Sehr persönliche Zeilen eines bekennenden SPD-Sympathisanten:
Schon gestern, gleich nach dem Bericht des ARD-Magazins PANORAMA über Sigmar Gabriel, den hochdotierten und moralisch schweinischen Kumpanen des „Schweinebarons“ Tönnies, wollte ich einen wütenden Kommentar schreiben. Aber dann dachte ich mir: Was soll’s ? Die Sache ist so eindeutig. Da kann man nur noch Selbstverständlichkeiten aneinander nieten. Selbstverständlichkeiten, die jeder und jedem auch so in den Sinn kommen – vorausgesetzt man hat noch einen Rest von Anstand in sich.
Und heute möchte ich – nicht im übertragenen Sinn, sondern wirklich – nur noch heulen. Was ist aus der SPD geworden, „meiner“ SPD, die ich über Jahrzehnte auf allen Ebenen „durchgewählt“ habe ? Vielleicht war ich zu lange begriffsstutzig, zu naiv hoffnungsfroh; aber jetzt habe ich es kapiert, dass 15 Prozent für so eine Partei eigentlich ein üppiges Ergebnis sind.
Mit meinen nunmehr 75 Jahren schätze ich mich glücklich, dass ich viele große Sozialdemokraten mehr oder weniger intensiv journalistisch begleiten durfte. Kurzes name-dropping: Willy Brandt, Herbert Wehner, Helmut Schmidt, Hans-Jochen Vogel und am intensivsten Johannes Rau. Die allesamt und noch viel mehr kann man regelrecht zu Heiligen stilisieren – im Vergleich zu Sozialdemokraten, die heute und in jüngster Vergangenheit ihre eigenen Messlatten für Moral und Glaubwürdigkeit auf Null gesetzt haben: Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Gazprom-Lobbyist und Duzfreund von Wladimir-Putin, der Mordanschläge auf deutschem Boden in Auftrag gab oder duldet. Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der der SPD in ihrer offenkundigen Not auch nicht mehr helfen will, sondern lieber seine unbestreitbare Intelligenz und Brillanz profitabel vermarktet. Sigmar Gabriel dessen gut bezahltes Engagement für Tönnies – Karikatur eines fiesen und ekelerregenden Ausbeuters – einfach nur noch erbärmlich ist. Man muss sich geradezu zwingen, daran zu denken, dass dieser Sigmar Gabriel jahrelang der erste Mann der deutschen Sozialdemokratie war. Und jetzt führt er zu seiner Rechtfertigung an, 10.000 Euro pro Monat seien doch wirklich nicht so dicke. Und er habe nichts Illegales getan. Erbärmlichkeit kann ein Sigmar Gabriel sogar noch steigern.
Für mich ist das jetzt ein Moment zum Innehalten. Wie ist diese SPD noch zu retten, wer könnte sie retten ? Ich sehe nichts und niemanden. Das wurde ja eigentlich schon beim halbjährigen Schaulaufen jener Paare deutlich, die allesamt SPD-Vorsitzende im Doppelpack werden wollten (schon das eine wohl aus Verzweiflung geborene Schnapsidee). Keine und keiner konnte begeistern, Charisma Fehlanzeige. Das Ergebnis mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken bekannt wie traurig. Wer bleibt dann noch ? Familienministerin Franziska Giffey will sich in die Berliner Provinz abseilen, Arbeitsminister Hubertus Heil effizient, aber doch kein Mann, der Hoffnung und Aufbruch verbreitet. Das gleiche gilt für die anderen sozialdemokratischen Ressortchefs wie für die SPD-Regenten in den Ländern.
Fazit: Der Verrat des Sigmar Gabriel hat mir die Augen geöffnet. Ich gebe zu, sehr spät. Die SPD ist tot oder zumindest scheintot. Also muss man mit 15 Prozent doch sehr zufrieden sein.
Bildquelle: Pixabay, Bild von ToginWales, Pixabay License
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Da sitzt und stimmt jedes Wort – Danke und Chapeau ! Ich bin wahrlich oft komplett anderer Meinung als Christoph Lütgert, aber hier hake ich mich mit voller Zustimmung unter. Es ist ein Jammer und ein Trauerspiel – nicht nur mit dieser SPD, sondern auch für die Stabilität, die sie gerade jetzt in der so wichtigen checks and Balancen-Funktion für diese Demokratie zu leisten hätte. Das Schlimme ist: Wenn sie hier versagt, wäre es historisch ein wirklich vermeidbares und leider auch immens gefährliches dejavu…!!
Alles, was Sie anführen, Herr Lütgert, ist absolut korrekt. Und da ließe sich sogar noch eine ganze Menge hinzufügen, das größtenteils sogar noch schwerer wiegt. Und wenn Sie schreiben, „aber jetzt habe ich es kapiert, dass 15 Prozent für so eine Partei eigentlich ein üppiges Ergebnis sind“, dann sei angemerkt, dass ich diesen Punkt schon vor 16, 17 Jahren erreicht hatte. Da reiht sich diese Aktion des Herrn Gabriel nur als weitere Episode ganz folgerichtig ein. Eher als kleine Kirsche auf der Torte.
Dennoch geht das Problem tiefer. Ein entscheidendes Grundprinzip der Demokratie ist, dass Politiker und/oder Parteien vom Wähler für ihr Verhalten oder ihre Politik abgestraft werden können. Doch was ist dann die Folge? Die anderen Parteien steigen in den Zustimmungswerten (ja, selbst bei insgesamt sinkender Wahlbeteiligung!). Will mir nun jemand erklären, dass all das, was man (berechtigt) der SPD und ihren seit Jahren führenden Politikern vorwerfen muss, bei diesen Parteien und deren Vertretern nicht auftritt? Eine blütenreine CDU oder gar CSU, ganz ohne schwarze Kassen, dafür aber mit brutalstmöglicher Aufklärung? Eine FDP mit reiner Weste, die für sich und die Ihren immer eine lukrative Anschlussverwendung findet, die die normale Bevölkerung aber im Regen stehen lässt? Und und und. Die vielbeschworenen „Einzelfälle“ von demokratiezersetzendem Verhalten sind nicht mehr zu zählen. Gestern war es Amthor, heute Gabriel, morgen ein anderer. Mal abgesehen davon, dass es auch für niemanden von denen auch jemals nur irgendwelche wirklichen Konsequenzen haben würde/gehabt hätte.
Und dann wundert man sich, wenn der Ton in der Gesellschaft immer rauher wird? Dass Menschen, die im steten Wechsel mal von der einen, mal von der anderen Seite verarscht wurden, der Geduldsfaden reißt? Und sie sich extremeren Parteien und Positionen zuwenden, weil sie dort wenigstens die vage Aussicht auf irgendeine Änderung zu erkennen glauben? Das, was wir seit Jahren in unserer Gesellschaft miterleben, ist die Frucht der Parteien, die unsere Politik lange Jahre bestimmt haben und immer noch bestimmen.
Und ich prophezeie: Wenn sich die Politik nicht grundlegend zum Positiven verändert (und wenn ich „grundlegend“ schreibe, dann meine ich grundlegend), dann haben wir noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Demokratie nimmt noch weiter immer stärkeren Schaden. Kein Zustand, den sich jemand ernsthaft wünschen kann. Und wenn wieder einmal Politiker diverse Zustände im Land beklagen und mit rhetorischen Verrenkungen auf angeblich Schuldige weisen, dann sei denen ins Stammbuch geschrieben: Der Fisch stinkt vom Kopfe her.