Die Diskussion über Euro-Bonds ist nicht neu, sie wurde bereits während der Eurokrise geführt und negativ beschieden. Erschreckend ist, dass die Gegenargumente von damals heute unverändert die gleichen sind. Offenbar erkennen die Verweigerer die ungeheure Dimension der Krise und das Ausmaß der Bedrohung durch die Corona-Pandemie nicht. Sonst dürften sie jedenfalls gemeinsame Staatsanleihen nicht reflexhaft und leichtfertig zum Tabu erklären.
Dringende Appelle werben in diesen Tagen massiv für Corona-Bonds und versuchen vor allem die deutsche Bundesregierung wachzurütteln. Letztlich hängt die Entscheidung von Berlin ab, auch wenn zurzeit die lautesten Widerworte aus Den Haag kommen.
In einem deutsch-italienischen Aufruf, den der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold initiierte, heißt es: „Wir erleben einen entscheidenden Moment für Europa. Die Solidarität der europäischen Gemeinschaft steht auf der Probe. Die Coronakrise wurde von keinem Land allein verschuldet. Europäische Solidarität ist das Gebot der Stunde.“
Prominente Deutsche und Italiener aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport unterstützen die Forderungen, darunter Mario Monti und Enrico Letta als ehemalige Premierminister Italiens, Hans Eichel als ehemaliger deutscher Finanzminister, Elmar Brok (CDU) als langjähriges Mitglied des Europaparlaments.
„Die Pandemie trifft uns als Europäerinnen und Europäer gemeinsam, wir müssen sie deshalb auch gemeinsam bewältigen“, fordern die Unterzeichner. Sie kritisieren: „Statt europäischer Einheit, erleben wir nationale Spaltung unter den Regierungen. Eine Spaltung Europas ist die denkbar schlechteste Antwort auf diese gemeinsame Herausforderung. Die Bundesregierung befördert die Spaltung Europas.“
Alle EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten sollten sich dringend an einer gemeinsamen Anstrengung mit vier Schlüsselaktionen beteiligen, fordert der Appell. Diese sind ein umfassender Schutzschirm für Europa und den Euroraum, ein zuverlässiger und langfristiger Zugang aller Mitgliedsländer zu den von der Europäischen Zentralbank ermöglichten Niedrigzinsfinanzierungen sowie die Eröffnung einer Gesundheits-Kreditlinie im ESM, dem Europäischen Rettungsfonds, die ohne zusätzliche Bedingungen für gesundheitsbezogene Programme verwendet wird.
Und zu den Corona-Bonds heißt es: „Aber wir brauchen auch eine Lastenteilung, da die Krise alle Länder gleichzeitig trifft und sich kein einziges Land aufgrund schlechter wirtschafts- oder finanzpolitischer Entscheidungen der Vergangenheit in dieser Krise befindet. Wir brauchen eine Lastenteilung, weil einige Länder sonst Gefahr laufen könnten, nicht genug für Gesundheit und eine rasche Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten ausgeben zu können. Dies würde nicht nur dem betroffenen Land schaden, sondern den gesamten Binnenmarkt gefährden. Wir fordern daher die Ausgabe von Europäischen Gesundheitsanleihen mit einem klaren und definierten gemeinsamen Ziel und unter Einhaltung gemeinsam vereinbarter Richtlinien. Dies würde es ermöglichen, die Last gemeinsam und auf demokratische Weise zu schultern.“
Ähnlich eindringlich der offene Brief vom Tag zuvor, mit dem Künstler und Wissenschaftler die deutsche Bundesregierung zu einem raschen Umdenken bewegen wollen. „Die Forderung der Stunde lautet, maximal stark zu sein: maximal solidarisch“, heißt es in dem u.a. von der Zeit online veröffentlichten Schreiben. Und:
„In der ungeheuren Krise, die wir gerade global erleben, geht es um alles, jetzt und zuerst einmal um die Rettung von Menschenleben, um die Vermeidung eines weiteren Einbruches der nationalen wie internationalen Ökonomien, der zu katastrophalen materiellen und sozialen Folgen führen würde. Und ebenso geht es um die Bewahrung unserer humanen, freiheitlichen, demokratischen Gesellschaftsordnungen“. Nötig sei jetzt ein „Maximum politisch organisierter, individueller, regionaler, nationaler wie internationaler Kooperation und Solidarität“.
„Die Länder der Europäischen Union müssen sich – auch im ureigenen deutschen Interesse – ökonomisch maximal gemeinsam solidarisch verhalten und sich gegenseitig absichern. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, unter Einsatz der Kräfte aller einzelnen nationalen Volkswirtschaften, um eine gemeinsame Stabilität herzustellen. Die Lage verlangt konkrete, sofortige Solidarität, sprich: Corona-Bonds zu etablieren, gemeinsame, von den Euro-Staaten emittierte Anleihen.“
Die Autoren drängen zur Eile, „bevor die Abwärtsspirale eine noch größere Eigendynamik entwickelt“. Die beschlossenen nationalen Wirtschafts- und Finanzinstrumente wie Konjunkturpakete, Notkredite, Anleihenkäufe, Finanzspritzen werden nicht ausreichen, auch keine aktualisierten Varianten des ESM, keine „vorsorgliche Kreditlinien“ für nationale Haushalte.
„Zu gewaltig ist die Wucht des Geschehens. Wer kann es wirklich verantworten, in der gegenwärtigen Situation nicht das stärkste aller Instrumente zu nutzen, über das wir Europäer verfügen?“ Aus ethischen Gründen, auch aus kulturellen, sozialen und eben ökonomischen gelte: „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung, sie ist ein Mandat, und Deutschland verfügt über eine enorme Kraft. Europa hat uns alles gegeben, was wir sind – jetzt ist es auch an uns, zurückzugeben.“
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