin Laschet, der NRW-Ministerpräsident, hat bundesweit an Profil und Ansehen gewonnen; er ist inzwischen ein politisches Schwergewicht, dem die CDU-Basis den gewiss stolperfreien Spagat zwischen Konservativen Werten und progressiver Politik – auch auf der Berliner Politbühne – zutraut. Ruhige Zeiten wird es bis zur nächsten Bundestagswahl, wann auch immer sie stattfinden wird, in der Union ebenso wenig wie in der SPD geben.
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