Denia/Costa blanca im März.
„Zwei Wochen kann ich meinen Laden geschlossen halten, vielleicht drei, dann aber wäre Schluss“.
So reagiert meine Frisörin auf die Zwangsschließungen der spanischen Regierung. Nicht nur ihr droht angesichts fehlender finanzieller Reserven der geschäftliche Kollaps. Viele Existenzen sind hier am Mittelmeer von der Coroner-Krise bedroht. Ob Kellner, Handwerker oder kleine selbständige Unternehmen, sie alle haben auf die Semana Santa, die Osterferien gehofft, wo der erste große Ansturm der Feriengäste an der Küste sonst für Einnahmen sorgt. Daran ist angesichts der dramatischen Steigerung der Infektionen überhaupt nicht mehr zu Denken. Rund 15 Prozent des Bruttosozialprodukts in Spanien werden durch den Tourismus erwirtschaftet, der hunderttausenden Menschen Arbeit gibt. Das Land mit einer immer noch hohen Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent wird in seiner schwachen wirtschaftlichen Erholungsphase durch die Pandemie ins Mark getroffen. Immer noch stehen große Immobilienprojekte aus der letzten Finanzmarktkrise leer.
Der Mittelmeerküste mit ihren vorgelagerten Inselketten, wo auch hunderttausende Nord- und Mitteleuropäer ihre Rentnerjahre verbringen, droht ein weiterer black out. Hotels, Restaurants oder Läden haben dicht gemacht, vorerst für zwei Wochen, wie es der Notfallplan der Regierung vorsieht. Nur Supermärkte, Lebensmittelhandel, Apotheken oder Banken haben geöffnet. Mit Wucht ist der Virus in den Alltag der Menschen eingebrochen.
Soziale Absicherungen, staatliche Förderprogramme oder ein breiter Mittelstand mit größerem Sparvermögen wie in Deutschland gibt es hier nicht. Großeltern müssen oft noch ihre Enkelkinder mit absichern. Die Tochter meiner Hausverwalterin hat mit abgeschlossenem Biologiestudium 5 Jahre nach einer Stelle gesucht, jetzt arbeitet sie in einer Immobilienagentur für 700 Euro im Monat, inklusive Präsenzpflicht drei Samstage im Monat.
Der schöne Sonnenschein auf diesem herrlichen Stück Erde strahlt zwar über blaues Meer, grüne Täler und idyllische Bergketten, aber die Schatten sind jetzt noch größer geworden, die sich über die Menschen gelegt haben. Jetzt, wo die Einnahmen aus dem Tourismus wegbrechen und die Buchungen für den Sommer auszubleiben drohen, kommt neben der Angst vor einer Virus-Ansteckung die zusätzliche existentielle Furcht im Überlebenskampf hinzu. Vielfach werden immer noch Hungerlöhne gezahlt oder es findet ein Verdrängungswettbewerb unter den Ärmsten um die Handlangerdienste statt, wo mittlerweile viele Osteuropäer vor allem im Dienstleistungsbereich die Knochenjobs übernommen haben.
Wer in der Gastronomie überleben will, ist neben seinem dürftigen Lohn auf die Trinkgelder der Gäste angewiesen, die jetzt natürlich ausbleiben werden. Alle großen Feste, ob in Valencia oder Sevilla, sind abgesagt, Kreuzfahrtschiffe legen nicht mehr an den Häfen an, Chinesen, die in Spanien zahllose Restaurants und Billigläden betreiben, sind nach Angaben lokaler Medien vorerst zurück nach China geflogen, weil sie sich dort besser medizinisch versorgt fühlen.
Im Supermarkt von Moraira treffe ich ein altes spanisches Ehepaar. Sie stehen in einer langen Reihe Wartender an der Einkaufskasse. Die Einkaufswagen der Deutschen, Holländer, Franzosen und der vielen aus dem Seuchenzentrum Madrid geflohenen Madrilenen sind rappelvoll, manche haben sogar einen zweiten Wagen fürs Klopapier dabei. Das entsprechende Körperteil scheint auch hier vielen Gutbürgern besonderes gefährdet zu sein.
Die beiden Alten haben sich eine große Schinkenkeule für 53 Euro gekauft. Mit einem guten Landwein und einem Stück Brot, so der Alte, könne man lange leben. Das sei schon immer so gewesen. Na also. Guter Rat muss doch nicht teuer sein.