Die Niederländer haben der Europawahl eine erste faustdicke Überraschung beschert. Die schon völlig abgeschriebenen Sozialdemokraten als Wahlsieger, die Rechtspopulisten von Geert Wilders als großer Verlierer: Da kommt Erleichterung auf und die Hoffnung, dass die Europäische Union doch nicht vor die Hunde geht.
In den 28 Mitgliedsländern sind insgesamt 427 Millionen Bürger zur Wahl der 751 Abgeordneten des Europaparlaments aufgerufen. Es ist – nach Indien – die weltweit zweitgrößte demokratische Wahl, zugleich die wohl spannendste und auch wichtigste in der Geschichte der EU. Selten zuvor haben die Europawahlen die Meinungsforscher so intensiv beschäftigt, und prompt haben sie mit ihren Umfragen im Vorfeld ein grandioses Zerrbild von der politischen Stimmung gezeichnet.
Zumindest in den Niederlanden und dort den Nachwahlbefragungen zufolge, denn offizielle Ergebnisse gibt es erst am späten Sonntagabend, wenn alle Wahllokale geschlossen sind. Die Wahlen erstrecken sich über vier Tage, in den Mitgliedsländern wird an den traditionellen Wahltagen gewählt. Neben den Holländern waren am Donnerstag auch die Briten zur Wahl aufgerufen.
Von der Insel gibt es noch keine Trends. Das verbietet das britische Wahlgesetz. Ursprünglich wollte das Land die EU bereits Ende März verlassen haben. Der bisher misslungene Brexit hat die Teilnahme an der Wahl erzwungen. Der Brexit-Partei von Nigel Farage wurde von den Demoskopen ein Erdrutschsieg prophezeit. Premierministerin Theresa May steht vor dem endgültigen politischen Aus, ihren Rücktritt vom Vorsitz der Tory-Partei hat sie soeben für den 7. Juni erklärt. Wie es den jetzt für fünf Jahre gewählten britischen Europaabgeordneten ergehen wird, wenn der Brexit tatsächlich in fünf Monaten vollzogen wird, steht in den Sternen.
In Irland, das vom Brexit der Nachbarn erhebliche Konsequenzen befürchtet, wird – ebenso wie in Tschechien – freitags gewählt, in Lettland, Malta und der Slowakei samstags, in den übrigen EU-Ländern sonntags. Die Wahllokale schließen in Deutschland um 18 Uhr, in Italien um 23 Uhr. Wie in den Niederlanden, sagen Umfragen den Europagegnern in zahlreichen Ländern erhebliche Zuwächse voraus. Die Parteien im äußerst rechten Spektrum haben ein Bündnis geschmiedet, mit dem sie das Europaparlament von innen heraus bekämpfen wollen.
Der Niederländer Geert Wilders, der nun bei der Wahl regelrecht abgestürzt ist, galt als eine Gallionsfigur. Womöglich bringt er noch einen Sitz in die Allianz der Freiheitsfeinde ein. Die neue rechtspopulistische Partei von Thierry Baudet hat offenbar im Wählerreservoir der Wilders-Truppe gewildert. Der erwartete Wahltriumph ist ihm jedoch nicht gelungen.
Der Parteiname „Forum für Demokratie“ ist ein Etikettenschwindel, ebenso wie bei Wilders die „Partei für die Freiheit“, passend zur österreichischen FPÖ, deren rechtliche, moralische und demokratische Verkommenheit gerade in dem Ibiza-Video noch einmal bloßgelegt wurde. Das ist kein österreichischer Sonderfall, sondern charakterisiert all die extrem rechten Parteien, die in Europa ihr Unwesen treiben. Auch in Deutschland gilt: Wer AfD wählt, wählt Nazis.
Dem europäischen Friedens- und Einigungswerk ist zu wünschen, dass es nicht von den Nationalisten zerstört, sondern von überzeugten Demokraten in eine friedlichere, sozialere und gerechtere Zukunft geführt wird. In Holland haben sich die Europabefürworter behauptet, geführt von der sozialdemokratischen Partei der Arbeit, die mit Frans Timmermans den europaweiten Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten stellt.
Timmermans strebt die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident an. Sein Rivale ist der CSU-Politiker Manfred Weber aus Bayern. Der hat bisher nicht als aufrechter Europäer überzeugt und zuletzt gar, um seine persönlichen Chancen zu steigern, den Ausschluss der ungarischen Fidesz-Partei von Viktor Orban aus der konservativen EVP verhindert. Europa will den Nationalismus überwinden, und das fängt mit der Wahlentscheidung an.
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