Konjunkturmaßnahme

Das teuerste Konjunkturpaket in der Geschichte der Republik – Aber ist es auch gut?

Der große Wurf? Oder ist es mehr Blendwerk? Strohfeuer, wie es die NZZ kommentiert? Ist es überlegte Politik, umsichtig, wird auf Sicht gefahren, wenn man mit über 130 Milliarden Euro das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschließt? Verzweifelt in die Vollen, titelt die konservative und wirtschaftsfreundliche FAZ. Dass die Opposition die Politik der Groko kritisiert, gehört zu ihrem Geschäft, ist ihre Aufgabe. Dass es aber dem einen oder anderen schwindlig wird bei diesen Summen, diesen Schulden, ist mehr als verständlich. Wenn überhaupt die Mehrheit der Deutschen sich ein Bild machen kann von soviel Geld, das quasi vom Himmel regnet.

Das Paket ist überdimensional, wie ja auch die Corona-Krise außergewöhnlich ist, die Pandemie, die die Politik dazu zwang- wenn der Begriff erlaubt ist- große Teile des Lebens in Deutschlands zum Stillstand zu bringen, um das Virus einzuhegen und seine Ausbreitung mindestens zu kontrollieren, wenn nicht zu stoppen. Auch wenn der Laden seit ein paar Tagen wieder am Laufen ist- ein Begriff aus dem Sprachgebrauch der Kanzlerin in Corona-Zeiten- wird der tiefste Absturz der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg befürchtet. Dagegen stemmt sich die Bundesregierung mit aller Macht und hat das größte Hilfspaket aufgelegt, um die ökonomischen Folgen der Pandemie zu überwinden.Staatliches Eingreifen ohne Rücksicht auf Schulden, schreibt die Frankfurter Allgemeine und fügt hinzu, dass diesem Handeln auch etwas Verzweifeltes anhaftet. Schulden, die wir oder die nächste Generation zurückzahlen müssen.

Man will Zuversicht wecken in der Bevölkerung, die gerade erst wieder ihre Häuser und Wohnungen verlassen hat, um zur Arbeit zu gehen oder zu fahren, sich mit Freunden zu treffen, in die Kneipe zu gehen. Ja, das fängt ja erst richtig wieder an das Leben, normal ist es noch lange nicht, Kinder sind zwar wieder in der Schule, aber nicht täglich, es ist weiter Homeoffice angesagt, auch Homeschooling. Die Unsicherheit in weiten Kreisen der Bevölkerung ist groß, weil das Virus noch nicht besiegt ist, wir also mit Corona zu tun haben, weil keiner weiß, ob er sich nicht hier und da anstecken könnte, es gibt noch keine Tabletten, keinen Impfstoff. All das bremst die Zuversicht. Man schaue sich die sogenannten Fußballspiele in leeren Stadien an, dort herrscht Friedhofsruhe. Und ganz nebenbei lesen wir in den Zeitungen, dass die Arbeitslosenzahlen steigen.

Zuversicht, Optimismus, mutig, tollkühn, sowas haben die Kanzlerin Angela Merkel und Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, gesagt, damit es einen Aufschwung gibt, damit die Impulse, die die Groko mit dem riesigen Geldprogramm setzen will, auch genutzt werden.Die Summe liegt weit über der von Söder genannten Obergrenze, aber danach fragt schon keiner mehr. Tollkühn und mutig will man sein, muss man wohl auch sein, wenn man solche Pakete an zwei langen Abenden diskutiert und beschließt. Alternativlos soll diese Politik klingen, kann man ergänzen, das wäre wiederum aus dem Sprachschatz der Kanzlerin, die wie gehabt mit nahezu stoischer Ruhe und kühler Überlegenheit die Einzelheiten des Programms noch am späten Abend der Berliner Presse vortrug, als wäre das alles der Normalfall.

Ist es aber nicht. Ihr Vize, der SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz, vormals ein Anhänger der schwarzen Null, sprach dann auch von einem „Wumms-„Paket, das klingt fast so wie damals, als er die Bazooka ins Spiel brachte im Kampf gegen Corona und für die Wiederauferstehung der deutschen Wirtschaft. Dabei ist die Bazooka eine rückstoßfreie Panzerbüchse.

Die SPD kann von sich behaupten, in diesen Verhandlungen viel erreicht zu haben, aber natürlich nicht alles. So bleiben Kommunen aus dem Ruhrgebiet und dem Saarland zumindest vorerst auf ihren Altschulden sitzen, entstanden durch den Niedergang von  Kohle und Stahl. Anderen Städten, die wegen der Corona-Krise Gewerbesteuer-Verluste erlitten, bekommen Finanzhilfen. Ferner wird den Kommunen geholfen bei den Kosten für Hartz-IV-Bezieher. Auch den Kinderbonus von einmalig 300 Euro konnte die SPD durchsetzen. Wer verantwortlich war und ist für die Absenkung der Mehrwertsteuer, steht dahin, es ist auch müßig, diese Maßnahme hilft aber vor allem den Leuten mit dem kleinen Geldbeutel. Die Sozialbeiträge sollen nicht steigen, die durch Corona entstandenen Lücken in den Sozialkassen übernimmt der Bund, ein Schritt, von dem auch Unternehmen profitieren.Den Dienstleistungsbranchen wird geholfen, der Staat übernimmt zu 80 vh die Betriebskosten von Gaststätten, Hotels und Reisebüros, die wegen Corona geschlossen bleiben mussten. Die mächtige Autoindustrie konnte ihre Forderung nach einer Prämie für den Neukauf nicht durchsetzen, Autos mit Verbrennungsmotoren werden nicht gefördert, wohl aber solche mit Elektroantrieb. Ein Sieg der SPD. Der öffentliche Nahverkehr wird unterstützt wie die Deutsche Bahn, der Klimaschutz kam bei der Groko nicht unter die Räder.

Wenn man es positiv formulieren will, handelt es sich um ein ausgewogenes Paket, das vielen helfen will. Will, weil manches  Absichten sind, die Impulse setzen wollen. Wenn aber zum Beispiel die Unternehmen ihre Preise nicht entsprechend der niedrigeren Mehrwertsteuer senken und das Eingesparte nicht eins zu eins an die Verbraucher weitergeben, sondern lieber in die eigene Tasche stecken, verpufft der Ansatz. Ähnlich sieht es mit der Kinder-Pauschale aus. Die Stimmung muss sich drehen, die Menschen müssen wieder Spaß daran haben, zu kaufen und zu konsumieren, in den Urlaub zu fahren, ein Fahrrad zu kaufen oder ein umweltfreundlicheres Auto. Oder wie der SPD-Ökonomieprofessor und Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller ein geplantes Konjunkturpaket der Großen Koalition in Höhe von 25 Milliarden DM 1966 begründete: „Man kann die Pferde zur Tränke führen, doch saufen müssen sie selber.“

Bildquelle: Pixabay, Bild von Gerd Altmann(geralt), Pixabay License

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arbeitete als stellvertretender Chefredakteur und Berliner Chefkorrespondent für die WAZ. 2009 gründete Pieper den Blog "Wir in NRW". Heute ist er Chefredakteur des Blogs der Republik.


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