Die erste Fragestunde mit der Regierungschefin im deutschen Bundestag war für Angela Merkel keine Herausforderung. Es dürfte noch ein langer Weg sein, auch nur in die Nähe dessen zun kommen, was im britischen Parlament in ähnlichem Format an lebendiger Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition zu hören ist. Wenigstens die Antwort der Kanzlerin auf das Ende des Abschiebestopps für abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan – und nicht nur wie bisher für Straftäter und Terrorverdächtige – hätte jenseits der AfD wenigstens Unruhe im Plenum verursachen können. Aber vielleicht blieb sie aus, weil die Fraktionen, bis auf Grüne und Linke, kein Problem mit der Antwort hatten: „Das Kabinett sei zu dem Schluss gelangt, dass die Beschränkungen für Rückführungen nach Afghanistan nicht mehr gelten müssten“. Nachfragen waren nicht erlaubt.
Wer also geglaubt haben sollte, in dieser Fragestunde eine Kanzlerin zu erleben, die von der Neugier der Abgeordnete getrieben, einen Blick auf ihren inneren Kompass erlaubt hätte, war erneut chancenlos. Vielleicht ändert sich das Format für die dreimal im Jahr im Koalitionsvertrag vereinbarte Befragung der Kanzlerin im Bundestag ja noch, oder der Präsident des Bundestages darf demnächst Nachfragen zulassen oder Abgeordnete lernen die Arbeit der Zuspitzung, die es der Kanzlerin nicht ermöglicht, Fragen, statt sie zu beantworten, einer Antwort einfach schlicht auszuweichen.
Ebenso chancenlos war, wer geglaubt haben sollte, die SPD könnte über ihre Fragesteller Unterscheidungsmerkmale zur Union erkennbar werden lassen, um damit wenigstens andeutungsweise dem nahe zu kommen, was Andrea Nahles als erste weibliche Vorsitzende dem skeptischen Parteivolk versprochen hat: die Erneuerung der Partei auch in der GroKo voranzubringen und eine neue Brücke des Vertrauens für alte oder zeitweilig verlorene oder künftige SPD-Wähler zu bauen.
Ob Frau Merkel dennoch Sorge haben muss, wenigstens demnächst von der SPD etwa mit humanitären Einwänden über die Taliban und ihre erwartbare Abschussquote für nach Afghanistan abgeschobene und abgelehnte Asylbewerber gequält zu werden? Denn der ein oder andere Sozialdemokrat könnte sich daran erinnern, dass die in der Fragestunde zitierte Kabinettsentscheidung zu Afghanistan das Gegenteil dessen ist, was das Wahlprogramm der SPD fordert und der Wahlparteitag dazu beschlossen hat: „Da die Sicherheitslage in Afghanistan kein sicheres Leben zulässt, werden wir bis auf Weiteres keine Abschiebungen nach Afghanistan durchführen“. Blieb die SPD-Fraktions- und Parteivorsitzende, deren donnerndes Eintreten für die GroKo in Erinnerung ist, vielleicht deswegen in der Fragestunde so schweigsam?
Sonst alles soweit OK? Aus dem Plenum zur Lage des Landes und zum rechtspopulistischen Aufwind auch in Deutschland kein Wort. Zur Beilegung der Krise in Europa kaum Fragen und jedenfalls für Präsident Macron keine neuen Erkenntnisse aus Berlin zu seinen Vorschlägen. Mit Russland will Merkel wenigstens im Gespräch bleiben und das Verhältnis zu USA und Trump? Dass der neue Botschafter der USA sich liebevoll der AfD annehmen will, war das auch nur ein „Vogelschiss“? Aus den abhörsicheren Räumen des Auswärtigen Amtes dringt nach dem Gespräch, zu dem er zur Erläuterung seiner Äußerungen in das Amt zitiert wurde, er fühle sich missverstanden. Dann wäre ja auch das geklärt.
Bildquelle: Wikipedia, Cherubino, CC BY-SA 3.0