Die SPD hat die Bundestagswahl noch längst nicht verdaut. Wie gelähmt wirkt die Parteiführung und niemand, dem es gelungen wäre, den richtigen Ton anzuschlagen und Gewissheit zu vermitteln, dass die Aufarbeitung der Niederlage gelingen könnte, die dringend geboten ist. Maybrit Illners Talk am Donnerstag sah mit Andrea Nahles die neue Fraktionsvorsitzende der SPD, die, mangels Klärung über den künftigen Kurs der SPD, zurückhaltend und vornehmlich maliziös lächelnd den Abend verbrachte. Es war Jürgen Trittin, der klar machte, auf wen bei Jamaika die Sozialdemokratie setzen kann, um den Kurs der Vierer-Koalition nicht ausschließlich von der Lobby der Konzerne bestimmen zu lassen. Er zeigte Haltung, der die Grünen auch dringend bedürfen, soll diese Koalition für sie nicht zu einem Selbstmord auf Raten werden.
Wenigstens an diesem Abend war das Themenspektrum nicht auf die Flüchtlingsfrage und auf die 13-Prozent-Partei AfD beschränkt. Aber auch darum wird es in den nächsten vier Jahren gehen, wie umgehen mit den Rechtspopulisten. Jedenfalls sollte alles vermieden werden, was dazu führt, dass sie sich vor allem als Opfer darstellen können, deren Rechte im Parlament eingeschränkt oder ihnen als drittstärkste Fraktion zustehende Vorsitze in Ausschüssen streitig gemacht werden.
Austausch von Argumenten
Das Ende der großen Koalition, die immer selbst dann noch eine ausreichende Mehrheit aufwies, wenn Abweichler in den eigenen Reihen Beschlüsse nicht mittragen wollten, sollte dazu führen, das Parlament wieder Schauplatz für den demokratischen Streit über den richtigen Weg zu machen. Es wäre viel gewonnen, wenn Phoenix mit Übertragungen aus dem Bundestag Quote machen könnte. Kurz, dass es spannend ist, Pro und Kontra zu verfolgen und zu sehen, dass Streit nicht Hass und Feindschaft ist, sondern der Austausch von Argumenten, die leidenschaftlich und fair gegeneinander gestellt werden.
Also Rückkehr zum demokratischen Diskurs. Wenn das gelingt, wird sich die Substanzlosigkeit völkischer DNA unmittelbar erweisen. Es wird klar werden, dass Deutschland immer schon Einwanderungsland war, und jetzt sogar notwendiger denn je darauf angewiesen ist, politischen Flüchtlingen Asyl zu gewähren, und dass viele bleiben, die mit Einwanderern an der Zukunft unseres Landes in Europa mitarbeiten. Nur so und nicht durch Obergrenzen werden die sozialen Sicherungssysteme erhalten werden können. Bleiben wir, wie es von Rechtsaußen herüber tönt, hingegen unter uns, und schließen die Grenzen und ziehen Mauern oder bauen Zäune, dann wird sich zeigen, dass in der alternden Gesellschaft der Bio-Deutschen Altersarmut programmiert und Solidarität der Generationen ohne ausreichende Substanz wäre.
Mut, den Reformstau zu überwinden
Es wäre gut, wenn sich die politische Debatte endlich um die Zukunftsthemen kümmert. Mut gehört dazu und die Bereitschaft, den Reformstau im Innern zu überwinden, und nach außen den Rückfall in nationalistische Egoismen zu vermeiden. Ebenso wird es darum gehen, die Entscheidungen wieder in die Politik zurückzuholen und den Einfluss einer globalisierten Weltwirtschaft zurückzudrängen. Wenn sich die Philosophie nationalstaatlicher Dominanz durchsetzt, wie sie von Donald Trump ausgerechnet vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen propagiert wurde, werden kriegerische Auseinandersetzungen wachsen. Allein 120 Milliarden Dollar beträgt der jüngste Waffendeal der USA mit Saudi Arabien. Die Drohgebärden zur Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA zeigen, wohin die Reise gehen soll. So werden Stellvertreterkriege vorbereitet.
Am 24. Oktober tritt der neue Bundestag zu seiner ersten Sitzung zusammen. Es wird sich schnell zeigen, ob Jamaika seine inneren Widersprüche überwinden und einen zeitgemäßen politischen Anspruch formulieren kann. Die SPD als stärkste Oppositionsfraktion wird dann hoffentlich den Mumm aufbringen, eine kraftvolle Alternative anzubieten. Das alles wird darüber entscheiden, ob der Rechtspopulismus zurückgewiesen werden kann oder weiter wächst.