Sie wurden von den Nazis wegen ihrer religiösen Überzeugung verboten, von Nachbarn denunziert, von der Gestapo gefoltert, ins KZ gesteckt und einige von ihnen sogar hingerichtet. Das Schicksal der rund 25000 Zeugen Jehovas geriet in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg fast in Vergessenheit, eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum am Max-Mannheimer-Platz in München widmet sich endlich den Lebensgeschichten und Verfolgungen der Zeugen Jehovas, die in der bayerischen Hauptstadt gelebt haben.
1933 lebten in München rund 500 Zeugen Jehovas, 309 von ihnen wurden verfolgt, 239 inhaftiert und 22 von ihnen durch die Nazis ermordet.
Die Zeugen Jehovas waren die erste Glaubensgemeinschaft, die Hitler verbieten ließ. Sie wurden Opfer der Nazis, weil sie den Hitler-Gruß verweigerten, weil sie die Hymne der Nazis nicht mitsangen, weil sie NS-Organisationen wie der NS-Einheitsgewerkschaft fernblieben und weil sie den Dienst mit der Waffe, den Kriegsdienst verweigerten. Die „Ernsten Bibelforscher, wie sie sich nannten, waren auch deshalb den Nazis schon in den 20er Jahren ein Dorn in ihren braunen Augen, weil die in den USA entstandene Glaubensrichtung internationalen Charakter hatte. Das Nazi-Blatt „Der Stürmer“ hetzte gegen sie, weil dahinter „amerikanische Juden und Freimaurer“ vermutet wurden. Insgesamt wurden während der NS-Zeit 10700 Zeugen Jehovas in Deutschland verfolgt
Der Platz vor dem NS-Dokumentationszentrum heißt seit einiger Zeit Max-Mannheimer-Platz. Eine angemessene Ehrung für den Juden Max Mannheimer, der ein Holocaust-Überlebender war, der seit 1990 Präsident der Lagergemeinschaft Dachau war, der sein Leben lang als Zeitzeuge über die Verbrechen der Nazis an den Juden berichtet hatte, und der 2016 im Alter von 96 Jahren in München starb. Das weiße Haus am einst braunen Platz, so habe ich das neue Zentrum in einem Bericht im Blog-der-Republik vor einem Jahr genannt. Hier stand in der Nazi-Zeit die Parteizentrale der NSDAP, seit ein paar Jahren ist hier das Dokumentationszentrum eingerichtet, ein Ort, der viele Besucher anzieht, die wissen wollen, was das mit der damaligen Hauptstadt der Bewegung auf sich hatte, warum ausgerechnet München, diese Stadt der Kunst zum Zentrum der braunen Barbaren wurde. Immer wieder beschäftigt sich das Dokumentationszentrum mit verschiedenen Aspekten des Dritten Reiches, war es im letzten Jahr u.a. die Frage von Distanz und Nähe der christlichen Kirchen zu den Nazis, so ist es in diesem Jahr das Leben und Schicksal von Zeugen Jehovas zwischen 1933 und 1945.
Von Dachau über Mauthausen nach Stutthof
2800 der Zeugen Jehovas landeten in Konzentrationslagern. Darunter Josef Edlmann, ein Tischler und mehrfacher Vater. Edlmann wurde von einem Beamten der Stadt München denunziert. Der Beamte hatte bei einer Nachbarin der Familie Edlmann eine Broschüre der Zeugen Jehovas entdeckt, mit Hilfe der Nachbarin überführte die Gestapo Edlmann als Anhänger der Glaubensgemeinschaft. Er wurde am 18. Februar 1937 verhaftet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Danach wurde er ins KZ Dachau überstellt, von dort kam er ins KZ Mauthausen in Österreich, dann ins KZ Gusen und schließlich ins KZ Stutthof, wo er kurz vor der Befreiung durch die Amerikaner starb.
Therese Kühner stammte aus einem Vorort von Dachau. Sie hatte sich 1929 den Bibelforschern angeschlossen und stellte während des Krieges ihre Wohnung für Treffen der Zeugen Jehovas zur Verfügung. Außerdem besaß sie einen Abziehapparat, mit dem Schriften vervielfältigt wurden, die kritische Aussagen über den Krieg und das NS-Regime enthielten. Frau Kühner wurde zusammen mit ihrer Schwägerin Else Danhofer im August 1943 verhaftet, der Volksgerichtshof in Berlin verurteilte sie und ihre Schwägerin wegen Verbreitung regiefeindlicher Schriften zum Tode. Die Frauen wurden im Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet.
Rudolf Moebs kam aus einer Münchner Handwerkerfamilie, die den Zeugen Jehovas angehörte. Nur widerwillig folgte er seiner Einberufung zum Kriegsdienst, noch zu Hause hatte er betont, niemals werde er auf einen Menschen schießen. Als er im Einsatz in der Ukraine zum Frontdienst aufgefordert wurde, verweigerte er den Dienst an der Waffe. Ein Kriegsgericht verurteilte Moebs im Juni 1942 zum Tode, im August wurde er von einem Hinrichtungskommando erschossen.
Wegen einer Flugblattaktion ermordet
Diese und andere Lebensläufe und Schicksale finden sich in der Ausstellung, sie hängen mit Fotos der Opfer an den Wänden, gut sichtbar und lesbar. Wer mehr wissen will, kann dies in der so genannten Recherchestation tun, wo sich weitere Schicksale von Zeugen Jehovas nachlesen lassen. An einer Stelle ist ein Gedenkstein zu sehen: „Hier wohnte Rosa Günther, eine Zeugin Jehovas, die wegen einer Flugblattaktion 1938 in Moringen-Ravensbrück verhaftet und die im KZ Auschwitz am 22. Oktober 1942 ermordet wurde“.
Die Zeugen Jehovas hatten mit den Auswirkungen der NS-Verfolgung lange zu kämpfen, heißt es in einer Information, die der Besucher an der Wand findet. Im bundesdeutschen Entschädigungsgesetz wurden sie zwar als religiös Verfolgte anerkannt, die Verfolgung wegen Kriegsdienstverweigerung war jedoch davon ausgenommen. Sie galt als rechtmäßig und wurde nicht entschädigt. Erst 1998 rehabilitierte der Deutsche Bundestag die Opfer der NS-Militärjustiz, die als Kriegedienstverweigerer und Wehrkraftzersetzer verfolgt und ermordet worden waren. Nur rund ein Viertel der 239 inhaftierten Münchner Zeugen Jehovas beantragte eine Entschädigung für das erlittene Unrecht.
Die unerbittliche Verfolgung der Zeugen Jehovas im Dritten Reiche führte übrigens dazu, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik das Recht auf Kriegsdienstverweigerung verankert wurde.
Quelle: Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in München 1933-1945. Eine Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums München. Bis zum 6. Januar 2019. Dienstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr. Max-Mannheimer-Platz 1. 80333 München. Eintritt: 5 Euro
Bildquelle: BdR, AP
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Gut, dass man neue, bisher allgmein unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse in das öffentliche Gedenken einfließen lässt. Nur so kann man die schlimmen Fehler der NS-Zeit aufarbeiten und eine bessere Zukunft gestalten !