Corona und die Sache mit der Weltverschwörung, diese Verbindung musste einfach kommen. Keiner konnte diese Pandemie vorausahnen, was schon schlimm genug ist, selbst die hochkäritigen Virologen der Charité in Berlin verbreiteten immer wieder Unsicherheiten, schlimmer noch, sie gaben sogar zu, dass ihr Wissensstand über dieses Mysterium, genannt Corona, stets „Stand jetzt“ bedeutet und sie fügten noch hinzu, schon am nächsten Tag könnte es so weit sein, dass sie ihre Kenntnis ändern müssten, weil sie Neues über das Virus gelernt hätten. Dass in so einer Lage Schuldige gesucht werden, Weltverschwörer, das habe ich schon nach den Anschlägen 2001 in New York gehört, Hintermänner, deren Namen wir besser jetzt nicht noch einmal erwähnen, sonst geht das Theater wieder los.
Also Weltverschwörer. Ja, die Zeiten sind so. Da kann die Angela Merkel sich noch soviel Mühe geben, da kann der Olaf Scholz noch so ruhig und eigentlich überzeugend souverän auftreten, diese Leute wähnen dahinter nur Verschwörung. Für sie ist die demokratisch gewählte Regierung in Berlin ohnehin ein Regime, hörte ich kürzlich heraus. Der Mann schien sich keine Gedanken darüber gemacht zu haben, dass ein Regime mit Demokratie nicht viel zu tun hat, dass ein Regime eine Militärdiktatur sein kann, jedenfalls nichts frei Gewähltes und von einem Parlament kontrolliertes Organ.
Dass der Gedanke einer Zwangsimpfung und in dem Zusammenhang der Name von Bill Gates fallen muss, ist selbstverständlich. Denn der Milliardär steckt doch hinter Corona, der hat sich doch diese Geschichte ausgedacht, um uns so damit zu lähmen und uns das Geld aus der Tasche ziehen zu können. Das glauben Sie nicht? Dann sind Sie auch kein Anhänger der Weltverschwörung, die diese Seuche, die eigentlich die ganze Welt erfasst hat, erfunden hat. Ich wüsste nur allzugern, welchem Arzt ich mich anvertrauen kann, damit der in meinem Ohr(oder wo auch immer in meinem 68 Kilogramm schweren Körper)den Chip findet und ihn entfernt, mit dem der Amerikaner mich für seine Verschwörung eingenommen hat.
Es gibt Verrückte auf der Erde
Nein, sagt ein guter Bekannter, die Anhänger der Weltverschwörung, die ja seit einigen Tagen gegen die Einschränkungen wegen Corona demonstrieren, müsse man ernstnehmen, man dürfe sich über sie nicht lustig machen. Dass auch mich Corona verunsichert, gebe ich ja gern zu. Solange es keinen Impfstoff gibt, muss man mit der Epidemie leben, schauen, dass man überlebt, sich nicht ansteckt, nicht andere infiziert, seinen Job behält, wenn auch nur in Kurzarbeitsform. Hände gründlich waschen, dabei Happy Birrthday singen, Abstand halten mindestens 1,5 Meter, keine großen Parties veranstalten, Geisterspiele ohne Zuschauer im Fußball, kein Kino. Gut, es gibt viele Verrückte auf der Welt, Populisten wie Trump in Amerika, Johnson in England, Bolsonaro in Brasilien, wer will kann aus anderen Gründen noch Erdogan hinzurechnen, ein paar AfD-Leute, die mitdemonstrieren, weil sie abstauben wollen, Krisen-Gewinnler wollen sie sein, damit sie vom absteigenden Ast, auf dem sie sitzen, schnell wieder auf einen aufsteigenden gelangen.
Ja, es stimmt, Corona hat einiges verändert hierzulande. Um besser mit Corona klarzukommen, wurden auch in Deutschland Grundrechte eingeschränkt, nicht mal ein Gottesdienst konnte stattfinden mit Publikum, eine weltweite Reisewarnung schränkte unsere Reisefreiheit ein, kein Urlaub an der Adria und in Benidorm. Bleiben Sie zu Hause! rieten uns die Politiker. Sich einschränken, um andere zu schonen, um Ältere zu schützen. Und das soll ein Kampf gegen unsere Grundrechte sein? Deshalb geht man auf die Straße? Pardon, an dieser Stelle darf gelacht werden. Wer so demonstriert und von Einschränkung der Grundrechte quasselt, hat noch nie eine Diktatur erlebt, hat noch nie gelesen, was es bedeutet, wenn jemand wirklich nicht frei reden darf in seinem Land, in dem er lebt, der hat noch nie einen Freiheitskämpfer gesehen oder über einen solchen etwas gelesen. Freiheitskämpfer kämpfen um Leben und Tod, die Friedhöfe sind voll davon und bei uns wird darüber gelabert, jawohl gelabert, dass unsere Freiheiten gefährdet seien. Bei uns landet niemand hinter Gittern, wird niemand verhaftet, wenn er seine Meinung äußert, er darf nur nicht den anderen beleidigen.
Ich nehme Demonstrationen immer ernst, wenn sich die Demonstranten mit ernsthaften Anliegen beschäftigen. Ich kann gut verstehen, dass viele Leute verunsichert sind wegen Corona, weil sie angesteckt werden könnten oder ihre Kinder oder Großeltern, weil die Schule ausfällt, man auf Kurzarbeit ist oder sich sorgt, seinen Job zu verlieren. Das sind berechtigte Ängste, die aber nichts mit einer Weltverschwörung zu tun haben. Man mag diese Regierung für dies und das kritisieren, das ist erlaubt, das Grundgesetz erlaubt es ausdrücklich. Aber dass diese Regierung alles tut, um möglichst viele Menschen vor den Folgen der Pandemie zu schützen, steht doch wohl außer Frage. Das gilt im übrigen für all die Leute, die sich für uns und die anderen einsetzen, die täglich an der Kasse von Rewe, Aldi, Lidl und Edeka sitzen, die die Regale füllen, die die LKW steuern, das sind die Pfleger und Krankenschwestern, die Ärzte, die unter Einsatz ihres Lebens für uns da sind. Das ist harte Realität, keine Verschwörung.
Schweden taugt nicht zum Vorbild
Vor zwei Monaten einigten sich Bund und Länder auf ein Maßnahmen-Paket gegen Corona, verordneten Einschränkungen und Beschränkungen sozialer Kontakte, man schloss die Restaurants, die Frisöre mussten dicht machen, keine Feiern waren mehr erlaubt, Anstand durch Abstand hieß die Parole. Nun werden die Dinge wieder gelockert, die Schule öffnet sich wieder Zug un Zug, man kann mit Abstand wieder ein Bier im Biergarten trinken, Wirte sind erleichtert, weil sie ihre Lokale mit halber Kraft wieder öffnen und Gäste bewirten dürfen, ja sogar Urlaubsreisen ins Ausland könnten wieder möglich werden im Sommer, die Wirtschaft läuft wieder langsam an. Es werden Zwischenbilanzen gezogen, was war gut, was überzogen, was unnötig?
Eines vorweg: Alle Maßnahmen hatten nur einen Zweck: die Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verhindern und eine drohende Überforderung unseres Gesundheitssystems zu vermeiden. Deshalb wurden ganze Säle in Kliniken und Krankenhäusern für den Tag X eingerichtet und freigehalten. Man wollte keine Situation, in der Ärzte und Pfleger nicht mehr allen Corona-Patienten hätten helfen können. Diese Strategie der Regierung ist bisher aufgegangen, gerade das beweisen die leeren Betten. Bilder, wie wir sie aus Italien gesehen haben, blieben uns zum Glück erspart. Es ist müßig darüber zu reden, ob weniger mehr gewesen wäre. Überall gab es mehr Todesfälle, auch in Schweden, wo man ja anders vorging, viermal so viele Tote hat Stockholm zu beklagen wie Deutschland. Schweden dürfte damit nicht zum Vorbild taugen.
Wir haben diskutiert über Grenzschließungen, gerade in einem Europa ohne Grenzen eigentlich ein Unding. Wobei eine Seuche wie diese doch keine Grenze kennt, wie selbst Experten betonten. Andererseits wurde für eine überschaubare Zeit verhindert, dass Infizierte aus anderen Ländern nach Deutschland kamen oder umgekehrt, Wien hatte ja seine Grenzen auch geschlossen, wie andere Länder auch. Das kann man sagen: Überzeugend sind geschlossene Grenzen nicht, zumal sie verhinderten, dass Impfstoffe in bestimme Länder gelangten, also Schutzimpfungen teils ausfielen.
Deutsche Zwischenbilanz gut
Die Pandemie ist längst nicht vorbei, aber eine deutsche Zwischenbilanz fällt gut aus. Verzicht auf soziale Kontakte, keine Begrüßungen mit Händen oder Küssen, stattdessen mit Ellenborgen, Mund- und Nasenschutz, verstärkte Hygiene, all das hat éine rasante Ausbreitung des Virus mit verhindern helfen. Eine zweite Corona-Welle wird weiterhin befürchtet, aber Experten betonen, wir seien darauf vorbereitet auch mit Betten und Schutzkleidung. Es gab Übertreibungen, wie jene in Bayern, wo das Polizeipräsidium mitgeteilt hatte: „Nein, ein Buch auf einer Bank zu lesen, ist nicht erlaubt.“ Spazierengehen aber schon. Merkwürdig.
Wer soll das alles bezahlen? Und können wir das? Politiker wie Olaf Scholz und Angela Merkel bejahen das, betonen aber dabei die Anstrengungen,die zu leisten seien. Viele Menschen gerettet, das ist das Wichtigste. Und die Wirtschaft? Dazu passt der alte Satz: der Mensch ist nicht dazu da, der Wirtschaft zu dienen, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es wird Pleiten geben, die Arbeitslosenzahlen werden steigen. Die Gefahr besteht, dass die, die jetzt am lautesten schreien und über die stärkste Lobby verfügen, am besten bedient werden. Ich kann nur hoffen, dass sich die mächtige Auto-Industrie nicht mit ihrer Forderung nach staatlichen Autoprämien für Neuwagen durchsetzen wird. Dazu hatte mir kürzlich Axel Hegmann, Tourenmanager vieler Kulturschaffender wie früher von Dieter Hildebandt, und heute Autor unseres Blog-der-Republik geschrieben: „Mal ehrlich: Wenn jetzt bei staatlichen finanziellen Entschädigungen nicht Kultur, nicht Pflege, nicht Kindeswohl, nicht Gastronomie, nicht Kleinunternehmer, sondern tatsächlich die Auto-Industrie durch eine Kaufprämie gefördert werden soll, kann ich nur frei nach Hildebrandt konstatieren: Da weiß ich nicht, wo ich mir hinfassen soll. Der Kopf ist mir dafür zu schade.“
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'Wer steckt eigentlich hinter Corona? Die Weltverschwörung?' hat einen Kommentar
27. Mai 2020 @ 21:10 Brandt
Sorry, aber Schweden hat alles richtig gemacht.
Rechnen Sie noch einmal neu und berücksichtigen Sie die Kosten für den lockdown und die zusätzlichen Toten, die wegen des lockdown gestorben sind.