Pflege

Pflegeheime lehnen Aufnahmen ab!

In einer ganzen Reihe süddeutscher und südwestdeutscher Zeitungen war vor wenigen Tagen zu lesen: „Monat für Monat müssen Pflegeheime im Land Tausende Anfragen zurück weisen, weil es keine freien Plätze in ihren Häusern gibt.“

Was Zeitungen wie die „Backnanger  Kreiszeitung“ oder zum Beispiel die „Schwäbische Zeitung“veröffentlichten, verdient hohe Aufmerksamkeit. Da hieß es weiter: Die Ablehnungsquote liege im Schnitt bei 80 Prozent, wie aus einer Umfrage mehrerer Wohlfahrtsverbände im Südwesten hervorgehe. Mehr als 500 Pflegeheime hätten sich an der Umfrage beteiligt, rund ein Drittel aller Pflegeheime in Baden-Württemberg. In einem Zeitraum von fünf Tagen seien 2295 Anfragen nach einem Dauerpflegeplatz und 3000 Nachfragen nach Kurzzeitpflege abgelehnt worden.

Die soziale Pflegeversicherung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers sichern, dass Pflegebedürftige in der Nähe des bisherigen Wohnorts einen Platz im Heim finden, wenn es daheim nicht mehr geht; und sie sollten zwischen unterschiedlichen Angeboten wählen können. Die baden-württembergische Liga der freien Wohlfahrtspflege erklärte mit Blick auf die Ablehnungen, eine wohnortnahe Versorgung mit stationären Heimplätzen sei „in vielen Regionen nicht mehr gesichert“. Die Liga versteht sich als freiwillige, dem Gemeinwohl verpflichtete und pluralistisch zusammengesetzte Arbeitsgemeinschaft, der die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt, Diakonie, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und das Deutschen Rote Kreuz angehören.

Versorgungslage prekär

Die Versorgungslage sei prekär, sagte die baden- württembergische Liga-Vorsitzende Ursel Wolfgramm. Angehörige müssten häufig auf andere Landkreise oder noch weitere Entfernungen ausweichen, um einen Platz zu finden. Als Gründe für dieses Desaster wurden von der Liga fehlende Fachkräfte und der Verlust von Plätzen durch Umwandlung von Zweibettzimmern in Einbettzimmer genannt. Wer sich umhört, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, der bekommt bei Nachfragen zu hören: Kommen sie nächstes Jahr wieder. Da hat sich offenkundig ein riesiges Problem entwickelt.

Die taz hat in einem Bericht mit Reportage-Elementen berichtet, wie dringend Fachkräfte in einem kleineren aber umso wichtigeren Bereich der Pflege gesucht werden: Es werde von Jahr zu Jahr schwieriger, Fachkräfte für die ambulante Intensivpflege zu finden, sagte der Ingenieur Markus Behrendt der Zeitung. Er ist Vorsitzender des Vereins IntensivLeben in Kassel. Das Überleben von schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen sei durch Pflegekräftemangel zunehmend gefährdet. Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingeführte Pflegepersonal-Stärkungsgesetz habe die Situation sogar noch verschärft.

Das Gesetz erlaubt es Krankenhäusern und Pflegeheimen, zusätzlich medizinisches Pflegepersonal einzustellen, das von den Kassen komplett bezahlt wird. Diese Tatsache verschärfe die Konkurrenz um die Fachpflegerinnen und Fachpfleger. Die würden in die Krankenhäuser gehen und nicht zu ambulanten Pflegediensten.
Das bestätigt auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA). Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz bevorteile die Akutkrankenhäuser bei der Anwerbung von Pflegefachkräften“, sagt Bernd Tews, einer der BPA- Geschäftsführer. Die Krankenhäuser würden per Gesetz in die Lage versetzt, jede gewünschte Pflegekraft einzustellen und sofort tariflich zu entlohnen. Im stationären Bereich könnten Fachkräfte, die eine dreijährige Ausbildung absolviert hätten, bis zu 1.000 Euro mehr im Monat verdienen als bei den ambulanten Diensten, vermerkte die taz.

Notstand im System

Man hat das Gefühl, in einem Tunnel zu stecken, in das eben ein Zug mit ungebremstem Tempo einfährt.

Während der vergangenen drei Jahre sind nach Angaben eines anderen BPA- Geschäftsführers, Herbert Mauel, 100 000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstanden beziehungsweise besetzt worden. Das ist eine ziemliche Steigerung. Aber gleichzeitig stieg auch Zahl der Pflegebedürftigen an. Und manche Pflegefachkräfte aus den geburtenstarken Jahrgängen beginnen, auf den Beginn ihrer Rentenzeit zu schauen. Begrüßt wurde in der Pflege, dass sich der Bundesgesundheitsminister in Serbien und anderswo um die Zuwanderung von Pflegekräften kümmert, die dort über den Bedarf hinaus ausgebildet werden. Aber der Weg aus einem serbischen Ausbildungskrankenhaus in die Klinik an Rhein, Neckar oder Spree wird von Länderbehörden mit Schwierigkeiten belegt.
Laut Mauel zeigt die Lage in der Kurzzeitpflege, was es geschlagen hat: „Bereits jetzt gelingt es selbst bestens vernetzten Systemprofis nicht mehr, einen dringend benötigten Kurzzeitpflegeplatz zum notwendigen Zeitpunkt zu finden.“
So brennt sich ein Notstand in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen allmählich durch das ganze System.
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Über  

Redakteur 1972 und bis 89 in wechselnden Redakteursaufgaben. 90 bis 99 wiss. Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion, Büroleiter Dreßler, 2000 Sprecher Bundesarbeitsministerium, dann des Bundesgesundheitsministeriums, stellv. Regierungssprecher; heute: Publizist, Krimiautor, Lese-Pate.


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