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Home Politik

Brüssel und die Folgen für die linke Mitte

Uwe-Karsten Heye Von Uwe-Karsten Heye
23. März 2016
Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Wie und warum konnte der Hass gegen den Westen, seine Liberalität und Werte derart wachsen? Was treibt junge Muslime in den Dschihad? Warum erklären sie einem Lebensmodell den Krieg, das von der Gleichwertigkeit von Mann und Frau, von individueller Freiheit und Freiheit der Kunst und der Wissenschaft ausgeht? Was hassen die Islamisten so sehr, dass es ihr erklärtes Ziel ist, Europa anzugreifen, es in seinen Grundfesten zu erschüttern, dies auch noch religiös zu verklären, wie in Paris und jetzt in Brüssel? Womit muss der Westen noch rechnen, zumal es Anzeichen gibt, dass Anschläge auf Atomkraftwerke nicht ausgeschlossen werden können? Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Völkerwanderung, die weltweit sechzig Millionen Menschen als Flüchtlinge zählt, wirken die Anschläge in Brüssel und auf Europa als ein Katalysator für Angst und Verstörung.

Der IS-Staat im Nahen Osten dürfte dem militärischen Widerstand der Industrieländer des Westens nicht standhalten können. Aber die Bomben des IS und die auf die Zivilgesellschaft der westlichen Welt zielenden Maschinengewehre und Sprengsätze seiner Terrorsoldaten werden diesen Westen verändern und in der schlimmsten Konsequenz ebenfalls radikalisieren, die dann tatsächlich das vereinte Europa gefährden. Nicht nur Ungarn und Polen unterwerfen sich der Übermacht angeblicher eigener Interessen, die der europäischen Idee im Wege stehen. Großbritannien geht dabei voran und kann – wenn es in der EU bleibt – künftig für sich mit der Mehrheit im Unterhaus alles zurückweisen, was künftig in Brüssel beschlossen wird. Wie lange wird die Europäische Union das aushalten?

Beispiel Österreich

Das gesellschaftliche Klima in der Gesellschaft wird vor allem die linke Mitte treffen und, wenn diese nicht aufpasst, weiter schwächen. Ein Beispiel dafür liefert derzeit Österreich. Dort wird die SPÖ vom eigenen Koalitionspartner ÖVP und von der ex-liberalen, jetzt rechtspopulistischen FPÖ weiter nach rechts getrieben. Und sie lässt sich treiben. In Deutschland erleben wir die erneute Spaltung in Ost und West und den Niedergang der Sozialdemokratie in den neuen Ländern. Allerdings war die SPD in Ostdeutschland, von Brandenburg und noch in Mecklenburg-Vorpommern abgesehen, auch zuvor eher Wunsch und Wille und von eher flüchtiger Substanz.

Das sollte nicht davon abhalten, genauer auf die politischen Inhalte der AfD zu schauen, deren Programme zwar nicht in allen drei Ländern der jüngsten Landtagswahlen identisch zu lesen sind, aber doch eine gemeinsame Richtung haben. In Wahrheit soll alles zurückgedreht werden, was seit Ende der 60er Jahren Schritt für Schritt aus der postfaschistischen Gesellschaft Westdeutschlands herausgeführt und zu der freiheitlichen Bürgergesellschaft werden konnte, die mit Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ ihren Anfang nahm und mit der Annäherung an die Postulate des Grundgesetzes nicht endete. Dazu gehörten die wirkliche Gleichberechtigung von Frau und Mann oder die Anerkennung der Tatsache, dass die sexuelle Orientierung Privatsache ist. Das sind Annäherungen an Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

SPD muss sich wappnen

Wenn die deutschen Sozialdemokraten ihren Charakter als Volkspartei nicht weiter einbüssen wollen, müssen sie sich also wappnen. Mit ein paar taktischen und öffentlichkeitswirksamen Finessen wird es nicht getan sein, um der SPD aus dem nun schon einige Jahre andauernden Tief herauszuhelfen. In aktuellen Umfragen dümpelt sie derzeit bei 21 Prozent. Die Anschlagserie in Brüssel dürfte dazu beitragen, dass sich die Sorgen der Menschen verstärkt auf die Außenpolitik richten. Es könnte also sein, dass Außenminister Frank Walter Steinmeier weiter Zugkraft gewinnt. Denn jetzt erst recht dürfte die außenpolitische Agenda auf weltweite Koalitionen setzen, die der Kriegserklärung des islamistischen Terrors entgegentreten. Die Wiener Gespräche über Syrien werden noch wichtiger sein, um für das Land, über die Waffenruhe hinaus, zu einer Übergangsregierung zu gelangen, die den Bürgerkrieg beenden könnte. Nur dann – und wenn Kanzlerin Merkel Recht behält und die Türkei ihren Auftrag tatsächlich und unter Wahrung der Menschenrechte ausfüllt – besteht eine reale Chance, den Flüchtlingsstrom aus dem Land zu stoppen. Gleichzeitig könnte damit der IS ins Wanken geraten, wenn die Weltgemeinschaft sich darauf verständigt. In all diesen Aktivitäten spielt Steinmeier eine zunehmend wichtige Rolle – als Chefdiplomat und geschickter Unterhändler und nicht als Bellizist.

Dass diese Entwicklung mit einer innenpolitischen Agenda begleitet werden muss, die auch den Flüchtlingen zugute kommen sollte, ist kein Widerspruch. Es wird Zeit, dass die Sozialdemokraten sich ihrer Kernkompetenz erinnern. Was war das noch mal? Ach ja: „Soziale Gerechtigkeit durch Überwindung der immer tiefer reichenden sozialen Spaltung der Gesellschaft.“ Gleichzeitig gilt es, die weiter wachsende globale Ungleichheit anzugehen zwischen dem reichen Norden und dem armen, von Kapitalinteressen, Naturkatastrophen und Klimawandel heimgesuchten Süden des Planeten. Wer nur nationale Interessen in den Vordergrund stellt, gefährdet den Weltfrieden. Europa hat damit Erfahrungen in zwei Weltkriegen.

 

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

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Tags: BrüsselFlüchtlingeISIslamismuspolitische Folgen des TerrorismusRechtspopulismusSozialdemokratieSPDSPÖTerror
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