Blamage

Autobauer blamieren Regierung

Da spielen sich CDU-Kanzlerin Angela Merkel und ihre Verkehrsminister von der CSU als Schutzpatrone der Autoindustrie auf, agieren jahrelang wider besseres Wissen verantwortungslos und ignorant – und jetzt stehen sie blamiert da; – blamiert ausgerechnet von der Autoindustrie, die diesen blödsinnigen Schutz nicht länger haben will. Wenn die Politik noch immer kein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen einführen will, machen’s die ersten Auto-Hersteller eben selber, bauen permanente Tempolimits in ihren Karossen ein, um Menschenleben und Umwelt zu schützen.

Vehement hatte Angela Merkel in Europa immer wieder höchst persönlich alle Initiativen abgeblockt, mit denen der PS- und Geschwindigkeitswahn der deutschen Dickschiffe gedeckelt werden sollte. Und stereotyp widersetzte sich Verkehrsminister Andreas Scheuer jeder Initiative für ein Tempolimit auf Autobahnen. Eine von ihm beauftragte Expertenkommission forderte noch Anfang dieses Jahres die Geschwindigkeitsbegrenzung als Maßnahme für den Klimaschutz. Scheuer aber – dümmlich oder arrogant oder beides ? – tat den Experten-Rat ab: Der sei „gegen jeden Menschenverstand“.

Zumindest der schwedische Autobauer Volvo und der japanische Gigant Toyota wollen nicht mehr warten, bis die Berliner Regierung die einfachsten Selbstverständlichkeiten kapiert; dass nämlich Tempolimits gut sind für die Umwelt und gut sind für das Überleben auf unseren Straßen. Schaffen heute manche Kleinwagen und fast alle Mittelklasse-Autos locker Tempo 200 und mehr, will Volvo schon ab nächstem Jahr sämtliche Neuwagen auf maximal 180 km/h beschränken. Schneller geht dann nicht mehr, so die offizielle Ankündigung von Vorstandschef Håkan Samuelsson. Und ein Großteil der Modelle des japanischen Giganten Toyota ist schon jetzt bei 165 bis 180 km/h abgeregelt. Teilweise mit 200 PS und mehr könnten sie viel schneller – sollen und dürfen sie aber nicht. Die Industrie zeigt also jenes Verantwortungsbewusstsein, zu dem die Politik nicht in der Lage ist. Seltsame Verkehrung der Rollen.

Jetzt wird auch die Lächerlichkeit jener regierungsamtlichen Schwurbelei offenbar, dass in Deutschland gerast werden muss, damit die deutschen Ingenieure ihren technologischen Vorsprung behalten. Als wäre nicht beispielsweise Toyota heute mit der Hybrid-Technologie schon viel weiter als der Diesel-Skandal-geplagte VW-Konzern.

Auch die Angst vor der Rache des Wählers, sollte ein Tempolimit auf Autobahnen kommen, darf die Bundesregierung endlich abschütteln. Laut einer repräsentativen Umfrage von KfW-Research sprechen sich 60 Prozent der Deutschen für eine reduzierte Höchstgeschwindigkeit aus. Eine Yougov-Umfrage kam sogar zu dem Ergebnis, dass 78 Prozent ein Tempolimit auf Autobahnen grundsätzlich positiv bewerten.

Aber die regierende CDU ist dermaßen vernagelt und verbohrt, dass sie das Recht auf hohen Schadstoff-Ausstoß für ein Grundrecht deutscher Autofahrer hält – wie in den USA das Recht auf ebenfalls tödliche Schusswaffen ein Verfassungsrecht ist. Sie will, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) keine Fördergelder mehr vom Bund erhält. Außerdem solle deren Gemeinnützigkeit überprüft werden. Und warum ? Aus Rache dafür, dass die DUH Fahrverbote für ältere Diesel-Autos in vielen Innenstädten durchsetzte. Damit erzwang sie doch nur die Geltung von Gesetzen, die die Politik jahrelang ignoriert – auf Deutsch: missachtet – hatte.

Bildquelle: Pixabay, geralt, Pixabay License

 

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Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, hat für Panorama gearbeitet und war später Chefreporter Fernsehen beim Norddeutschen Rundfunk. Lütgert wurde wegen seiner sozialkritischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.


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