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Home Politik

Warum fragt niemand nach Merkel?

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
24. November 2017
Angela Merkel

Nun lädt also der Bundespräsident die Vorsitzenden der Parteien von CDU, CSU und SPD zu einem Gespräch ins Schloss Bellevue, um dort vielleicht die Hürden abzubauen, die bisher einer erneuten Großen Koalition im Wege stehen. Frank-Walter Steinmeier wird sein ganzes Gewicht in dieses Treffen legen, seinen Einfluss, den er ja hat, als ehemaliges SPD-Mitglied-seine Mitgliedschaft ruht als Präsident- und als ehemaliger Minister im Kabinett von Angela Merkel. Aber auch er weiß, dass es nicht einfach sein wird, seine einstigen Parteifreunde zu einer Änderung ihres Beschlusses zu bringen, in keine Große Koalition zu gehen, sondern den steinigen Weg in die Opposition anzutreten.

Denn der erste Absturz der SPD begann ja mit dem Außenminister Steinmeier im Kabinett der Großen Koalition, Leitung Angela Merkel. Steinmeier trat dann 2009 als Kanzlerkandidat der SPD an. Das Ergebnis war niederschmetternd. Danach folgte Schwarz-Gelb, am Ende flog die FDP aus dem Bundestag. Danach erneute Große Koalition, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Ergebnis: Unter ferner liefen. Und jetzt Martin Schulz mit dem schlechtesten Wahlergebnis für die SPD nach dem Krieg. Die SPD zog daraus die einzig richtige Konsequenz: In die Opposition und nicht erneut in eine Große Koalition unter Merkel zu gehen.

Plötzlich soll die SPD an allem Schuld sein

Es ist schon eine mehr als komische Situation. Da wird wochenlang in den so genannten Berliner Leitmedien über die Traum-Koalition „Jamaika“ geredet, jede Äußerung der vielen, teils über 50 Teilnehmer aus den Reihen der CDU, der CSU, der Grünen und der FDP wird fast zum Aufmacher der Zeitungen, zu einer hervorgehobenen Meldungen in Funk und Fernsehen. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, wenn „Jamaika“ endlich Deutschland regiert, dann sind alle Probleme gelöst, dann wird der neue frische Und dank Jamaika den Mief der alten Großen Koalition wegblasen. Aber dann passiert das Unerwartete. FDP-Mann Lindner erklärt die Sondierung für beendet, weil er nicht das fünfte Rad am schwarz-grünen Wagen, gelenkt von CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel, sein will. Und sofort stürzen sich die Merkel-treuen Medien auf die SPD, sie soll jetzt den von Merkel an die Wand gefahrenen Wagen wieder flott machen. Umdenken müsse die SPD, so die konservativen Journalisten unisono. Niemand von ihnen fragt nach der Verantwortung von Frau Merkel, die hatte sie doch als Verhandlungschefin, oder hatte da auch die böse SPD ihre Hand im Spiel?

Plötzlich ist die SPD schuld an der Misere, weil sie das Bundestagswahlergebnis ernst genommen hatte, das schlechteste für die SPD nach dem Krieg. Und das soll jetzt wieder ein Ausweis ihrer Regierungsfähigkeit sein?Haben die Kollegen ihre Kommentare schon vergessen? Dass die CDU/CSU mit Merkel auf etwas über 32 Prozent gekommen war und abzüglich der CSU sogar nur auf 26,8 Prozent, kein Thema in den Medien, die plötzlich ihr Herz für die Große Koalition entdeckten, weil dadurch die Mitverliererin der Wahl, Frau Merkel, weiter regieren kann, als wäre nichts gewesen- Wenn es nicht so ein so wichtiges Thema wäre, man könnte sich schieflachen.

Wenn die Rufer anders gewählt hätten…

Auf der Leserbriefseite des Bonner General-Anzeigers lese ich dazu eine passende Stellungnahme eines früheren Kollegen, Peter Jansen, der seine zutreffende Meinung schon vorher übers Internet verbreitet hatte. Wörtlich schreibt er: „Wenn alle, die jetzt nach einer großen Koalition rufen, also von der SPD regiert werden wollen, am 24. September die SPD gewählt hätten, dann wäre die jetzige Diskussion überflüssig. Es macht keinen Sinn, eine Partei nicht zu wählen, dann aber lautstark zu fordern, ausgerechnet diese Partei solle Regierungsverantwortung übernehmen.“

Recht hat er. Die SPD war bei der Wahl abgestraft worden-anders lässt sich der Absturz einer Regierungspartei auf etwas über 20 Prozent nicht bewerten. Wehe, die SPD mit Schulz oder Scholz oder wem auch immer, hätte am Wahlabend ihre Ansprüche auf eine Regierung, Große Koalition, öffentlich gemacht. Sie wäre verrissen worden, man hätten ihr unterstellt, sie schiele nur nach den schönen Minister- und Staatssekretärs-Pöstchen mit all den feinen Zutaten. Dass Frau Merkel die Verluste der CDU/CSU mehr gelassen kommentierte und meinte, sie könne nicht erkennen, was sie anders hätte machen sollen, spricht für sich. Genauer gegen die Kanzlerin. Denn dass die rechtsradikale AfD mit ihrer rassistischen und fremdenfeindlichen Haltung mit so vielen Stimmen in den Bundestag einziehen konnte, das darf sich die CDU-Chefin getrost auch auf ihre Fahne schreiben. Merkels Flüchtlingspolitik, die ziemlich verkorkst war, ist dafür mindestens mitverantwortlich.

CDU-Chefin hat nichts geliefert

Nein, die Wahrheit ist. Nachdem sich Jamaika erledigt hat- übrigens ist die Insel nicht nur wegen ihrer Sprinter weltberühmt, sondern auch immer wieder im Doping-Gerede- gibt es für Angela Merkel nur noch die Chance, mit Hilfe der SPD im Amt zu bleiben. Und das will ja die Kanzlerin, die inhaltlich bisher nichts beigesteuert hat, wie es weitergehen soll. Sie hat auch im Wahlkampf jede Position-Belstimmung ihrer Zukunft vermieden, mit der Ausnahme, dass sie noch einmal antrete. Und dass die CDU sich hinter sie gestellt hat, falls es zu Neuwahlen kommt, hängt damit zusammen, dass die Nachfolgefrage ungeklärt ist.

Merkel-Dämmerung hat Friedhelm Ost, der frühere Sprecher von Kanzler Helmut Kohl und langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete, im Blog-Der-Republik kommentiert, die Ära Merkel geht ihrem Ende entgegen. Merkel steht vor einem Scherbenhaufen, sie hat ihre eigene Partei auf einen Tiefspunkt gebracht. Und wahr ist auch: Angela Merkel, früher mal eine der mächtigsten Frauen der Welt, steht mir leeren Händen da. Sie ist auf die SPD angewiesen. Und nicht umgekehrt.

Bei Wortbruch droht weiterer Vertrauensverlust

Die SPD wird sich Gesprächen darüber, wie es weitergehen soll, nicht verweigern. Sie kann kooperieren mit der Regierung Merkel, die eine Minderheitsregierung wäre, was bedeutet, dass sie sich die Mehrheit für ihre Politik immer wieder neu im Parlament holen muss. Das wäre dann gelebte Demokratie. Sie muss werben für ihre Politik, die andere Abgeordnete aus anderen Parteien auf der Oppositionsbank überzeugen muss. Fenster-Reden wären dann überflüssig, es wäre ein Segen. Mit einer Politik des Ungefähren kommt die Kanzlerin nicht weiter. Die SPD kann wichtigen und notwendigen Themen zu einer Mehrheit verhelfen- von der Oppositionsbank aus. Regierungsämter sollte sie nicht bekleiden. Sonst droht ihr Gefahr, dass sie wegen eines Wortbruchs weiteres Vertrauen verliert.

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Tags: BundestagGroKoMerkelMinderheitsregierungNeuwahlenRegierungsbildungSchulzSPDSteinmeier
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