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Was macht eigentlich die SPD? -Schaut zu, wie die CDU sich beim Wettlauf um die Merkel-Nachfolge selber feiert

Es ist schon erstaunlich, wie sich die CDU beim parteiinternen Wettkampf um die Merkel-Nachfolge selber feiert. Da scheint etwas in Gang gekommen zu sein, dass durch die lange, vielleicht allzu lange Regierungszeit von Angela Merkel und ihre noch längere CDU-Regentschaft beinahe vergessen schien: Es wird diskutiert unter Christdemokraten. Drei Kandidaten kämpfen seit Wochen um den Parteivorsitz, es ist richtig Leben in der Bude der Union. Während die eine Volkspartei aufzuwachen scheint, befindet sich die andere ganz offensichtlich im Tiefschlaf. Anders kann man die Stimmung in der SPD nicht beschreiben. Nichts tut sich, Wahlen wie in Bayern und Hessen werden krachend verloren, in Berlin geht es weiter, als wäre nichts geschehen. Dabei beschreiben Umfragen die Lage der SPD als desaströs, auf gerade noch 14 Prozent kommt die traditionsreiche Partei. Und man muss kein Schwarzseher sein, um hinzuzufügen, ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht.

Nach der Bayern-Wahl, bei der die SPD das schlechteste Landtagswahlergebnis aller Zeiten erreicht hatte und unter zehn Prozent geblieben war, hatte sich als erster früherer prominenter Sozialdemokrat, Rudolf Dressler, seinen Ärger von der Seele geredet. Dressler, als einstiges soziales Gewissen der SPD, Fraktions-Vize unter Fraktions- und Parteichef Hans-Jochen Vogel, hatte Mitte Oktober in der TV-Sendung Maischberger der gesamten SPD-Führung die Kompetenz abgesprochen. Wörtlich hatte der frühere deutsche Botschafter in Israel gesagt: „Nahles, Scholz und Co. können es einfach nicht.“ Damit traf Dressler das Gefühl vieler Sozialdemokraten. Todkrank sei seine Partei, befand der einstige Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Rentenexperte. Außerhalb der Großstädte habe die SPD in Bayern um die fünf-vh-Hürde kämpfen müssen. Nein, die SPD sei keine Volkspartei mehr. Dressler erregte sich wie andere SPD-Anhänger über die Reaktion und Analyse der Parteispitze nach der Bayern-Wahl. Die Ausrede, die SPD sei von den Problemen zwischen CDU und CSU erdrückt worden, nannte er in seiner bekannt drastischen Art „einfältig und einfallslos“. Und setzte hinzu: „Für wie bescheuert muss man die Wähler halten, um so einen Unsinn von sich zu geben.“

Unruhe in der Partei-Grabesruhe in Berlin

Die Schelte von Dressler wurde vielfach gehört und ihr zugestimmt, aber niemand wollte aus dem Busch kommen, um ebenfalls in diese Kerbe zu hauen. Dass Andrea Nahles überfordert sei, hörte man -hinter vorgehaltener Hand-spätestens im Zusammenhang mit der Peinlichkeit um die Personalie des damaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Maaßen. Empörung machte sich breit bei SPD-Anhängern, dass die SPD-Chefin dem Vorschlag von Seehofer zunächst wie die Kanzlerin zugestimmt hatte, Maaßen zwar aus dem Verfassungsschutz zu entfernen, aber ihn zum Staatssekretär zu befördern. Das wurde zwar nach bundesweiten Protesten wieder korrigiert, aber die Peinlichkeit war da und nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Es grummelt in der SPD. Die Unruhe ist mit Händen zu greifen. So was gab es in der SPD schon des öfteren. Früher hatte man personelle Alternativen zur Hand, wenn es brenzlig wurde für die Partei. Aber die Zeiten von Brandt und Schmidt, Rau und Vogel und Eppler, um nur die zu nennen, sind lange vorbei. Und auch die damals genannten Enkel Brandts sind längst in Rente, wie Schröder, Scharping, Engholm.  Nahles, Scholz, Maas, Heil sind jetzt die führenden Sozialdemokraten. Viel Glanz verbreiten sie wenig, dafür Langeweile und Wehmut.  Was waren das für Zeiten? Damit ist aber niemand geholfen, der SPD schon gar nicht. Aber auch nicht mit der Grabesruhe, die das Willy-Brandt-Haus ausströmt.

Jetzt, endlich muss man sagen, hat sich mit dem Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung einer der  bekannteren SPD-Politiker aus der Deckung gewagt. Im Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ wirft Jung Nahles vor, beim Fall Maaßen sich eine „schwerste Fehleinschätzung geleistet“ zu haben. „Die Bevölkerung hat außerdem kein positives Bild von ihr, ob zu Recht oder zu Unrecht. Eine Galionsfigur oder herausragende Sympathieträgerin ist sie jedenfalls nicht.“

Konkrete Projekte- frei von Ideologie

Jung beklagt, dass die SPD-Spitze Debatten führe, die außerhalb der Partei nicht sehr interessierten. „Es wäre ein Segen, wenn wir uns auf die realen Probleme der Menschen konzentrieren würden.“ Auf seine eigenen Erfolge angesprochen- Jung ist in der 124000-Einwohner Stadt in der Nähe von Nürnberg mit mehr als 70 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden- betonte der OB, man müsse bürgernah sein und fleißig und mit konkreten und erfolgreichen Projekten frei von Ideologie die Bürger und nicht die Funktionäre überzeugen. Dann seien solche Ergebnisse sogar in Bayern möglich.

Zwar sieht Jung zur Zeit keine Alternative zu Nahles als SPD-Chefin, er hält es aber für „sehr unwahrscheinlich, dass sie noch für den nötigen Aufbruch in der SPD sorgen kann, den die Partei für zukünftige Wahlerfolge dringend bräuchte.“ Mit manchen Auftritten schrecke Nahles viele Menschen ab. Ein Satz wie“Ab morgen kriegen sie in die Fresse“ bleibe an ihr kleben, leider. Die Bürger empfänden das als ordinär, so Jung.

Politik sei eine Sache von Emotionen und Persönlichkeiten, reagierte Jung auf den Einwand, ob es bei der Politik mehr um Stilfragen denn um Inhalte gehe. Und da sei es mit Nahles nicht weit her. „Die positiven Emotionen, die Andrea Nahles bei den Menschen auslöst, halten sich leider in Grenzen. Es ist nicht so, dass sie gehasst oder total abgelehnt würde. Aber sie kann auch nicht begeistern. Die Skepsis überwiegt.“

Inhaltlich räumt der Fürther Kommunalpolitiker mit der Berliner Politik mächtig auf. Er lässt im Grunde kein gutes Haar an der Politik von Nahles, Scholz und Co. Jung stellt sich hinter  die Agenda-2010-Politik von Gerhard Schröder. Es sei doch unbestritten, dass Hartz-IV als die größte Sozialreform das Fundament gelegt habe für den Abbau der Massenarbeitslosigkeit. Als Beispiel führt der OB an, in seiner Stadt Fürth sei die Arbeitslosenquote von zwölf auf 4,6 Prozent gesunken. Da erinnert sich der Leser an Zitate der Juso-Chefin Andrea Nahles aus dem Jahre 1998, Schröder sei die „Abrissbirne der SPD-Programmatik“. Jung warnt vor einer Abkehr von Hartz-IV, fordert Reformen, aber das Prinzip des Förderns und Forderns müsse bleiben. Da wird sie zu schlucken haben, die Chefin, wenn sie das liest.

Mit ihren Kanzlern ging die SPD nie gut um

Ja, es ist wahr, die SPD ging mit ihren Kanzlern nicht sehr umsichtig um. Das haben schon Willy Brandt und Helmut Schmidt erfahren, letzterer brauchte Jahre, um wieder auf Parteitagen als Ehrengast gefeiert zu werden. Gerhard Schröder holte als Kanzler gern den Rat des Alten aus Hamburg ein. Der kam ins Kanzleramt, qualmte eine Schachtel Zigaretten und erklärte seinem Gegenüber die Welt. „Als SPD können wir stolz sein auf unsere Kanzler, von Brandt bis Schröder.“ Damit gibt Jung gewiss wieder, was die Menschen draußen denken und fühlen. Jung räumt auch auf mit der Vorstellung auf, die SPD-Wähler hätten es nicht so mit dem Thema Sicherheit und Schutz. Das Gegenteil sei richtig, betont er und kritisiert den Mainstream derer im Willy-Brandt-Haus in Berlin, die mehr den Datenschutz für wichtig hielten, während der geneigte SPD-Wähler sich mehr Schutz vom Staate wünsche als es die Unions-Wähler täten. Der Wohlhabende könne sich oft selbst schützen vor Kriminellen, mit Alarmanlagen und privaten Sicherheitsdiensten, nicht aber der kleine Mann. Man fühlt sich erinnert an Debatten in NRW zur Zeit der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihres sehr umstrittenen Innenministers Jäger. Innere Sicherheit spielte eine eher untergeordnete Rolle im Denken der SPD-Funktionäre an Rhein und Ruhr. Die Folgen sind bekannt.

Ein Umdenken fordert Jung auch in der Flüchtlingspolitik. Es sei zwar gut und richtig, allen Menschen, die auf der Welt in Bedrängnis geraten, helfen zu wollen, aber man dürfe nicht vergessen, dass es auch in den SPD-Reihen Menschen gäbe, die selbst soziale Notlagen spürten. Wörtlich gibt er zu bedenken: „Wer selbst nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht, sieht oft keine Möglichkeit, etwas abzugeben oder mit anderen zu teilen.“

Die Interessen der arbeitenden Menschen mehr berücksichtigen lautet eine Forderung von Sigmar Gabriel. Der war auch mal SPD-Chef und beobachtet heute aus der hinteren Reihe das Treiben der neuen Vorderleute. Eine andere Forderung hat der Sozialhistoriker Jürgen Kocka im Tagesspiegel aufgeschrieben: „So sehr das entschiedene Eintreten für universelle Rechte zur DNA der Sozialdemokratie gehört, so dringend ist es für die Partei, liberal-humanitäre Prinzipien und soziale Leistungsfähigkeit immer neu auszutarieren. Dies ist ihr in der Flüchtlings- und Migrationspolitik seit 2015 nicht gelungen und trägt zu ihrem Niedergang bei.“

 

Bildquelle: flickr, PapiertrümmerCC BY 2.0

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arbeitete als stellvertretender Chefredakteur und Berliner Chefkorrespondent für die WAZ. 2009 gründete Pieper den Blog "Wir in NRW". Heute ist er Chefredakteur des Blogs der Republik.


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