Die SPD hat sich mal wieder eine neue Führung gegeben, sie hat sie gewählt, leider haben an dieser Wahl gerade etwas mehr als die Hälfte der Mitglieder der Partei teilgenommen. Ich weiß nicht, warum das Interesse daran so gering war, warum so viele nicht mitgestimmt haben. Es geht doch um was, um eine neue Führung, wenn nicht um einen neuen Kurs, mindestens um Kurs-Korrekturen. Únd es geht um die Existenz der ältesten deutschen Partei, die zwar mit der Union gemeinsam im Bund regiert, aber bei einigen Regionalwahlen im Osten und zuvor auch in Bayern so schwere Verluste hat hinnehmen müssen, dass die Sorgen um das Überleben der Sozialdemokratie nicht von der Hand zu weisen sind. In Umfragen rangiert die SPD gerade noch bei 14 Prozent, sie liegt mal auf gleicher Höhe, mal auch hinter den Rechtspopulisten der AfD mit ihren Neonazis, Fremdenfeinden, Rassisten und Antisemiten, einer Partei, die unser System abschaffen will, ein System, das so erfolgreich war und immer noch ist, gemeint unsere parlamentarische Demokratie mit der sozialen Marktwirtschaft.
Man darf sich darüber wundern über die Wählerinnen und Wähler, man darf sich ärgern, aber das reicht nicht. Verdienste von früher werden nicht gewürdigt, gewählt wird nicht, wem man diese oder jene Errungenschaft verdankt. Das ist Geschichte. Auf ihrem Parteitag in Berlin wird das neue Führungs-Duo beweisen müssen, dass die SPD nicht nur einen neuen Kopf hat-genauer hat sie ja deren zwei-, sondern auch einen neuen Kurs fährt. Insofern war es naheliegend, den amtierenden Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der ja auch SPD-Vize ist, nicht zu wählen. Denn das hätte ja Weiter-So bedeutet. Weiter-So kann man auf die Groko beziehen, auch wenn man die Koalition nicht zwingend aufkündigen muss, man muss das aber auch auf die 14 Prozent beziehen, die weit weg sind von jedem Machtanspruch. Dass Walter-Borjans/Esken als Ziel ihrer künftigen Arbeit die 30 Prozent genannt haben, mag anspruchsvoll sein, ist aber nötig, will man irgendwann wieder mal den Kanzler stellen.
Auszug aus der Liste der Reichen
Im Vorfeld hat der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans u.a. von der Notwendigkeit einer anderen Lastenverteilung gesprochen, was einer Umverteilung gleichkäme. Womit wir bei der Frage der sozialen Gerechtgkeit wären. Und dass es in diesem reichen Land nicht gerecht zugeht, darauf hat vor einiger Zeit der Paritätische Wohlfahrtsverband hingewiesen, das hat aber auch die Liste deutlich gemacht, auf der die reichsten Männer und Frauen in Deutschland aufgeführt sind. Ich habe das im Wirtschafts-Magazin „Bilanz“ nachgelesen, eine unverdächtige Quelle, die man fast beliebig ersetzen kann. Die Liste der reichen Deutschen wird demnach angeführt von Leuten wie Dieter Schwarz, dem Gründer von Lidl und Kaufland. Es folgen die Aldi-Besitzer, die Familie Albrecht, dann die BMW-Eigentümer Stefan Quandt und Susanne Klatten, genannt werden in dieser Liste auch Namen wie der von Heinz-Hermann Thiele(Knorr-Bremse, München), die Familie Reimann, die Anteile an der Kaffeerösterei Jacobs hält, aber auch an Gucci und Cloé beteiligt ist, Wolfgang Porsche wird erwähnt, der Enkel von Ferdinand Porsche und Cousin von Piech, Hasso Plattner, die Familie Braun, Michael Otto. Und so weiter.
Wenn von Reichen die Rede ist, wird nicht mehr von Millionen gesprochen, sondern von Milliarden Euro. Die Zahlen, die in den Listen auftauchen, sind geschätzt, ich erspare mir alle Einzelheiten, nenne nur ein paar Daten: die eine Familie soll demnach über 30 Milliarden Euro verfügen, eine andere gar über 40 Milliarden Euro, einem anderen Milliardär wird ein Eigentum von 27 Milliarden Euro nachgesagt. 259 Milliardäre gibt es nach diesen Schätzungen in Deutschland, 31 mehr als im Vorjahr. Die 1000 reichsten Deutschen haben mehr als eine Billion Euro.
13,7 Millionen Deutsche gelten als arm
Die reichsten 10 Prozent der Deutschen besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens.Dagegen hat die ärmere Hälfte nur einen Anteil von 1,3 Prozent. 13,7 Millionen Deutsche gelten als arm. Diese Angabe habe ich einem Bericht des Paritätischen Wohlfahtsverbandes entnommen. Demnach ist arm, dessen Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens beträgt. Zu den armen Deutschen zählen Alleinerziehende und Kinder, Arbeitslose, Kinderreiche, Migranten. Die Mehrheit der Armen ist berufstätig oder Rentner. 17 Prozent von ihnen haben ein höheres, jeder Zweite von ihnen mindestens ein mittleres Bildungsniveau, womit widerlegt ist, dass Armut in erster Linie oder vor allem vom Grad der Bildung und Ausbildung abhängt.
Es sind deprimierende Zahlen, die deutlich machen, dass bei uns Wohlstand und Armut wachsen und dass die Ungleichheit in diesem Land zunimmt. Wer arm ist, ist mehr krank, ängstlich, hat Traumata. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kommentiert diese Entwicklung mit „sozialstaatlichem Versagen“ und fordert einen steuerpolitischen Kurswechsel, damit die Mittel anders, gerechter verteilt werden. Nein, er fordert keine Senkung der Unternehmenssteuern.
Starke Schultern mehr belasten
Dass sich die SPD mit dieser Fehl-Entwicklung auf ihrem Parteitag beschäftigt, ist meiner Meinung nach dringend geboten. Mir geht es auch nicht darum, eine Neiddebatte zu führen, aber es kann nicht normal sein, dass 40 reiche Haushalte inzwischen so viel besitzen wie der ärmere Teil der Deutschen und das sind immerhin 40 Millionen Menschen. Norbert Walter-Borjans hat im Vorfeld des Parteitags eine Änderung des Erbrechts gefordert. Ihm geht es nicht um Oma-ihr-klein-Häuschen. Ihm geht es um die wirklich dicken Brocken.
Dazu zitiere ich aus dem Leitartikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom 3. Dezember diesen Jahres: mehr als 20 Bürger bekamen 2018 jeweils über 100 Millionen Euro vererbt oder geschenkt, ohne etwas ans Finanzamt abgeben zu müssen. Normalverdiener dagegen werden vom Finanzamt zur Kasse gebeten, Rentner müssen Steuern zahlen, Arbeitnehmer der sogenannten Mittelschicht geraten in den Sog des Spitzensatzes der Einkommensteuer. Das alles kann nicht richtig sein, dies ist eine Schieflage. Nochmal der Kommentar der SZ: „Deutschland reduzierte die Steuern für Firmen, Gutverdiener und Kapitalbesitzer- nun zahlt die Oberschicht prozentual weniger an den Staat als vor 20 Jahren, die Masse dagegen mehr.“ Und Herr Lindner von der FDP fordert den Soli ganz abzuschaffen, auch für die oberen Zehntausend.
Erbe fällt einem ohne eigene Leistung zu. Bei großen Firmen-Erbschaften ist das nicht einzusehen, dass der Fiskus nicht eingreift. Würde man von den Firmen-Erben einen Mindest-Steuersatz verlangen, kämen Milliarden Euro zusammen, die wir dringend brauchen für die Sanierung und die Ausstattung unserer maroden Schulen, die wir aber auch den Arbeitnehmern zugute kommen lassen könnten, indem wir sie entlasteten. Lassen wir uns nicht blenden von den typischen Behauptungen, damit würden Arbeitsplätze gefährdet. Dieser Unsinn hat Methode. Wir reden davon, dass die starken Schultern mehr tragen müssten, lassen aber die Steuergesetze unverändert, mit denen wir umverteilen könnten, ja müssten. Zum Wohle aller. „Reichtum verpflichtet“ lautet der Leitartikel der SZ, den ich mehrfach zitiert habe. Die SPD sollte den Mut haben, den Hebel umzulegen.
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