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Home Politik

Schulz wird sich warm anziehen müssen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
12. Januar 2018

Durchbruch, das klingt gut, wenn es um den Bau eines Tunnels geht, schlecht, wenn der Chirurg davon spricht. Durchbruch, so die Erleichterung, als die Sondierer aus CDU, CSU und SPD endlich die Einigung verkündeten. 110 Tage nach der Bundestagswahl.  Die  Ergebnisse werden nun erst die Gremien der Parteien passieren,  womit zu rechnen sein wird. Das heißt noch lange nicht, dass damit grünes Licht für eine erneute Große Koalition gegeben werden kann. Die nächste Hürde ist viel höher: die SPD-Führung unter ihrem Vorsitzenden Martin Schulz muss Überzeugungsarbeit leisten, damit ein Sonderparteitag mit rund 600 Delegierten im Kongreßzentrum in Bonn dieser Einigung zustimmt. Es gehört nicht viel Mut zur Prognose, dass diese Überzeugungsarbeit schwierig, sehr schwierig werden wird. Und es würde mich nicht wundern, wenn Schulz und Co. in Bonn eine Schlappe erleiden würden. Er wird sich warm anziehen müssen.

Es findet sich auf den 28 Seiten so manches und so

manches richtige, aber die große Linie fehlt ebenso wie irgendein Leuchtturm, mit dem Schulz vor den Delegierten für die GroKo werben könnte.  Von Bürgerversicherung ist nicht die Rede, Familiennachzug für Flüchtlinge nur sehr begrenzt, der Spitzensteuersatz wird nicht erhöht. Das Papier trägt die Handschrift von CDU und CSU. Man kann natürlich sagen, mehr war für die SPD nicht drin angesichts eines Wahlergebnisses Ende September von etwas mehr als 20 Prozent. Andererseits hat Merkels CDU auch nur noch gut 26 Prozent der Stimmen erhalten und die CSU kam- bundesweite gerechnet- gerade noch auf 6 Prozent.

Zur Erinnerung: SPD-Chef Martin Schulz hatte am Wahlabend die Konsequenzen aus dem schlechtesten Wahlergebnis der SPD nach dem Krieg gezogen und den Weg der Partei in die Opposition angekündigt und dies auch damit begründet, der rechtspopulistischen AfD nicht die Führungsrolle auf der Oppositionsbank im Berliner Parlament zu überlassen. Das Nein zum Mitregieren hatte Schulz auch nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche noch einmal begründet. Jetzt also will er mitregieren. Warum? Weil er Neuwahlen fürchtet, bei denen die SPD noch schlechter abschneiden könnte? Überzeugend ist das nicht, was der SPD-Vorsitzende seit Monaten bietet. Es ist schon klar, wenn der Parteitag Nein zu dem Ereignis sagt, kann er sich auch gleich vom Willy-Brandt-Haus verabschieden.

Die SPD ist eingeknickt 

Wo bitte schön ist das „hervorragende Ergebnis“, das Schulz nach dem Ende der Marathon-Sitzung am Freitagfrüh jubelnd verkündete? Es mag ja sein, dass das Papier in den Augen von Angela Merkel eines des „Gebens und Nehmens ist, wie es sein muss“. Und dass die Kanzlerin und CDU-Chefin damit „hochzufrieden“ sein kann, will ich gern glauben. Zu Ende gedacht bedeutet das nämlich, dass der Wiederwahl von Frau Merkel als Kanzlerin einer GroKo nichts mehr im Wege stehen würde. Doch gemach, so weit ist es noch lange nicht.

In den Kernfragen hat sich die Union durchgesetzt und ist  die SPD eingeknickt. Nehmen wir nur mal die Frage des Nachzugs für Flüchtlinge, die zum Beispiel einer der wirklich großen Sozialpolitiker der CDU, der langjährige Bundesminister für Arbeit und Soziales, Norbert Blüm, in einem Beitrag für unseren Blog-der-Republik zu einer Kernfrage für den Sozialstaat erhoben hat. Ein Nein zum Nachzug, so Blüm, verstosse gegen die christliche Soziallehre. Mehr noch: die Ehe sei „kein Tandem, von dem man auf- und abspringen kann, wenn man will.“ Ehe und Familie seien auf dauerhaften Zusammenhalt angelegt. Diese Einsicht gelte „immer und überall“, sie sei „zeitlos und staatsunabhängig“, Ehe und Familie seien das „Fundament jeder Gesellschaft“. Den Familiennachzug abzusperren, widerspreche Grundprinzipien der christlichen Soziallehre, ein „Verbot des Familiennachzugs kommt einer staatlich organisierten Scheidung gleich.“

Ist das alles nichts oder will man die AfD hier rechts überholen? Noch einmal Norbert Blüm, dem es sehr ernst ist mit seiner Kritik. Wer den Familiennachzug absperre, „darf nicht feierliche Reden über die Heiligkeit der Familien auf Kirchentagen halten und muss auf Beschwörungen des unverzichtbaren Wertes der Familien im Parteiprogramm verzichten.“

Konservative Revolution- das ist verbrannt

Ich frage mich seit Tagen, warum die SPD nicht laut protestiert hat gegen das Gefasel des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt von einer „konservativen Revolution“. Was will der Mann, den man nur wegen seiner Maut-Pläne kennt, revolutionieren? 16 Jahre hat Helmut Kohl regiert, Merkel ist jetzt im 13. Jahr Kanzlerin. Haben die alles falsch gemacht? 50 Jahre nach den 68ern kommt einer wie Dobrindt daher und ruft eine neue Revolution aus. Dabei ist der  Begriff der „konservativen Revolution“ historisch mehr als verbraucht, man kann auch sagen verbrannt durch die Nationalisten in der Weimarer Republik. Nur zur Erinnerung: die 68er demonstrierten und protestieren nicht nur wegen des Muffs von 1000 Jahren unter den Talaren, sie gingen auf die Straße und forderten eine freiere Gesellschaft, sie klagten die Republik an, weil Tausende von Nazis in ihren Ämtern geblieben waren, weil die  Verbrechen der Nazis, dieser Zivilisationsbruch überhaupt nicht verarbeitet worden waren. Der Auschwitz-Prozess in Frankfurt hatte in aller Deutlichkeit auf die Verbrechen der Nazis hingewiesen, die sechs Millionen ermordeten  Juden eingeschlossen. Das alles hatten die 68er zum Thema gemacht und der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten. Und jetzt will dieser Dobrindt eine „konservative Revolution“. Wenn ich es richtig gehört habe, hat zumindest NRW-Ministerpräsident Armin Laschet(CDU) den Kopf geschüttelt und das alles „Unsinn“ genannt.  Recht hat er.

Kommen wir zurück zu den abgeschlossenen Sondierungen, zu Schulz, Merkel, Seehofer. Die Union ist zufrieden, anders als die viel schwierigere SPD will die CDU vor allem regieren und den Kanzler, pardon die Kanzlerin stellen. Der CSU geht es in erster Linie um die Landtagswahl in Bayern im Herbst. Und da kann sie mit dem Ergebnis zufrieden sein. Aber für Schulz und die anderen führenden SPD-Politiker wird es nicht einfach. Es mag ja sein, dass in der Einigung „soviel drin ist, was das Leben von Menschen verbessert.“ Mehr Investitionen in Schulen, gebührenfreie Kitas, Recht auf  Ganztagsbetreuung, paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, Senkung des Soli, mehr Bafög, mehr Kindergeld, mehr für die Pflege, mehr für die Sicherheitsbehörden, mehr für Europa, um es pauschal zu formulieren.

„Beschämend“, so das Urteil eines SPD-Linken, „besser als gedacht“, so die Wochenzeitschrift die „Zeit“. Für jeden etwas und von jedem etwas? Das wäre dann die eierlegende Wollmichsau. Man darf gespannt sein, wie Schulz den Delegierten das Ergebnis schmackhaft machen will. Ich suche weiter nach dem Leitfaden einer neuen GroKo, nach der Überschrift, dem Sinn einer Regierung Merkel/Schulz/Seehofer, dem Sinn für die Menschen. Denn um sie geht es, darum, dass die Spaltung der Gesellschaft ersetzt wird durch Solidarität und mehr Gerechtigkeit. Johannes Rau warb einst dafür mit den Worten: Einander achten und aufeinander achten.

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Tags: CDU-CSUGroKoKoalitionsverhandlungenMerkelRegierungsbildungSchulzSondierungspapierSondierungsverhandlungenSPD
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