An guten Wünschen zum Neuen Jahr hat es wahrlich nicht gefehlt. Und trotz aller Emissions- und Immissionsbedenken wurden viele Millionen Raketen und Böller in den Himmel geschossen. Dennoch gehen die meisten Menschen in unserer Republik weniger in Champagner-Laune und mit mehr gedämpften Hoffnungen in das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.
Die Unsicherheiten und Risiken sind jedenfalls groß, wie es der Blick auf die außen- wie innenpolitischen Entwicklungen, auf die globalen wie nationalen Wirtschaftstrends deutlich zeigt. Die deutsche Konjunktur schwächelt zusehends, wird jedoch nicht in eine Rezession geraten. Hinzu kommen Strukturprobleme in wichtigen Branchen, die nicht leicht und schon gar nicht schnell zu lösen sind.
Solides Plus beim privaten Konsum
Nach rund einem Jahrzehnt des ökonomischen Aufschwungs wird das wirtschaftliche Wachstum im neuen Jahr voraussichtlich mit 0,5 bis 0,7 % knapp über der Nulllinie liegen. Dabei wird der private Konsum der stärkste Motor sein. Die Lohn- und Gehaltssteigerungen im abgelaufenen Jahr haben die Kaufkraft der Verbraucher erhöht. Zudem lohnt sich das Sparen angesichts der Null- oder gar Minuszinsen immer weniger, es sei denn, dass das hart erarbeitete Geld in Wertpapieren mit soliden Erträgen angelegt wird. Impulse wird der private Verbrauch von einigen steuerpolitischen Maßnahmen erhalten, wie etwa von der Erhöhung des Grundfreibetrages und von den ab Juli kräftig steigenden Renten, die in Westdeutschland um gut 3 % und in Ostdeutschland um fast 4 % erhöht werden. Auch der gesetzliche Mindestlohn wird ab Januar 2020 von 9,19 auf 9,35 € angehoben. Die Kreditfinanzierung von größeren Anschaffungen wird günstig bleiben; das könnte zu einer Belebung des Autogeschäfts führen.
Aufhellung beim Exportgeschäft
Auf eine leichte Besserung können die deutschen Firmen beim Export hoffen. 2019 stiegen die Ausfuhren gerade noch um 1 %. Denn der globale Außenhandel war geschrumpft, weil sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China auch auf deutsche Exporte negativ auswirkte; hinzu kamen das Brexit-Drama und die weltweite Zurückhaltung bei Investitionen. Im neuen Jahr zeichnet sich eine Entspannung im chinesisch-amerikanischen Handelskrieg ab – mit einer teilweisen Abrüstung bei den erst jüngst eingeführten Zöllen, die der US-Präsident verhängt hat. Die kräftig erhöhten Agrarimporte Chinas aus den USA stimmen den Twitterkönig aus dem Weißen Haus freundlicher, denn die amerikanischen Farmer profitieren davon und werden dies bei der Präsidentenwahl im November weitgehend Trump gutschreiben. Nichtsdestotrotz schwebt weiterhin über deutschen Unternehmen das Damokles-Schwert höherer Zölle auf Automobile und andere Waren, denn der US-Präsident bleibt einfach unberechenbar. Insgesamt ist jedoch mit einem Anstieg der deutschen Ausfuhren um gut
2 % zu rechnen, da die Weltwirtschaft insgesamt um über 3 % wachsen wird. Mit einem Plus von über 6 % wird China am stärksten zulegen, gefolgt von Indien mit gut 5 %. Dagegen werden die Wachstumsraten in Westeuropa mit 1 bis 1,5 % eher bescheiden bleiben, während sie in Osteuropa im Schnitt mehr als doppelt so hoch ausfallen werden.
Zurückhaltung der privaten Investoren
Die privaten Investitionen deutscher Unternehmen werden stagnieren oder gar zurückgefahren. Denn die Industrieproduktion, die bereits 2019 stark zurückfiel, wird auch im neuen Jahr nochmals abnehmen. Die Auslastung der vorhandenen Kapazitäten wird weiter zurückgehen. Zum einen wirken sich die außenwirtschaftlichen Risiken negativ aus, zum anderen befinden sich viele Unternehmen in einem strukturellen Wandel. Das gilt vor allem für die Autohersteller und die vielen Zulieferer, die sich auf neue Technologien wie die E-Mobilität, Kohlenwasserstoff-Antriebe usw. einstellen müssen. Zudem ist Deutschland im Digitalisierungswettlauf keineswegs auf den vorderen Positionen zu finden. Defizite gibt es bei der digitalen Infrastruktur und bei der künstlichen Intelligenz (KI). Innovationsspitzenreiter sind hier die USA und China. Die deutsche Wirtschaft wird bei der digitalen Transformation kräftig zulegen müssen, um auf den Zukunftsfeldern Robotik, Automatisierung, Industrie 4.0 und vernetzte Mobilität nicht weiter an Boden zu verlieren. Dazu gehört auch der notwendige politische Rückenwind; die Einrichtung eines Digitalministeriums, in dem alle digitalen Kompetenzen gebündelt werden, ist längst überfällig, um Deutschland vor allem zu einem bedeutenden Player der globalen Plattformwirtschaft zu machen.
Aufwärts beim Bau
Positive Impulse werden 2020 von der Immobilienwirtschaft ausgehen. Allerdings werden wohl kaum mehr als 300.000 neue Wohnungen entstehen. Die Berliner Mietendeckelpolitik und das dort angekündigte Volksbegehren zur Enteignung von Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen wirken wie eine Bremse auf die Neubauaktivitäten. Jedenfalls ist nicht in Sicht, dass in den nächsten Jahren jeweils rund 400.000 neue Wohnungen entstehen werden, die notwendig wären, um die Wohnungsnot in größeren Städten nachhaltig zu beseitigen. Die Investoren halten sich zurück und warten das Urteil zur Normenkontrollklage gegen den Berliner Mietendeckel, das im zweiten Halbjahr 2020 kommen soll, ab.
Dagegen nehmen die Investitionen im Büro- und Gewerbebau kräftig zu; die Deutsche Bank erwartet hier ein Plus von 3,5 % in 2o2o. Im Tief- und Straßenbau könnte es sogar eine Steigerung um rund 5 % geben. Allerdings wird bereits seit längerem über Kapazitätsengpässe im Bausektor geklagt. Bei nicht wenigen öffentlichen Ausschreibungen werden keine Angebote von Baufirmen abgegeben, obwohl viele Schulgebäude, Straßen, Kanal- und Glasfasernetze dringend erneuert werden müssen. Die finanziellen Mittel stehen dafür in vielfacher Milliardenhöhe bereit, doch können sie nicht verbaut werden. Vor allem fehlen überall Bauarbeiter, Ingenieure, Poliere und Projektmanager.
Arbeitsmarkt in Bewegung
Recht differenziert wird auch 2020 die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verlaufen. In der Industrie und im Finanzgewerbe wird es zu einem Abbau von Beschäftigten kommen. Auf der anderen Seite werden im Dienstleistungs- und Gesundheits- wie Pflege-Sektor händeringend Arbeitskräfte gesucht. Auch die öffentliche Hand kann viele Stellen nicht besetzen, zumal hier die Entlohnung im Vergleich zur privaten Wirtschaft deutlich niedriger ist. Ebenso fehlt dem Handwerk mehr und mehr das Personal; im Schnitt müssen Kunden schon 4 Monate und länger auf einen Handwerker – auf den Elektriker, Installateur, Fliesenleger usw. – warten. Dringend gesucht werden zudem IT-Spezialisten in nahezu allen Branchen. Allein VW will im neuen Jahr mehr als 2.500 Fachleute für den IT-Bereich und die Software-Entwicklung einstellen. Da diese nur schwer oder nur in geringer Zahl auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu finden sind, beschäftigt VW wie viele andere deutsche Unternehmen IT-Experten und Software-Entwickler in den USA, in China, Indien und in anderen Staaten; dort werden die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft entwickelt.
Das in Kürze in Kraft tretende Facharbeiter-Zuwanderungsgesetz soll etwas Abhilfe schaffen und manche Lücken in den Betrieben, Krankenhäusern und Pflegeheimen zu schließen. Die staatlichen Prozeduren sind indessen so schwierig, dass mit raschen Erfolgen kaum zu rechnen ist.
Insgesamt wird die Zahl der Erwerbstätigen in 2020 etwa auf dem Rekordniveau von 45 Mio. bleiben. Allerdings werden mehr und mehr Firmen in der Industrie Kurzarbeit machen, um so ihre Belegschaften für wieder bessere Zeiten bei der Stange zu halten. Wichtiger denn je wird auch die Umqualifizierung von bisherigen Beschäftigten auf neue Tätigkeiten – insbesondere auf die Digitalisierung. Denn vor allem auf einfachen Berufsfeldern werden immer weniger gering qualifizierte und angelernte Kräfte Zukunftschancen haben.
Gefahren für den Industriestandort Deutschland
In einer aktuellen Analyse weist die Deutsche Bank auf die große Gefahr hin, dass der Industriestandort Deutschland gefährdet ist. Die Arbeitskosten haben in den letzten Jahren zugenommen. Die Steuerbelastungen der deutschen Unternehmen liegen zum Teil deutlich über dem Niveau vieler Staaten, mit denen Deutschland im harten Wettbewerb steht.
Die Strompreise sind inzwischen so hoch wie sonst nirgendwo. Die deutsche und europäische Energie- und Klimapolitik wirkt sich seit längerem negativ auf die Investitionen aus. Das führt mehr und mehr dazu, dass viele deutsche Unternehmen Produktionsstandorte im Ausland errichten – in den USA, in China, in Mexiko und auch in osteuropäischen Staaten.
Hinzu kommen mehr und mehr politische Risiken. Die einst großen Volksparteien, die in den 7 Jahrzehnten des Bestehens unserer Republik stabile Regierungsmehrheiten bilden konnten, wirken derzeit ausgezehrt. Unsicher ist, ob die GroKo bis 2021 halten oder die neuformierte SPD-Spitze das Regierungsbündnis vorher aufkündigen wird, wenn ihr nicht weitere sozialpolitische Zugeständnisse seitens der Union gemacht werden. Auch die AfD könnte weiter zulegen, sodass die Union zwischen dieser rechtsradikalen Partei und den Grünen weiter zerrieben wird, wie es bisher schon die SPD zwischen den Linken und den Grünen erleben musste. Jedenfalls sind die politischen Risiken in ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft im Jahre 2020 ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Geldanlagen: Mehr Mut zum Risiko?
Wer im vergangenen Jahr 100.000 € auf seinem Sparbuch hatte, ging ohne jeden Cent Ertrag in das Neue Jahr. Ob Tages- oder Monatsgeld, ob Bundesanleihen – die Zinserträge blieben mehr als mager. Dagegen hat der DAX in 2019 mit einem Plus von rund 25 % abgeschlossen. Ähnlich positiv ging es an den meisten europäischen Börsen und auch an der Wall Street in den USA zu. Gold legte um etwa 20 %, Silber um 17 % und Palladium gar um 55 % zu. Die Europäische Zentralbank wird auch 2020 ihren geldpolitischen Kurs mit den Null-Zinsen fortsetzen. Auch in den USA und in vielen anderen Ländern sind kaum spürbare Zinserhöhungen zu erwarten. Präsident Trump wird mit Blick auf die Wahl im November darauf drängen, dass die Amerikaner sich über Kurssteigerungen ihrer Aktien freuen können. Die Performance europäischer Aktien wird im neuen Jahr nicht mehr so stark wie 2019 ausfallen. Doch prognostizieren nahezu alle Experten eine weitere Steigerung der Aktienkurse mit einem DAX um die Marke von 14.000. Kluge Sparer, die auf Erträge aus Dividenden und auch auf Kurssteigerungen setzen, müssen das Risiko wagen und Aktien oder Investmentfonds kaufen. Auch wenn die Inflationsrate 2020 kaum über 1 % steigen wird, der Wert ihres Geldes auf dem Sparbuch wird weiter abnehmen. Des Sparers Leid ist des Schuldners Freud: Wer Kredite oder Hypotheken aufnehmen will, sollte die niedrigen Zinsen in diesem Jahr dafür nutzen.
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